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Dort, wo man wirklich war

Done. Seit letz­ter Woche habe ich Hel­sin­ki auch „abge­hakt“. Ich kann also hoch­of­fi­zi­ell von mir behaup­ten, dort gewe­sen zu sein. Rein fak­tisch stimmt das auch, ich war tat­säch­lich eini­ge Stun­den dort. Ich könn­te nun sämt­li­che Apps mit die­sem Stück­chen Infor­ma­ti­on fül­len und den Fleck auf mei­ner Welt­kar­te mit einem Pin mar­kie­ren. Hel­sin­ki stand schon län­ger auf mei­ner Rei­se-Lis­te, und ich lie­be es Lis­ten anzu­le­gen. Jetzt ist die fin­ni­sche Haupt­stadt abge­hakt, hur­ra.

Kein Internet, kein Handyemfang, aber die Post im Ort gibt es noch

Es ist eine Rei­se­lis­te, die aus Fern­weh und Aben­teu­er­lust ent­stan­den ist und die, je mehr ich rei­se, immer mehr an Bedeu­tung ver­liert. Immer mehr ahne ich, dass es nicht dar­auf ankommt, wo ich über­all gewe­sen bin, son­dern was ich dort erlebt habe. Und, mit wem ich mei­ne Zeit ver­bracht habe. Was weiß ich über Hel­sin­ki schon? Kaum etwas. Ich habe einen kur­zen ober­fläch­li­chen Ein­druck, mehr nicht.

Im Eng­li­schen heißt es so schön „been the­re, done that“. Gan­ze Städ­te kön­nen so in weni­gen Stun­den erle­digt sein, doch wirk­lich „getan“ hat man dort meist kaum was. Als ich acht Mona­te rund um den Glo­bus unter­wegs war, hab ich es zum ers­ten Mal gespürt. Zu vie­le Län­der, zu vie­le Orte und Men­schen berei­chern einen nicht, son­dern sau­gen an Ener­gie und Rei­se­lust. Nie­mand läuft ger­ne stun­den­lang über­mü­det durch eine neue Stadt, aber machen tun wir es irgend­wie trotz­dem alle. Auch wenn wir dann in Kauf neh­men, nur die Hälf­te wirk­lich auf­neh­men zu kön­nen. Wenn man das lan­ge genug macht, stellt sich frü­her oder spä­ter die Fra­ge der Sinn­haf­tig­keit.

“There’s a place cal­led Koko­mo. That’s whe­re you wan­na go to get away from it all…” Koko­mo, Beach Boys

Koko­mo. Koh Yoni Leh. Grop­pe. Es gibt Orte, die gibt es nicht wirk­lich. Zumin­dest nicht auf einer Land­kar­te, in Rei­se­ka­ta­lo­gen oder gar auf Lis­ten. Aber trotz­dem exis­tie­ren sie, und zwar in ers­te Linie, weil wir sie selbst fin­den und bele­ben. Es sind unbe­kann­te Inseln, klei­ne Bun­ga­lows an unschein­ba­re Strand­ab­schnit­te oder schma­le Täler, in denen alte Häu­ser ste­hen. Orte, an denen ech­te Erleb­nis­se auf einen war­ten. Ein sol­cher Ort ist Grop­pe für mich.

Groppe

Grop­pe hat natür­lich auch einen offi­zi­el­len Orts­na­men, der auf der Land­kar­te zu fin­den ist, aber der tut hier nichts zur Sache. Nur soviel sei ver­ra­ten: auf Num­mer 26 die­sen Ortes im nörd­li­chen Wald­vier­tel (an der öster­rei­chi­schen Gren­ze zu Tsche­chi­en) steht ein klei­nes Haus, gut ver­steckt unter der Hain­bu­chen-Hecke, die mei­ne Eltern damals gepflanzt haben, als ich noch ganz klein war.

In Grop­pe habe ich mei­ne ers­ten Sil­ves­ter ver­schla­fen und bin mit Lang­lauf­ski am ers­ten Tag des Jah­res durchs Tal gestampft. Im Som­mer habe ich aben­teu­er­li­che Bach­durch­que­run­gen in Plas­tik­schu­hen unter­nom­men und das Schlauch­boot das klei­ne Wehr hin­un­ter gejagt, bis es an einem spit­zen Stein kaputt gegan­gen ist. Ich habe famo­se Schlamm­lö­cher gegra­ben und Schät­ze ver­senkt um sie spä­ter wie­der zu ent­de­cken. Irgend­wo in dem nahen Wald liegt heu­te noch einer unter einer gro­ßen Tan­ne ver­steckt…

HeidelbeerenMein neuer Freund das HeupferdHallo Mister Raupe, nice to meet you

Unzäh­li­ge Som­mer habe ich als Kind hier damit ver­bracht Hei­del­bee­ren und Eier­schwam­merl (Blau­bee­ren und Pfif­fer­lin­ge) auf Hügeln zu suchen mit wun­der­ba­ren Namen, wie zum Bei­spiel im „Über­land“. Die Enke­lin unse­rer Nach­barn und ich haben fri­sche Kar­tof­fel aus den Fel­dern gegra­ben und im Feu­er auf der klei­nen Sand­in­sel bis zur Ver­koh­lung gebra­ten. Wenn das Wet­ter mal nicht mit­ge­spielt hat, sind wir auf den Dach­bo­den der alten Papier­fa­brik geklet­tert und haben in alten Maga­zi­nen gestö­bert oder vorm Fern­se­her war­men Kakao mit „But­ter­sem­merl“ mit Salz geges­sen. Es war toll. Es waren die klei­nen Aben­teu­er des Lebens, die man heu­te meist mit viel Auf­wand pla­nen muss oder für die man auf Rei­sen in fer­nen Län­dern fer­tig orga­ni­siert bucht und für die man viel Geld lie­gen lässt.

Das hügelige Waldviertel Ribisel ernten im BachFrühstück a la casa

Letz­te Woche war ich nach lan­ger Zeit wie­der in Grop­pe. Ich habe Ribi­sel im Bach ste­hend gepflückt, war Hei­del­bee­ren im „Über Land“ suchen und habe das klei­ne Wehr über­quert. Es gab Früh­stück mit fri­schem Brot vom Bäcker im Ort, herr­li­che Kräu­ter aus dem Gar­ten und Hei­del­bee­ren Pala­tschin­ken mit Kris­tall­zu­cker, der zwi­schen den Zäh­nen knirscht. Es war toll.

Sol­che Orte sind die wah­ren Schät­ze beim Rei­sen, für die sich dann auch Tage der kom­plet­ten Über­mü­dung und die vie­len Flug­stun­den aus­zah­len. Nur Häk­chen kann man danach lei­der keins set­zen. Macht aber nichts.

Heidelbeer Palatschinken, die österreichische Form der Pfannkuchen

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Antworten

  1. Avatar von Björklunda
    Björklunda

    Hi,

    du sprichst mir aus der See­le. Ich dach­te lan­ge Zeit, ich muss hier­hin dort­hin rei­sen. Doch durch mei­ne Kids hat sich das Rei­sen ver­än­dert – man hält mehr inne und lernt wie­der die klei­nen Din­ge zu sehen, die man als Erwach­se­ner gern über­sieht. Lässt man sich dar­auf ein, lernt man eine neue Art zu rei­sen.

    Grü­ße aus Schwe­den

    Hei­ke

  2. Avatar von Jan

    Hal­lo, tol­ler Bericht und klas­se pics… Vie­len Dank dafür!
    Gruß
    Jan

  3. Avatar von Patric Ganz

    »Abha­cken« kann kei­ne Befrie­di­gung für sich selbst geben! Obwohl doch, ein biss­chen schon! Spä­ter dann, wenn man sich zu Hau­se »recht­fer­ti­gen« muss…

    Ich rei­se grund­sätz­lich nie kür­zer als einen Monat »durch« ein Land! Ist auch noch meis­tens zu wenig, aber immer­hin bes­ser als die Hush-Hush-Tra­ve­ler, denen›s nur ums »Abha­cken« geht…

    Gruss Patric

  4. Avatar von Sven
    Sven

    BÄM!

    …und ein­fach mit­ten ins Schwar­ze.

    This.

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