Von Meermännern und Maids, Käsekuchen und Britney Spears

Sicher, man kann Tou­ri­at­trak­tio­nen mei­den. Oder man knöpft sie sich erst recht vor. Um sie zu durch­schau­en. Und außer­dem reden wir vom ganz nor­ma­len Frei­zeit­ver­gnü­gen vie­ler Japa­ner. Das wird … gut?

„Ich mei­ne, du musst nicht. Ich hab’ dei­ne Flap­pe im ‚Sail­or Moon’-Café schon gese­hen“, ver­su­che ich mich auch ein biss­chen selbst von mei­nem Plan abzu­brin­gen.

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„30 Euro für einen Zucker­drink mit Lebens­mit­tel­far­be und einen Scho­ko­la­den­mac­a­ron“, murrt J. noch, den­noch bleibt sie in der Schlan­ge ste­hen. Wir wären die nächs­ten, die am Emp­fang abge­holt wer­den. Das Maid Café, das mir mei­ne kana­di­sche Freun­din S., die eini­ge Jah­re in Japan unter­rich­te­te, emp­foh­len hat, liegt ohne­hin auf unse­rem Weg durch Aki­ha­ba­ra. Hier kommt zum süßen Essen das Enter­tain­ment der zuge­teil­ten Maid, einer jun­gen Frau in Dienst­bo­ten­uni­form, direkt dazu gelie­fert. Das Gan­ze gibt es auch in der But­ler­va­ri­an­te. Von vor­ne und hin­ten bedient wer­den, dazu noch Spie­le spie­len und sin­gen, ist das Kon­zept seit Anfang der Nuller­jah­re.

Man könn­te sagen, die Japa­ner stel­len sich ger­ne über ein­ein­halb Stun­den an, um danach mit ver­zück­tem Blick die­sel­be Zeit in das Foto­gra­fie­ren ihres Essens zu inves­tie­ren. Weil man als Deut­scher nun mal oft zu Spaß befreit ist, um über­haupt irgend­et­was Ver­rück­tes zu machen. Eine Smoothie­bar ist nicht ver­rückt.

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Auf­tritt: ein euro­päi­sches Män­ner­duo mitt­le­ren Alters mit vor­ge­schnall­ter Kame­ra. Trek­king­schu­he. Trek­king­ja­cken. Lüs­tern­de Augen. Ich kann sol­che Typen schon nicht mehr sehen. Klar, aus Japan kom­men Por­nos, in denen eini­ge Ten­ta­kel zu viel zu sehen sind. Aber anschei­nend machen all die komi­schen Feti­sche ja mit allen ande­ren eben­falls Klick. Schon Brit­ney Spears hat­te in einer Schul­uni­form Erfolg, da braucht kei­ner mehr nase­rümp­fend von „den Japa­nern“ spre­chen.

Wir tun jeden­falls noch nicht mal so, als hät­ten wir einen ande­ren Grund als deren Ankunft, um unse­ren Platz vor dem Emp­fangspult auf­zu­ge­ben, und zu gehen.

Im August ist es ein­fach nur tie­risch heiß, die Luft­feuch­tig­keit ist wie eine war­me, alles umge­ben­de Flausch­de­cke. Auf mei­ner Haut mischen sich seit Wochen Par­füm, Son­nen­creme und Mos­qui­to­spray. In Tokio fühlt sich die Hit­ze bis­lang am annehm­bars­ten an, vor allem am Meer. Hier sind wir jedoch im Meer der Nerds, dem Elek­tro­nik­vier­tel Aki­ha­ba­ra, wo die Maids drau­ßen ihre Cafés bewer­ben. Im Übri­gen sind sie die Ein­zi­gen in Ver­klei­dun­gen. Wäh­rend unse­res gesam­ten Japan­auf­ent­halts soll­ten wir nur eine ein­zi­ge Loli­ta, inklu­si­ve rie­si­gem Pet­ti­coat und Locken­pracht, in der U‑Bahn sehen.

Eini­ge ver­de­cken ihr Gesicht, wenn sie eine Kame­ra sehen.

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Auf der Stra­ße in Rich­tung U‑Bahn-Sta­ti­on spricht uns eine freu­de­strah­len­de Maid in einem zau­ber­haf­ten Kos­tüm an. Dun­kel­blau und hel­les Rosa, vie­le Schlei­fen, Haar­späng­chen, Gebäums­el.
Der Ein­tritt ist bil­li­ger als beim ers­ten Ver­such und so stim­men wir zu, ihr nach oben in den drit­ten Stock zu fol­gen. Haupt­sa­che erst ein­mal weg von der sen­gen­den Son­ne!
Es ist deut­lich klei­ner, als ich es mir vor­ge­stellt habe.

„Mer­ke, nie­mals die Wän­de … schwarz strei­chen“, ich runz­le die Stirn. Es ist dun­kel wie in einer Dis­ko, wahr­schein­lich liegt es dar­an. Die Enge war es, die mich bei der Ankunft in Osa­ka vor Wochen gekriegt hat. Aber halt im Stra­ßen­bild. Mit den Strom­ka­beln, die sich mei­len­weit über den Köp­fen der Men­schen span­nen. Die schnu­cke­li­gen Ramen­lä­den über­all. Die vie­len Son­nen­schir­me, Hüte und Stul­pen den Frau­en. Zwei von drei Key Fea­tures davon habe ich mir gleich nach­ge­kauft.

Unser Tisch­lein ist dicht neben dem zwei­er Stu­den­ten­ty­pen, schnell hör­bar Tübin­ger Her­kunft, die gera­de je einen unfass­bar gro­ßen Eis­be­cher ver­drü­cken. Wäh­rend sie leicht beklemmt Hasen­oh­ren tra­gen.

Wir bekom­men eben­falls prompt lus­ti­ge Haar­rei­fen auf­ge­setzt – ich bin jetzt ein Kuma, also Bär, und J. eine Neko, ein Kätz­chen.

„Also, ich glau­be, es hackt! Ich ver­kla­ge die wegen Kör­per­ver­let­zung!“ So regt J. sich eine Wei­le noch auf, weil eine freund­lich grin­sen­de Maid ihre Shock­wa­ves-Fri­sur zer­stört hat, und übt sich in Aus­lands­ge­richts­ver­fah­ren. Sieb­zig Zen­ti­me­ter kür­zer als mei­ne Haa­re und braucht damit den­noch mehr Zeit im Bad, als ich es jemals könn­te.

Ein ande­res Unbe­ha­gen treibt mich um. Ich kann mir zwar nicht vor­stel­len, dass die Bär­chen­oh­ren nicht kom­plett des­in­fi­ziert wur­den. Wir sind im Land der ein­zeln ein­ge­pack­ten Bana­nen, wo man doch mei­nen könn­te, das hät­te bereits die Natur getan. Den­noch wer­de ich mir direkt im Über­gangs­zu­hau­se ange­kom­men die Haa­re kräf­tig waschen. (Als ob das gegen Läu­se hilft. In mei­nen Hor­ror­vor­stel­lun­gen zie­he ich schon eine besag­te Brit­ney ab.)

Wäh­rend­des­sen ist unse­re Ser­vie­re­rin mit den Menü­kar­ten zu uns zurück­ge­tän­zelt. Ihre brü­net­ten Zöp­fe wip­pen. Auf­ge­weckt erklärt sie uns, wäh­rend sie ein klei­nes Plas­tik­tee­licht in Rot auf unse­rem Tisch abstellt: „Die­ses Licht ist ein Zei­chen unse­rer Lie­be. Macht es mit mir gemein­sam an!“

Dafür sol­len wir mit unse­ren Hän­den einer Cho­reo­gra­fie fol­gend ein Herz for­men und dabei „Moe!“ („Nied­lich!“, das per­fek­te Adjek­tiv für eine Ker­ze.) schrei­en. Einen kras­sen Zau­ber­trick spä­ter – sie dreht die Ker­ze ein­fach um – geht dank Elek­tro­nik ein Licht­lein an.

Lei­der rie­che ich das Poly­es­ter der vom 19. Jahr­hun­dert inspi­rier­ten Haus­mäd­chen­uni­form.

„Und wenn ihr bereit seid, zu bestel­len, sagt ein­fach: ‚nyan, nyan’“, dabei macht sie die Bewe­gun­gen eines Kätz­chens beim Bet­teln nach mehr Lecker­lis nach. Danach bit­tet sie uns, dies nach­zu­ma­chen, nur für den absur­den Fall, dass wir es nicht kapiert hät­ten.

Ich stel­le fest, auch ganz schön Spaß befreit zu sein. Nach­her wer­den wir sie ganz nor­mal anstar­ren, wenn wir bereit sind, unse­ren Kaf­fee und den Käse­ku­chen, neben dem mit Scho­ko­so­ße Herz­chen gemalt sind, zu bestel­len.

Unauf­fäl­lig mache ich ein Sel­fie. Foto­gra­fie­ren ist hier strengs­tens ver­bo­ten. Gegen Geld kann man mit den Bedie­nun­gen posie­ren. Gegen Geld kann man die Maids gleich­falls umar­men. Anfas­sen ist sonst nicht. An der Bar sitzt ein jun­ger Japa­ner, der unauf­hör­lich mit unse­rer Maid flir­tet, wes­we­gen das Nie­der­star­ren, damit wir bestel­len kön­nen, dem­entspre­chend etwas län­ger dau­ert. Er hin­ge­gen hat schon meh­re­re Geträn­ke geor­dert. Das Poker­face der Maid ist benei­dens­wert. Gene­rell gefällt mir hier sehr gut, wie wenig sich die jun­gen Frau­en unter­wer­fen. Hier wird sich nicht hin­ge­kniet beim Ser­vie­ren oder irgend­wel­che Luft­küs­se gewor­fen. Oder gar der Zucker in der Tas­se umge­rührt, wie man mir zuvor erzählt hat. Tat­säch­lich rührt näm­lich die­se gan­ze Geschäfts­idee vom Vor­bild der Gei­shas her.

Schräg gegen­über sitzt eine Fami­lie – eine extrem hüb­sche, japa­ni­sche Frau, ein fül­li­ger, ame­ri­ka­ni­scher Mann, das offen­sicht­lich gemein­sa­me Kind, die offen­sicht­lich ame­ri­ka­ni­sche Schwie­ger­mut­ter. Kin­der­ge­burts­tags­fee­ling. Sie haben ordent­lich auf­ge­tischt – Frit­ten und Kuchen und jetzt spen­diert Ame­ri­can Dad, der zu allem Über­fluss die obli­ga­to­ri­schen Hasen­oh­ren trägt, ein Tänz­chen.

Also, nicht er tanzt. Unse­re Kell­ne­rin auf der win­zi­gen Büh­ne neben der Bar. Der dun­kel­blaue Rock schwingt. Ener­gie­ge­la­den wer­den Posen ein­ge­nom­men. Das Tänz­chen wird begeis­tert beklatscht.

Ich ver­su­che, das Lied zu erken­nen, aber bei dem ganz schlim­men Kir­mes­krach mit Auto­tu­ne bin ich in der Regel trotz geschul­tem Musik­jour­na­lis­tin­nen­ge­hör raus.

Japa­ni­sche Eltern, die an ihre Kin­der glau­ben, kön­nen sie schon im Kin­der­gar­ten­al­ter in spe­zi­el­le Schu­len ste­cken und för­dern. Damit sie viel­leicht irgend­wie zwi­schen dem zar­ten Teen­ager­al­ter und Anfang 20 Erfolg als soge­nann­te Idols haben.

Mich fas­zi­niert das. In mei­nem Ehr­geiz kann ich sie ver­ste­hen. Und gleich­zei­tig ist die­se Enter­tain­ment­in­dus­trie so bizarr. Die Ver­trä­ge, dass man nicht daten darf. (Hey, zum The­ma Haa­re abra­sie­ren, wer erin­nert sich noch an das Idol von AKB48, die sich mit kah­len Kopf für eine ver­gan­ge­ne Bezie­hung bei ihren Fans ent­schul­dig­te? Even­tu­ell lag’s aber halt dar­an, dass sie in einem Maid Café Bär­chen­oh­ren getra­gen hat!)

Nicht nur mei­ne Gedan­ken schwei­fen ab, son­dern auch mein Blick.

Ah ja, der Typ da an dem Eck­tisch, mit einem Shirt, auf dem sich Moe-Girls tum­meln, hat eine schö­ne, rote Perü­cke. Als ob er die Haa­re von Ari­el­les Kopf gestoh­len hät­te. Sorg­sam kämmt er sie. Lie­be­voll. Noch wäh­rend ich mei­nem gewohn­ten Fashion­n­eid nach­hän­ge – yes, Ari­el­le wür­de ich auch ger­ne dar­stel­len -, fällt mir auf, dass Ver­wun­de­rung gänz­lich aus­blieb.

War­um auch?

* * *

Das Ein­zi­ge, wor­über ich mir mein rot belip­pen­stif­tes Maul zer­rei­ßen könn­te, sind die Exem­pla­re Mann, die ich erst seit ein paar Tagen Tokio ken­ne. Die, die wie ein Aus­tra­li­er Fotos mit ihrer Spie­gel­re­flex­ka­me­ra von Vitri­nen mit Sam­mel­kar­ten, die nack­te Man­ga­mäd­chen zei­gen, machen und danach der am Ein­gang war­ten­den Freun­din erklä­ren, dass es das, was man haben wol­le, nicht gege­ben hät­te.

Oder, abso­lu­ter Spit­zen­rei­ter auf mei­ner Shit­list die­sen Monat: J. und ich hat­ten uns den Mor­gen in ver­schie­de­nen Mer­chan­di­se­lä­den in Aki­ha­ba­ra um die Ohren geschla­gen. Auf mei­nem Weg eine Laden­trep­pe hin­auf, rann­te ich in den Rücken von J. – „Das willst du nicht sehen!“

Zu spät.

Ich habe auf Pos­tern Din­ge erblickt. Es muss die ekel­haf­tes­te Por­no­ab­tei­lung des Pla­ne­ten gewe­sen sein. Teil­wei­se aus Fleisch und Blut, teil­wei­se gezeich­net. Das war eine ganz ande­re Num­mer, als es St. Pau­li je sein könn­te! Und uns ent­ge­gen kam ein halb­glatz­köp­fi­ger, zufrie­de­ner Mann mit Trek­king­ruck­sack.

Auf den Schreck erst­mal ein Tai­ya­ki! Das sind im Prin­zip fisch­för­mi­ge Waf­feln mit Fül­lung. Bloß – der von uns aus­er­ko­re­ne Street­food­stand wur­de bereits von unse­rer Begeg­nung zuvor fre­quen­tiert. Inklu­si­ve sei­ner Frau. Die dazu über­ging, J. und ihre Kurz­haar­fri­sur sehr miss­bil­li­gend zu mus­tern.

Logo, wenn man offen­sicht­lich nicht weiß, dass der eige­ne Mann per­vers ist und sicher nur den Urlaub in Japan zwecks der „tol­len Tem­pel“ erbe­ten hat, da kann man schon mal glot­zen! Ach, wer weiß. Mög­li­cher­wei­se sind sie offen mit ihrer Sexua­li­tät und frei. Oder er objek­ti­fi­ziert halt ger­ne Frau­en.

* * *

Aber zurück zu unse­rem Maid-Café-Expe­ri­ment. Schmel­zen­der Käse­ku­chen lan­det vor mei­ner Nase. Den mag ich schon mal lie­ber als das mit Anko – roter Boh­nen­pas­te – gefüll­te Fischi. Wobei, unge­schla­ge­ne Num­mer 1 ist natür­lich der Käse­ku­chen der Fran­chise­ket­te Pablo, nicht weit von hier ent­fernt. Also nicht mein ers­ter Käse­ku­chen heu­te. Viel­leicht habe ich ein Sucht­pro­blem. Wir tei­len unauf­fäl­lig und betrach­ten die Namen sowie die dazu­ge­hö­ri­gen Headshots der Maids an der Wand auf dem Weg zur Toi­let­te. Jede hat sich in eine ande­re Pose gewor­fen, was bei rund vier­zig jun­gen Frau­en teils irr­wit­zig wirkt.

„Schon komisch, dass die alle Kin­der von irgend­et­was sind, oder? Kind der Lie­be, Hasen­kind, Kind des Schnees …“, bemerkt J., sich auf ihrem unbe­que­men, pin­ken Stuhl win­dend.
„Und die obli­ga­to­ri­sche Mido­ri – erstaun­lich, wie vie­le Japa­ne­rin­nen nach der Far­be grün benannt sind“, erwi­de­re ich.

Die Tübin­ger Bur­schen haben uns inzwi­schen ver­las­sen und ein volu­mi­nö­ser Typ in einem schlecht sit­zen­den Anzug nimmt aus­ge­rech­net neben mir Platz, als ob die­ser Raum nicht ohne­hin schon einer Fisch­kon­ser­ve glei­chen wür­de.

Unge­hal­ten beschwert er sich über sei­ne ihm zuge­teil­te Maid trotz ihrer kunst­voll gefloch­te­nen Haar­pracht. Sie ist zier­lich, fast schon zu klein für ihr blau-rosa Kos­tüm.

Ich ver­ste­he, dass er sich lie­ber sei­ne Stamm­maid wünscht, die – Obacht! – offen­sicht­lich auf sein Han­dy­ca­se gedruckt ist, aber anschei­nend nicht anwe­send ist.

Rund­um absto­ßend. Ich fra­ge mich kurz, ob ich ihm Unrecht tue, aber nope. Der Unter­schied zwi­schen Moe-Girl-Mann, der sei­ne heiß­ge­lieb­te Perü­cke inzwi­schen trägt, und dem Exem­plar neben mir, ist ein­deu­tig. Ers­te­rer ist in sei­ner ganz eige­nen Welt aus Pas­tell – letz­te­rer weiß ganz genau, dass die­se Mädels sei­ne Töch­ter sein könn­ten, wenn er denn ver­hei­ra­tet wäre. Höchst­wahr­schein­lich ist das in sei­ner Fami­lie ein Pro­blem. In vie­len japa­ni­schen Fami­li­en wird Tra­di­ti­on noch hoch­ge­hal­ten.

Er zählt an schwit­zi­gen Fin­gern sei­ne Bestel­lung ab, aber nicht zuerst am Zei­ge­fin­ger begin­nend, son­dern zunächst am klei­nen Fin­ger, dann am unbe­ring­ten Ring­fin­ger und so wei­ter. Mei­nem Riech­or­gan zufol­ge ist er star­ker Rau­cher.

Die jun­ge Frau mit der Flecht­fri­sur wirkt nicht nur schüch­tern, so scheu wie es eini­ge Japa­ne­rin­nen sein kön­nen, denn ihre Distan­ziert­heit scheint noch ein­mal anders. Wie ver­schreckt.
In Doku­men­ta­tio­nen sagen die­se Mäd­chen, dass es für sie toll sei, in die­sen Loka­len zu arbei­ten. Die gan­zen Inter­ak­tio­nen und so. Ande­re You­Tube­rin­nen haben ihre Job­ent­schei­dung schnell revi­diert und fan­den es furcht­bar. In Deutsch­land ken­ne ich eini­ge Cos­playe­rin­nen, die auf Con­ven­ti­ons in Maid Cafés arbei­ten. Die Out­fits lie­be ich alle durch die Bank weg – ich selbst bin aber eine gas­tro­no­mi­sche Kata­stro­phe.

Der Kun­de ist König und mit dem ers­ten Schluck Kaf­fee wie­der bes­ser gelaunt. Ich will sei­ne Maid ret­ten, auch, wenn es ihre freie Ent­schei­dung ist, hier zu arbei­ten, mit der mög­li­chen Kon­se­quenz, von eben sol­chen Losern ange­gafft zu wer­den.

„Okay, lass‘ uns gehen“, sagt J. mit einem Blick auf die Uhr, gleich­zei­tig unser treu­er Schritt­zäh­ler, der uns abends immer eine statt­li­che Anzahl an zurück­ge­leg­ten Kilo­me­tern aus­spuckt.
In die­sem Moment geht die Musik von neu­em los. Die­ses Mal gehen alle hier täti­gen Mädels auf die Büh­ne für eine Grup­pen­per­for­mance. Eine von ihnen singt beson­ders schief. Die jun­ge Japa­ne­rin mit der Flecht­fri­sur wirkt plötz­lich ganz frei.

„Also, wenn jetzt die nächs­te Stun­de anbricht – dafür zahl‘ ich nicht“, ärgert sich J.

„Hat dir denn gar nichts gefal­len an die­ser Erfah­rung?“

Ihr Blick spricht Bän­de.

Glück­li­cher­wei­se wird uns nichts zusätz­lich berech­net, denn letzt­lich möch­te auch ich nicht dafür bezah­len, im sel­ben Raum wie ein schwit­zen­der Büro­hengst zu sein, der unge­hemmt die Cho­reo mit­tanzt.

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Wir ver­las­sen das Maid Café zum Auf­zug hin und bli­cken nie wie­der zurück. Unten ange­kom­men, hat die zau­ber­haf­te Maid von der Stra­ße neue Kund­schaft her­an­ge­karrt. Es ist, für mich beru­hi­gend, eine vor­freu­di­ge, euro­päi­sche Fami­lie. Die Hit­ze begrüßt uns nun wie ein lau­war­mes Fuß­bad.

Ver­mut­lich hät­ten wir zum Durch­schau­en des Phä­no­men Maid Cafés noch nicht mal rein gehen brau­chen. Da sind die Ota­kus, wort­wört­lich über­setzt „Stu­ben­ho­cker“, die Nerds, die sich zuge­hö­rig füh­len, end­lich ein­mal. Da sind die, die ein­fach ger­ne Spaß haben. Da sind die Wider­lin­ge. Da sind die, die zurück nach Tübin­gen gehen und über „die Japa­ner“ erzäh­len. Da sind wir und unse­re Lust auf jede Facet­te die­ses Lan­des. Und da sind Mäd­chen mit Hoff­nun­gen und Träu­men und Ängs­ten, Kin­der von irgend­et­was.

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Antworten

  1. Avatar von WanderWeib

    Wow, tol­ler Arti­kel. Hat rich­tig Spaß gemacht den zu lesen. Dan­ke! 🙂 Hät­test du viel­leicht Lust auch mal für Wan­der­Weib zu schrei­ben? 😉

    Vie­le Grü­ße aus Tokio
    Tes­sa

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