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Jemand aus der Schlange macht ein Foto. Ich werde mich später nicht erinnern, ob es ein Mann war oder eine Frau, aber zu Hause werde ich das Foto ansehen und wissen, dass ich glücklich war. Er hat den Arm um meine Schulter gelegt und mich zu sich herangezogen, wir lächeln. Hinter uns blüht pinker Oleander, vor uns im Weg steht mein Gepäck.
2. Juli 2016, 9.55 Uhr, Korčula, Kroatien. In fünfzehn Minuten legt die Fähre nach Dubrovnik ab. Abschied nach Tagen voller zugesteckter Zettelbotschaften, heimlicher Küsse an seinem Arbeitsplatz, Verabredungen, Beteuerungen, Leichtigkeit. Die Schlange bewegt sich, auf einmal geht alles ganz schnell.
Ich verstaue meinen Koffer in der Gepäckablage im Unterdeck, gehe die Treppe hinauf und suche einen Platz. Mein Blick fällt durch die getönten Scheiben nach draußen. Auf die Insel. Auf den Hafen. Und dann auf ihn. Er steht noch immer an derselben Stelle, die Hände in die Hüften gestemmt, er steht dort und sieht hoch, er sucht nach mir.
Mein Herz öffnet sich sperrangelweit, mein Magen krampft. Die erste Träne läuft still an meiner Wange hinunter, kaum dass ich mich gesetzt habe. Gerührt war ich – einfach nur gerührt – nicht traurig!, werde ich später sagen. Die Wahrheit ist: Das hier, das kenne ich schon. Die Fähre setzt sich in Bewegung. Ich bemühe mich, niemanden anzusehen.
Und dann kommt Filip. Ein Mann mit warmen, lieben Augen und grauen Locken. „Crew“ steht auf seinem Hemd. Er kommt direkt auf mich zu, in der Hand ein Taschentuch. Er hockt sich vor mich und tupft die Tränen trocken. Zwecklos. Wer hört schon auf zu weinen, wenn er getröstet wird. Wie ich heiße und woher ich komme, möchte er wissen. Dass er alle fünf Minuten nach mir schauen wird, kündigt er an, drückt mir das Taschentuch in die Hand und geht.
Fünf Minuten später steht er wieder neben mir und bittet mich mitzukommen. Wir gehen durch eine Tür am Ende des Ganges, „VIP Lounge“ verrät ein Schild darüber. Drei Reihen mit rosafarbenen Sesseln stehen hier vor einer riesigen Scheibe, dahinter glitzert die Adria in der Sonne. Filip verschwindet wieder. Um ein paar Minuten später zurückzukehren. Mit einem Becher Limonade für mich. Und einer dicken Rolle Zellstoff. „Wie viel möchtest du? Einen Meter? Zwei Meter?“, sagt er und grinst, reißt ein Stück ab und tauscht es gegen das durchgeweichte Taschentuch in meiner Hand aus.
Ich starre in meinem Sessel aufs Meer und beschließe, das Schiff nicht zu verlassen, ohne diesen Mann zu suchen und ihm zu danken. Ich muss ihn nicht suchen. Wieder steht Filip an meiner Seite, wieder sagt er „Komm mal mit!“ Wir gehen eine Treppe hinauf – bestimmt an die Luft, denke ich – und nehme Sekunden später vorn im Fahrerhaus Platz.
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Ich schaue mich um. Vor mir eine riesige Armatur voller blinkender Knöpfe und Tachos, in der Mitte ein Bildschirm mit einer Landkarte, an den Wänden links und rechts hängen „No-Smoking“-Schilder. Neben mir sitzt der Kapitän und raucht. Ein Mann Ende vierzig, blaue Augen, braungebrannte Haut. Er spricht nicht viel, sieht mich kaum an, stellt nur höfliche Fragen, wann immer kein Funkspruch die Stille zerreißt. Vor ihm ist mir mein Auftritt peinlich.
Die Liebe, sagt er plötzlich leise, bläst Qualm aus und zerdrückt die Zigarette im Aschenbecher, die Liebe ist wie das Meer. Dann sieht er mir in die Augen. Und bittet mich, einen Knopf auf der Armatur zu drücken.
Ich spüre, wie das massige Schiff sich unter mir sachte nach links bewegt. Einige Male spielen wir das Spiel, bis Dubrovnik in der Ferne auftaucht. Zwischendurch kommt Filip und legt mir sein plärrendes Handy in den Schoß. „Ein kroatisches Liebeslied, ‚Lebwohl und vergiss mich nicht’, hör es dir an!“, erklärt er und diesmal muss ich lachen. Laut.
„Schönes, deutsches Mädchen mit den Tränen. Ich wünsche dir, dass deine Geschichte gut ausgeht“, sagt er beim Abschied an der Rampe. Und nimmt mich in den Arm, als wäre ich seine Tochter.
Diese Geschichte könnte eine schöne sein. Wenn sie an dieser Stelle endete.
8. Oktober 2016, 20.20 Uhr, Flughafen Zadar, Kroatien. Das Boarding für den Direktflug nach Hamburg ist abgeschlossen. Ein Platz in der Maschine ist leer. Gefühle haben sich geändert. Und Pläne. Er hat sich anders entschieden, es wird kein Wiedersehen geben.
Diese Geschichte wird bleiben.
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Antwort
OMG habe ich gerade heftig mitgefiebert! Die Liebe ist ein seltsames Ding, da könnte ich auch Geschichten von erzählen. Von einer ganz großen Liebe konnte ich mich erst im Hotel Seiser Alm wieder erholen. Zuhause hat mich alles an ihn erinnert und ich war damals einfach nur noch fix und fertig. Aber das Gute ist, dass es immer besser wird – wenn man den Weg gefunden hat, wie man wieder genesen kann. :-*
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