Vor dem Sturm – Damaskus

Mit gro­ßer Sor­ge ver­fol­ge ich über Medi­en und Erzäh­lun­gen auto­chtho­ner Freun­de die zuneh­men­de Eska­la­ti­on des syri­schen Bür­ger­kriegs. Ich will hier kei­ne Ana­ly­se oder gar Bewer­tung die­ses kom­ple­xen Kon­flik­tes vor­neh­men, der längst auch ande­re Län­der der Levan­te betrifft, ich will auch kei­ner­lei Wer­tung vor­neh­men, ich möch­te ledig­lich von mei­ner Syri­en­rei­se 2009 berich­ten und davon, wie ich die­ses fas­zi­nie­ren­de Land erlebt habe.

Nun war Syri­en auch vor dem Krieg nicht gera­de ein klas­si­sches Rei­se­land. Von eini­gen Bus­la­dun­gen haupt­säch­lich altern­der fran­zö­si­scher Kul­tur­tou­ris­ten abge­se­hen, traf ich auf nur weni­ge ande­re west­li­che Rei­sen­de. Lag es an der Unkennt­nis vie­ler Rei­sen­der, oder war es schlicht Des­in­ter­es­se? Viel­leicht lag es auch am Tou­ris­tik­schat­ten, den das König­reich Jor­da­ni­ens auf sein Nach­bar­land warf? Wor­an es auch immer lag, Syri­en hät­te weit mehr Beach­tung ver­dient.

 

Damas­kus

Der Pro­phet der Mus­li­me, Muham­mad, soll sich, wie die Legen­de erzählt, gewei­gert haben die Stadt zu betre­ten, da der Mensch nur ein­mal, nach sei­nem Able­ben ins Para­dies gehen dür­fe. In Damas­kus, einer der ältes­ten Städ­te der Welt, hat­te sich sicher­lich seit dem viel geän­dert – und nicht nur zum Bes­ten.

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im Anflug

Ob Algier, Kai­ro oder Bei­rut, hat man die Neu­stadt eines ara­bi­schen Lan­des gese­hen, kennt man sie eigent­lich alle und „para­die­sisch“ wäre sicher kein Verb, mit dem ich bei mei­ner Ankunft in Damas­kus die Stadt beschrie­ben hät­te. Mein Flug­zeug lan­de­te mit­ten in der Nacht, das Taxi war teu­er wie das klei­ne, sti­cki­ge Hotel­zim­mer, in dem ich, völ­lig über­mü­det die ers­te Nacht ver­brach­te… Eigent­lich war also alles wie immer.

Ich soll­te mein all­zu har­tes Urteil bald revi­die­ren.

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 Hal­lo Damas­kus

Ich schlen­de­re ein wenig durch die über­füll­te Innen­stadt. Die Son­ne scheint, doch es ist Früh­ling und daher glück­li­cher­wei­se nicht zu heiß. Ich hal­te inne und genie­ße einen her­vor­ra­gen­den Kar­da­mom-Kaf­fee. Der Souk al-Hami­di­y­ye ist ara­bisch geschäf­tig, ein pul­sie­ren­des Herz inmit­ten der Alt­stadt. Hier ver­kauft die berühm­tes­te Eis­die­le Syri­ens ihr lecke­res Pis­ta­zi­en­eis und auch ich las­se es mir nicht neh­men davon zu kos­ten, »cook it, boil it, for­get it«.

Es fällt nicht schwer, sich den Souk als die ehe­ma­li­ge römi­sche Prachstra­ße vor­zu­stel­len, die er einst­mals war. Anti­ke und Moder­ne ver­eint.

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Der Souk bei Nacht

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Die übli­chen Wun­der­mit­tel­chen

Die eins­ti­ge Römer­stra­ße, schon unter den Otto­ma­nen aus­ge­baut, führ­te zu den Über­res­ten des Jupi­ter­tem­pels. Nur eini­ge korin­thi­sche Säu­len des Pro­py­lae­um sind die letz­ten sicht­ba­ren Relik­te des Tem­pels, auf des­sen Fun­da­ment heu­te die Umay­ya­den Moschee ruh­te.

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Das Pro­py­lae­um des Tem­pels

Die Umma­ya­den Moschee, das Wahr­zei­chen von Damas­kus, ist im Zen­trum des Souk gele­gen. Sie ist eine der ältes­ten Moscheen über­haupt. Einst Kathe­dra­le, Johan­nes dem Täu­fer geweiht, des­sen Kopf noch immer in einem Schrein inner­halb der Moschee auf­be­wahrt sein soll, nun Denk­mal des Islam.

Anti­ke Ele­men­te wie grie­chi­sche Inschrif­ten und korin­thi­sche Säu­len zeu­gen vom Prag­ma­tis­mus der frü­hen Bau­meis­ter, die bestehen­de Gebäu­de recy­cel­ten und in die neue Struk­tur inte­grier­ten.

Ihre welt­weit ein­zig­ar­ti­ge Mosa­ik­ver­zie­rung stammt von byzan­ti­ni­schen Bau­meis­tern. Da hier auch der Kopf Hus­s­eins, eines Enkels des Pro­phe­ten, auf­be­wahrt wird, ist die Moschee zudem wich­ti­ger Pil­ger­ort für Gläu­bi­ge der Schi­at Ali (die am Ende mei­ner Rei­se fast die gesam­te Stadt aus­buch­ten und es für mich schwie­rig mach­ten, die Näch­te nicht auf der Stra­ße zu ver­brin­gen).

Ich habe wei­te Tei­le der isla­mi­schen Welt bereist und hun­der­te Moscheen dut­zen­der Bau­sti­le gese­hen, doch ist mir die­se Moschee als etwas ganz Beson­de­res in Erin­ne­rung geblie­ben.

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Das Haupt­mi­na­rett vom Pro­py­lae­um aus gese­hen

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 Ihre Archi­tek­tur erzählt eine lan­ge Geschich­te

Unweit der Umma­ya­den Moschee besich­ti­ge ich das Mau­so­le­um von Sala ha din, dem größ­ten Held der mus­li­mi­schen Welt. 1187 ent­riss „der sieg­rei­che Herr­scher“ nach der Nie­der­la­ge des Kreuz­fah­rer­heers bei Hat­tin den Chris­ten Jeru­sa­lem und ist seit­dem ein Legen­de.

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Sala ha din Rei­ter­sta­tue vor dem Souk

Sein Mau­so­le­um konn­te durch eine Spen­de des Deut­schen Kai­ser Wil­helms II, der 1898 Damas­kus besuch­te, wie­der auf­ge­baut wer­den.

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 Respekts­be­zeu­gung eins­ti­ger Geg­ner

Nur eini­ge Geh­mi­nu­ten ent­fernt liegt ein wei­te­res Wahr­zei­chen der Stadt, der Azim Palast in tra­di­tio­nell damas­ze­ner Bau­wei­se aus osma­ni­scher Zeit.

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 Treff­punkt der Mas­sen

Ich bin auf dem Weg in den jüdisch-christ­li­chen Teil der Alt­stadt, als mich eine Kolon­ne schwar­zer Limou­si­nen eines Münch­ner Her­stel­lers von der Stra­ße zwingt.

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mit ein­ge­bau­ter Vor­fahrt

Die Kolon­ne hält vor einem Restau­rant und ich bin eini­ger­ma­ßen erstaunt, Bas­har-al-Assad zu begeg­nen. Der heu­te umstrit­te­ne Macht­ha­ber Syri­ens nimmt sicht­lich gut gelaunt sein Mit­tag­essen ein.

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 Der Prä­si­dent, damals noch guter Lau­ne

Ich ver­brin­ge eini­ge Tage in Damas­kus, dann rei­se ich wei­ter in die mel­ki­ti­schen Gebie­te des Anti-Liba­non…

 

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Antwort

  1. Avatar von Alois und Gisi Hofmann
    Alois und Gisi Hofmann

    Tol­ler Bericht über Damas­kus. Waren 2009 und auch Mit­te 2010 in Syri­en mit dem Motor­rad. Sind 2010 dann noch wei­ter in den Liba­non, Jor­da­ni­en,
    Isra­el und Ägyp­ten. Wir fin­den es auch schreck­lich, was da jetzt in Syri­en abgeht. Syri­en war für uns eines der fas­zi­nie­rends­ten Län­der die wir bereist haben. Tol­le Kul­tur, net­te, hilfs­be­rei­te Men­schen. Haben zum Bei­spiel in Mari
    im Innen­hof des »Wäch­ters die­ser 4500 Jah­re alten Palast­an­la­ge« unser Zelt auf­ge­schla­gen und wur­den dann noch mit fri­schem Fla­den­brot und Tee ver­sorgt. Mit der Oma­j­ja­den­mo­schee kön­nen wir Dir nur recht geben. Das beein­dru­ckends­te Bau­werk, haben wir zu versch. Tages­zei­ten besucht um die Atmo­sphä­re ein­zu­fan­gen. Der Nahe Osten ist wirk­lich eine der beein­dru­ckens­ten Regio­nen unse­rer welt und wir hof­fen, dass wir bald wie­der in die­se Regio­nen rei­sen kön­nen und für die Men­schen end­lich Frie­den kommt.

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