Welcome to the Pampas

Die Pam­pas im Ama­zo­nas­ge­biet von Boli­vi­en zie­hen jedes Jahr über 10.000 Tou­ris­ten an. War­um? Weil auf einer drei­tä­gi­gen Fluss­tour über den Yacu­ma und des­sen Neben­ar­me Tie­re en mas­se beob­ach­tet wer­den kön­nen. Auch wir haben uns in die Beob­ach­ter­rol­le bege­ben.

Nach einer holp­ri­gen Bus­fahrt vom hoch gele­ge­nen, fri­schen La Paz sind wir nun also im heiß-feuch­ten Rur­re­n­abaque. Ein Dschun­gel­kaff mit fast 15.000 Ein­woh­nern. Über die schlecht asphal­tier­ten Stra­ßen rasen fri­sier­te Mopeds, Hun­de jagen Hüh­nern hin­ter­her, im bräun­lich wir­ken­den Was­ser des Río Beni düm­peln ein paar Boo­te, grün-bewach­se­ne Hügel umge­ben die Klein­stadt im boli­via­ni­schen Ama­zo­nas­ge­biet. Die Zeit ver­rinnt lang­sam in die­sem Ort, der weit ab vom Schuss ist und in dem es nicht viel zu tun gibt.

Und trotz­dem rei­sen jedes Jahr über 10.000 Tou­ris­ten nach Rur­re­n­abaque. Der Grund dafür ist, dass von dort Tou­ren in die umlie­gen­den Pam­pas star­ten. Auch wir haben eine drei­tä­gi­ge Tour in das tier­rei­che Gebiet gebucht.

Tag 1: Tie­re, aber auch Tou­ris­ten en mas­se

Der Jeep, der uns von Rur­re­n­abaque in die Pam­pas brin­gen soll, fährt mit einem lau­ten Brum­men am nächs­ten Mor­gen vor. Und wir müs­sen fest­stel­len, dass die­ser bereits vor vie­len Jah­ren das Fließ­band ver­las­sen haben muss. Die Wind­schutz­schei­be hat bei­spiels­wei­se einen gro­ßen Riss. Ange­brach­tes Kle­be­band soll ver­hin­dern, dass die­ser sich aus­brei­tet. Auch das Inne­re des Fahr­zeugs ist nicht mehr im ein­wand­frei­en Zustand. Unter ande­rem die Sitz­bän­ke sind an eini­gen Stel­len locker.

Neben uns sit­zen noch sie­ben wei­te­re Tour­teil­neh­mer. Dar­un­ter sind auch zwei jun­ge Israe­lis, die nach ihrem vor kur­zem been­de­ten Mili­tär­dienst ihre Rund­rei­se durch Süd­ame­ri­ka begon­nen haben. Genau wie vie­le ihrer Lands­leu­te auch, die wir zum Bei­spiel in La Paz getrof­fen haben. Sie erzäh­len uns, dass der süd­ame­ri­ka­ni­sche Kon­ti­nent bei Rei­sen­den aus Isra­el hoch im Kurs steht, da die­ser Aben­teu­er ver­spricht. Und beson­ders der Dschun­gel im Nor­den Boli­vi­ens, durch den wir im Moment des Gesprä­ches mit dem Jeep von einem gut gelaun­ten älte­ren Herrn mit Blei­fuß kut­schiert wer­den, ist ein Sehn­suchts­ort der bei­den.

Sie erklä­ren, war­um: „Vor über 30 Jah­ren haben sich Rei­sen­de aus Isra­el im Urwald ver­irrt. Nur einer hat über­lebt.“ Erst nach drei Wochen habe die­ser den Weg zurück in die Zivi­li­sa­ti­on gefun­den. Sei­ne bedroh­li­chen Erleb­nis­se hat der Über­le­ben­de nie­der­ge­schrie­ben. Bei­de haben das Buch „Lost in the Jungle“ förm­lich ver­schlun­gen – und sich danach geschwo­ren, die­sen auf sie anzie­hend wir­ken­den Land­strich Boli­vi­ens auch ein­mal mit eige­nen Augen zu sehen.

Mit eige­nen Augen kön­nen wir das ers­te Tier in den drei Tour­ta­gen, die eben haupt­säch­lich auf das Beob­ach­ten der Pam­pas-Tier­welt aus­ge­legt sind, sehen, nach­dem unser Fah­rer urplötz­lich auf die Brem­se tritt. Eine gro­ße Schlan­ge schlän­gelt sich über die stau­bi­ge Pis­te. Gefleckt ist sie. Ob sie auch gif­tig ist? Kei­ne Ahnung. Wir hal­ten auf jeden Fall ein paar Meter Sicher­heits­ab­stand. Dann ver­zieht sie sich in das grü­ne Dickicht am Stra­ßen­rand – und wir fah­ren wei­ter in die klei­ne Ort­schaft San­ta Rosa, wo wir zu Mit­tag essen.

Nach dem Mit­tag­essen bringt der Fah­rer uns an eine Anle­ge­stel­le am ver­zweig­ten Fluss Yacu­ma. Unge­fähr zehn läng­li­che Holz­boo­te lie­gen dort im strö­men­den Regen „vor Anker“. In der Nähe jedes die­ser Gefähr­te war­tet ein boli­via­ni­scher Gui­de, dem eine Grup­pe zuge­teilt ist. Und die Pam­pas-Tou­ris­ten, von denen es in die­sem Moment hier nur so wim­melt, geben sich die Klin­ke in die Hand. Die einen haben gera­de ihren Aus­flug been­det, die ande­ren, zu denen auch wir gehö­ren, star­ten in Kür­ze die bei Boli­vi­en-Rei­sen­den belieb­te Tour. Abge­schie­den­heit und Ein­sam­keit kön­nen wir uns in die­sen drei Tagen, das ist bereits offen­sicht­lich, also schon ein­mal abschmin­ken.

José, unser Gui­de, kommt auf uns zu. Sei­ne Kla­mot­ten sind vom anhal­ten Sturz­re­gen durch­tränkt. Er grinst – und begrüßt jeden von uns auf Spa­nisch. Aber auch stott­ri­ges Eng­lisch gibt er zum Bes­ten. Sei­ne gute Lau­ne hält auch an, als er vor der Abfahrt mit einem Trich­ter Was­ser aus unse­rem leicht voll­ge­lau­fe­nen Boot schau­feln muss. Dies kom­me nicht nur vom Regen, sagt er. Das Boot sei etwas undicht. „Aber sonst ist es noch ganz gut in Schuss“. Er lässt wie­der sein brei­tes Grin­sen auf­blit­zen.

Unser Gui­de schmeißt den klei­nen, aber lau­ten Bord­mo­tor mit einem Ruck an. Wir tuckern erst seit ein paar Minu­ten über den schma­len Fluss, als der Regen schlag­ar­tig auf­hört. „Das liegt an mei­nen posi­ti­ven Gedan­ken“, behaup­tet José. Das Lächeln von ihm ist wie in Stein gemei­ßelt. Auch unse­re Mund­win­kel zie­hen sich nach oben. Die Erkun­dungs­tour durch die Pam­pas kann los­ge­hen.

Drei Stun­den dau­ert die gemäch­li­che Fluss­fahrt zu unse­rem Camp, wo wir zwei Näch­te inmit­ten der dschun­gel­ar­ti­gen Umge­bung unter­ge­bracht sind. Auf dem Weg dort­hin bekom­men wir zum ers­ten Mal ein Teil der Tier­welt des rie­si­gen Gebie­tes zu Gesicht. Breit schwin­gen­de Vögel flie­gen über den Fluss, viel­leicht von der Laut­stär­ke des Bord­mo­tors auf­ge­schreckt. Ein Rei­her lässt sich davon jedoch nicht aus der Ruhe brin­gen. Er sitzt in einer Baum­kro­ne – und schaut see­len­ru­hig umher. Kurz dar­auf ist ein wei­te­res Feder­vieh zu erken­nen. Blau­er Kopf, auf dem Federn schim­mern, die wie eine Iro­ke­sen­fri­sur aus­se­hen.

Vie­le Pflan­zen erstre­cken sich bis über das Ufer und ragen somit in den lang­sam flie­ßen­den Fluss hin­ein. An eini­gen Stel­len befin­den sich am Rand des Gewäs­sers aller­dings klei­ne Lich­tun­gen und Sand- bzw. Schlamm­bän­ke. Dort lie­gen häu­fig Alli­ga­to­ren in der wär­men­den Son­ne. Mit dem Boot fah­ren wir ganz vor­sich­tig her­an. Die mäch­ti­gen Tie­re beob­ach­ten uns kurz. Sie ver­lie­ren jedoch schnell das Inter­es­se und tau­chen in das küh­le Nass ab. Weg sind sie. Anders ver­hal­ten sich die Schild­krö­ten, die wir ent­de­cken. Eines die­ser gepan­zer­ten Tie­re hockt auf einem Baum­stamm, der im Was­ser schwimmt. Es lässt sich von unse­rer Anwe­sen­heit nicht im Gerings­ten stö­ren.

Kurz bevor wir unse­re Unter­kunft errei­chen, drin­gen Schreie aus einem rascheln­den Gebüsch. Bei nähe­rer Betrach­tung fal­len uns klei­ne Affen auf, die flink von Ast zu Ast sprin­gen. Ganz in der Nähe plün­dern wei­te­re ihrer Art­ge­nos­sen einen Eimer, der neben einer Hüt­te umge­kippt ist. Sie hal­ten den Inhalt, der wie Ker­ne aus­sieht, in ihren Hän­den und las­sen sich die­sen schme­cken. Ein Fest­mahl für die Affen­ban­de.

Unser Mahl gibt es weni­ge Minu­ten spä­ter in unse­rem Busch­camp am Fluss, das aus meh­re­ren auf Stel­zen gebau­ten Hüt­ten besteht. Über­all sind enge, grü­ne Git­ter ange­bracht, die die Mos­ki­tos, die vor allem in der Abend­däm­me­rung her­ums­ur­ren, davon abhal­ten sol­len, ins Inne­re der Unter­künf­te zu gelan­gen. Zur wei­te­ren Absi­che­rung hängt aber über jedem Bett noch ein Mos­ki­to­netz. Man weiß ja nie.

Aber Schla­fens­zeit ist noch längst nicht. Des­we­gen machen wir uns mit dem Boot auf den Weg zu einem ins Was­ser gebau­ten Aus­sichts­punkt. Dort genie­ßen wir nicht nur ein küh­les Bier, son­dern auch den ein­bre­chen­den Son­nen­un­ter­gang. Die wie ein Feu­er­ball aus­se­hen­de Kugel schiebt sich nach und nach hin­ter den Hori­zont. Inten­si­ve Far­ben ent­ste­hen.

Dann ist es stock­fins­ter. Wir schal­ten unse­re mit­ge­brach­ten Taschen­lam­pen an. Und machen uns auf der Rück­fahrt auf die Suche nach Kai­ma­nen, die von ihren im Dun­keln leuch­ten­den Augen ver­ra­ten wer­den. Ein paar die­ser im Was­ser trei­ben­den Exem­pla­re kön­nen wir aus­fin­dig machen, bevor wir erschöpft schla­fen gehen.

Tag 2: Von Ana­kon­das und Piran­has

Am nächs­ten Mor­gen steht der nächs­te Pro­gramm­punkt der Pam­pas-Tour an. Auf einer sump­fi­gen Insel wol­len wir Ana­kon­das auf­spü­ren. Mit Gum­mi­stie­feln aus­ge­rüs­tet stap­fen wir durch den tie­fen, moras­ti­gen Unter­grund. Schilf und scharf­kan­ti­ge Grä­ser sind in dem Sumpf gewach­sen. Immer wie­der bre­chen wir in vor­her nicht aus­zu­ma­chen­de Löcher ein.

Unse­re Grup­pe teilt sich auf, um die Chan­cen eines Fun­des zu erhö­hen. Wir sol­len dem­entspre­chend Abstand von­ein­an­der hal­ten. Schließ­lich soll nicht jeder im sel­ben Umkreis nach den Wür­ge­schlan­gen suchen. Nach knapp zwei­stün­di­ger „Spu­ren­le­se“ kom­men wir von Mos­ki­to­sti­chen geplagt an einem Wald­stück an. Eine Ana­kon­da konn­ten wir aber immer noch nicht erbli­cken. José gibt aller­dings noch nicht auf. Er umkurvt die Baum­stäm­me und hält nach Löchern Aus­schau, in denen es sich Schlan­gen bequem gemacht haben könn­ten. Auch dies ist jedoch ver­geb­lich.

Wir belas­sen es dabei und keh­ren zum Aus­gangs­punkt unse­rer erfolg­lo­sen Suche zurück. Als wir die­sen Ort errei­chen, hören wir jeman­den rufen. Er habe eben eine Ana­kon­da ent­deckt. „Hier ist sie!“ Er deu­tet auf die Flä­che neben ihm. Wir erbli­cken die Schlan­ge, als sie wie­der in Rich­tung Unter­schlupf schleicht.

Es geht mit dem Boot wei­ter. An einem Camp von einem ande­ren Tour­anbie­ter, das wir pas­sie­ren, lau­ert ein Kai­man. Zu Beginn blickt nur sei­ne Schnau­ze aus der Was­ser­ober­flä­che. Nach und nach kommt der Fleisch­fres­ser mehr aus dem Fluss hin­aus – und zeigt sei­nen gewal­ti­gen Kör­per, der in die­sem Augen­blick trä­ge wirkt.

Genug gese­hen. Wir set­zen unse­re Fahrt fort, bis unser Gui­de an einer Ver­bin­dung zwi­schen zwei Fluss­ar­men den Boots­mo­tor stoppt. Dann hän­digt er jedem von uns eine Schnur aus, an des­sen Ende ein spit­zer Haken befes­tigt ist. „Wir angeln jetzt Piran­has, denn wir brau­chen noch etwas für das Abend­essen“, so José. Gesagt, getan. Die Schnü­re trei­ben im Fluss. Und die Köder sind erst weni­ge Sekun­den im Was­ser, da bei­ßen bereits die ers­ten an. Doch die Piran­has sind geris­sen, sie zup­fen in den meis­ten Fäl­len immer nur kurz am Köder und knab­bern so ein Stück davon ab, ohne den Haken zu ver­schlu­cken.

Doch ins­ge­samt haben wir am Ende zehn Stück aus dem Was­ser gezo­gen, die José im Camp für das Abend­essen vor­be­rei­tet. Satt wer­den wir allei­ne davon garan­tiert nicht. Glück­li­cher­wei­se ste­hen aller­dings nicht nur Piran­has auf dem Spei­se­plan, sodass nie­mand hun­gernd die Nacht­ru­he antre­ten muss.

Tag 3: Zum Abschluss schwim­men wir mit Fluss­del­fi­nen

Der Wecker klin­gelt um 5.30 Uhr. Der Grund: Wir schau­en uns heu­te den Son­nen­auf­gang über den Pam­pas an. Und es lohnt sich, so früh aus den Federn geklet­tert zu sein, denn das Auf­stei­gen der Son­ne lässt die vor uns lie­gen­de Step­pe in einem beson­de­ren Licht erstrah­len.

Im Anschluss an das Früh­stück im Camp und bevor wir zurück nach San­ta Rose gefah­ren wer­den, steht noch das Schwim­men mit den rosa­far­be­nen Del­fi­nen an, die sich in man­chen Berei­chen des Flus­ses tum­meln. Eine Grup­pe aus fünf Tümm­lern zieht ihre Krei­se um unser Boot. Ich – und eini­ge ande­re – sprin­gen ins Was­ser. Die Del­fi­ne schreckt dies nicht ab. Zeit­wei­se tau­chen sie nur weni­ge Meter an mir vor­bei. Doch im Lau­fe der Zeit gelan­gen noch wei­te­re Boo­te vol­ler Tou­ris­ten zu unse­rer Stel­le. Und irgend­wann wird es dann auch den Fluss­del­fi­nen zu viel. Sie machen sich aus dem Staub. Wie wir auch.

Auf der Rück­fahrt nach San­ta Rosa hal­ten wir aber unter­wegs noch zwei Mal an: Zum einen, weil wir einen gro­ßen Kapu­zi­ner­af­fen erspä­hen, zum ande­ren, weil uns noch ein schwer­fäl­li­ges Capy­ba­ra über den Weg läuft. Der Abschluss unse­rer Tour durch die Pam­pas.

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Antworten

  1. Avatar von Dani

    Das ist ein wun­der­bar geschrie­be­ner Bei­trag. Man spürt rich­tig die Stim­mung, die herrsch­te. Wun­der­bar. 🙂
    Lg aus Sankt Vigil

    1. Avatar von Christian & Daniela

      Hal­lo Dani, vie­len Dank für Dei­nen Kom­men­tar und die net­ten Wor­te, wir haben uns sehr dar­über gefreut 🙂 Lie­be Grü­ße.

  2. Avatar von puriy via Facebook

    haha­ha, aber auch Tou­ris­ten en mas­se trifft es gut 😉

    1. Avatar von Christian & Daniela

      Dort war schon eini­ges los 😉

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