Dein Warenkorb ist gerade leer!
Ein Güterzug mit weit über 100 Containern rattert neben mir über die Gleise, die parallel zur Straße verlaufen. Drei Loks sind dem Zug vorgespannt. Wie viel Kraft sie haben müssen, um die vielen Tonnen Gewicht zu ziehen!
Hackberry, eine Ortschaft an der Route 66. Hinter der Ausfahrt ist ein Roadstop. Das Skelett eines Rinderkopfs hängt an der Einfahrt. Alte Emaille-Schilder, der Lack schon abgeblättert, werben für Rasierseife und Coca Cola.
Auf dem Hinterhof stehen ein Dutzend alte Wägen. Chrysler, Fords, Desotos, Chevys. Die Reifen sind platt, die Scheiben zersplittert. „Die meisten von denen stehen seit 60 Jahren hier“, sagt Joyce. Mit ihrem faltigen Lachen steht sie im Roadstop hinter der Theke. „Ein paar waren schon immer da, aber irgendwann haben die Leute ihre Wägen aus dem ganzen Land angekarrt. Manche sind sogar aus Chicago oder Washington gekommen.“
Während ich einige Fotos schieße, kommt ein Kater angetapst und scharwenzelt um meine Beine. Er schmiegt seine Pfoten um das Handgelenk und streckt den Kopf in die Höhe, weil er am Hals gekrault werden will. Wer kann so ein Angebot schon ausschlagen?
Der Roadstop selbst sieht genauso urtümlich aus wie die alten Wägen. An der Decke hängen hunderte Nummernschilder, an der Wand Bilder von Marilyn Monroe und James Dean. „A blast from the past“, nennt Joyce den Laden, ein Stück Amerika aus den Fünfzigern. Den Roadstop gibt es sogar schon seit 1934. Als vor einem halben Jahrhundert parallel zur Route 66 die Interstate-40 zwischen Flagstaff und Kingman errichtet wurde, blieben die Kunden zunächst weg. 1974 schlossen das Diner und die Tankstelle, nur der Shop blieb offen.
Heute ist die Route 66 ein Mythos und Kulturgeschichte. Der Roadstop wird zum Ziel von Touristen und Nostalgikern aus aller Welt. „Wir sind einer der wenigen Läden, die noch genauso aussehen wie früher“, sagt Joyce. „Deshalb kommen alle zu uns.“
Einige Meilen weiter in Seligman. Bunte Neonreklame umrahmt die Straße, überall das schwarz-weiße Logo der Route 66. Die Locals messen sich im Hufeisen-Genauigkeitswurf. Das funktioniert fast wie Boule, nur eben mit mit anderem Material. Zwei Zweierteams treten gegeneinander an und schmeißen die Eisen in Richtung einer rund zehn Meter entfernten Eisenstange. Entweder es landet im Staub – Kopfschütteln – oder das Hufeisen trifft mit einem kernigen Klonk die Stange – Abklatschen, und ein Schluck Bier hinterher.
Nach Seligman wird die Route 66 wieder ruhiger, hier stehen kaum noch Häuser. Eichhörnchen hoppeln über den Asphalt und gucken gelangweilt in die Prärie.
Alle paar Meilen taucht neben der Straße Werbung für Burma Shave auf. Jeweils fünf Schilder, im Abstand von 50 Metern werben sie mit knackigen Vierzeilern für eine umsichtige Fahrweise – und für Rasierseife. Kostprobe gefällig?
Don’t lose your head
to save a minute
you need your head
your brains are in it.
Burma Shave
Nach jedem Gedicht freue ich mich schon auf das nächste.
Although insured
remember kiddo
they don’t pay you
they pay your widow.
Burma Shave
15 Meilen hinter Seligman ist der Spaß vorbei. Der Güterzug wird langsamer und biegt nach Norden ab, mein Weg führt zurück auf die Interstate-40. Aus der geschichtsträchtigen Route 66 wird wieder eine ganz normale Landstraße.
Antworten
Schöner Artikel und tolle Bilder! Die Route 66 und allgemein große Teile der USA stehen auch noch auf meiner Bucket List. Vielleicht klappts ja mal. Aber erstmal sind die Großstädte Nordamerikas dran – New York, Los Angeles, Vancouver…hach wenn man nur unendlich Zeit und Geld hätte. ;-)))
Wir sind die Route 66 von Chicago bis in die Nähe der Grenze zu Nevada gefahren, wo wir zum Death Valley abgebogen sind. Wir waren in der glücklichen Lage, viel Zeit zu haben. Dadurch konnten wir fast über die gesamte Länge die 2. Route 66, die Historic Route 66 fahren, also dort, wo die legendäre Straße nicht von der Interstate überbaut wurde. An vielen Stellen trifft man auch noch auf die Reste der 1., also ältesten Route 66, die ursprünglich durch die an der Strecke liegenden Ortschaften führte. Hier und da sind das Originalpflaster, gerissene und überwucherte Betonabschnitte und alte Brücken zu finden. Alte Bars, Shops, Tankstellen, Geisterdtädte und sogar ein Ein-Raum-Gefängnis harren auf ihre Entdeckung, natürlich neben den zahlreichen Route 66-Museen, die von Privatleuten liebevoll geführt werden. Die Geschichten von Jesse James und Billy the Kid werden lebendig gehalten. Die Straße zog uns tief in ihren Bann.
Schreibe einen Kommentar