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Von Berlin nach Australien

Cin­dy Ruch erzählt Geschich­ten von Rei­sen, Orten und Büchern. Sie ist Autorin, Rei­se­jour­na­lis­tin und Foto­gra­fin, stu­dier­te Inter­na­tio­na­le Lite­ra­tu­ren in Tübin­gen und Bris­bane, grün­de­te das Lite­ra­tur­ma­ga­zin „Laut­schrift“ mit und absol­vier­te ihr Redak­ti­ons­vo­lon­ta­ri­at beim „Glo­be­trot­ter Maga­zin“. Zwei­ein­halb Jah­re ver­brach­te sie als Back­pa­cke­rin, Stu­den­tin und Frei­be­ruf­le­rin in Aus­tra­li­en. Aus die­sen Rei­sen ent­stand ihr Buch Woan­ders wach­sen Man­gos.

Welche Erfahrungen haben Dich dazu inspiriert, über Reisen zu schreiben? Gab es einen speziellen Moment oder eine bestimmte Reise, die Dich besonders beeinflusst hat?

Wich­tig war mir schon immer mein Rei­se­ta­ge­buch. Für mei­ne ers­te neun­mo­na­ti­ge Aus­tra­li­en- und Neu­see­land­rei­se bekam ich eins geschenkt und schrieb jeden Tag. Ich merk­te, wie ich dadurch schrei­ben, sehen, den­ken lern­te und übte. Irgend­wann war der Wunsch da, mit Schrei­ben und Rei­sen Geld zu ver­die­nen, um wei­ter unter­wegs sein zu kön­nen. Auf einer Rei­se in das aus­tra­li­sche Out­back von Bris­bane nach Char­le­ville schrieb ich also beson­ders aus­führ­lich Tage­buch und ver­kauf­te die Geschich­te an das Aus­tra­li­en-Maga­zin. 

Wie würdest Du deinen Schreibstil beschreiben und wie reflektiert dieser deine persönliche Reiseerfahrung?

Eine Mischung aus per­sön­li­cher Rei­se­ta­ge­buch­schrei­be­rei und gelern­tem Rei­se­jour­na­lis­mus – sprich, eine Rei­se berei­chert mich oft auf sehr vie­len ver­schie­de­nen Ebe­nen, beruf­lich, per­sön­lich, künst­le­risch. Ich notie­re und sam­mel unter­wegs und drö­sel es dann hin­ter­her auf in Rei­se­ar­ti­kel, Essays, Foto­aus­stel­lun­gen usw.

Bondi Beach
Bon­di Beach

Inwiefern glaubst Du, dass Reisen eine transformative Kraft haben kann, sowohl für die Reisenden als auch für diejenigen, die Ihre Bücher oder Ihren Blog lesen?

Beim Unter­wegs­sein hat man einen offe­ne­ren, neu­gie­ri­ge­ren Blick, der beschwingt und her­aus­for­dert. Und gleich­zei­tig lernt man Ver­trau­en in die Rei­se und in sich selbst zu haben, dass schon alles irgend­wie funk­tio­nie­ren wird. Liest man dar­über, wer­den alte Sehn­süch­te wach, wird man im All­tag geweckt, könn­ten neue Rei­se­plä­ne geschmie­det wer­den, wird an den offe­nen, neu­gie­ri­gen Blick und den Flow des Rei­sens erin­nert. 

Reisen ist oft mit Herausforderungen verbunden, sei es kulturelle Barrieren, Sprachprobleme oder unerwartete Zwischenfälle. Wie gehst Du mit solchen Herausforderungen um und wie spiegelt sich das in deiner Arbeit wider?

Ich habe Ver­trau­en, dass alles irgend­wie funk­tio­nie­ren wird, und ver­su­che dann nicht zu sehr an Plä­nen fest­zu­hal­ten son­dern mich mit den Ände­run­gen zu bewe­gen. Das spie­gelt natür­lich auch mei­ne Arbeit als frei­be­ruf­li­che Autorin wider: Auch da gibt es auf­trags­star­ke und auf­trags­schwä­che­re Pha­sen, gleich­zei­tig auch schreib­ar­me und schreib­wü­ti­ge Pha­sen. Es führt immer irgend­wo­hin, und das ist wohl das span­nen­de am Rei­sen und mei­ner Arbeit. Das Ver­trau­en in das Uner­war­te­te und in ein Ziel, von dem man beim Start manch­mal noch nichts weiß.

Welche Botschaft möchtest Du deinen Leser:innen vermitteln, wenn sie Deine Werke lesen?

Ich freue mich, wenn sie sich wie­der­fin­den. Und ich erin­ne­re mich beim Schrei­ben oft, wie sehr es mir hilft, Gedan­ken und Sehn­süch­te und schein­ba­re Klei­nig­kei­ten in ande­ren Büchern wie­der­zu­er­ken­nen und zu wis­sen, dass ich nicht allei­ne damit bin.

Beschreibe in einem Satz, warum Du schreibst.

Wie könn­te ich nicht schrei­ben – alles, was ich erbli­cke, alles, was mich zum den­ken bringt, alles, was mich ver­wirrt, alles, was mich beflü­gelt kommt auto­ma­tisch in Sät­zen hin­aus.

Ich schrei­be, um zu erin­nern, um wei­ter­zu­den­ken, und weil ich nicht anders kann.

Wol­ken­ka­me­le auf dem Rück­flug

Wie würdest Du dein Buch in wenigen Worten zusammenfassen?

Woan­ders wach­sen Man­gos han­delt von mei­ner gro­ßen Aus­tra­li­en­sehn­sucht und wie ich ver­su­che, die­ses Gefühl umzu­len­ken, damit ich mich auch von Ber­lin genau­so inspi­riert füh­le. Viel­leicht braucht man zwei Orte, über­le­ge ich mir: Einen zum seh­nen und einen zum leben. 

Was hat dich dazu inspiriert, deine Reiseerlebnisse in Australien in Buchform festzuhalten?

Ich hat­te das Gefühl, aus mei­ner Sehn­sucht, aus die­sem Zwie­spalt zwi­schen hier und dort – zwi­schen Ber­lin und Aus­tra­li­en – etwas zu machen. Ich hat­te bereits ein Sam­mel­su­ri­um an Tex­ten. Als ich im Wochen­bett mit mei­ner Toch­ter lag, kam mir die kon­kre­te Idee dazu, nicht nur Aus­tra­li­en, son­dern auch Ber­lin dafür einen Raum zu geben. Hin­zu kam die Dring­lich­keit des neu­en Lebens­ab­schnit­tes als Mut­ter: Ich befürch­te­te, dem Gefühl zu ent­wach­sen, wie es ist, in ein Land ver­liebt zu sein.

Coming-of-Age impliziert eine Reifung oder Entwicklung während des Reisens. Welche persönliche Entwicklung spiegelt sich in deiner Reise nach Australien wider?

Das kön­nen Leser:innen bestimmt bes­ser ein­schät­zen… Ich weiß nur, dass sich mit Aus­tra­li­en der Fokus auf mein Schrei­ben und Foto­gra­fie­ren ver­fes­tig­te; Aus­tra­li­en gab mir Zeit, mich dar­auf zu kon­zen­trie­ren und gleich­zei­tig die Moti­va­ti­on, dar­aus mei­nen Job zu gestal­ten, um wei­ter­hin dort zu leben, wo ich möch­te. 

Welche Bedeutung hat diese Reise und das Buch für dich in deinem heutigen Leben?

Es hat mich mit ande­ren Men­schen in Kon­takt gebracht, die ähn­lich füh­len. Es hat natür­lich auch alte Sehn­süch­te wie­der neu auf­ge­lebt, wie hät­te es anders sein kön­nen.  

Du beschreibst, wie du versuchst, Deutschland mit den Augen eines australischen Reisenden zu sehen. Wie haben deine Erfahrungen in Australien deine Sicht auf deine Heimat verändert?

Ich beschrei­be, wie ich ver­su­che, Deutsch­land mit der sel­ben Neu­gier­de, Offen­heit und Inspi­ra­ti­on zu sehen, wie ich Aus­tra­li­en anschaue. Dafür erkun­di­ge ich neue Vier­tel, fah­re raus nach Bran­den­burg, blei­be mit dem Fahr­rad im Sand ste­cken, fin­de Halb­wüs­ten und Wei­ten… ich ver­su­che, das Suchen und Fin­den auf­recht­zu­er­hal­ten. Das Uner­war­te­te. 

Welche Rolle spielt die Sehnsucht in deinem Buch und deinem Leben als Reisende und wie beeinflusst die Sehnsucht Entscheidungen oder die Reiselust?

Ich glau­be, es ist die Sehn­sucht, die uns in Bewe­gung hält. Nur wenn man sich woan­ders­hin sehnt, schafft man Mög­lich­kei­ten, dort auch hin­zu­kom­men. Das setzt unge­ahn­te Kräf­te frei; man löst, über­legt; und wäh­rend­des­sen ent­steht gar ein Buch. Die Sehn­sucht treibt mich immer wei­ter. Manch­mal auch ganz woan­ders hin. 

Welche Herausforderungen hast Du während deiner Zeit in Australien erlebt und wie hast du diese überwunden?

Die Ent­fer­nung zu mei­ner Fami­lie und Freun­den war nicht ein­fach; und sie klang immer mit, ob ich mir Aus­tra­li­en als zuhau­se wirk­lich vor­stel­len kann oder nicht. Letzt­end­lich habe ich es nicht gewagt, und bewun­de­re die­je­ni­gen, die den Schritt voll­zie­hen. Ich ver­mis­se Aus­tra­li­en immer noch, bin aber umso fro­her, mei­ne Fami­lie und Freun­de hier in der Nähe zu wis­sen. 

Welche Aspekte der australischen Kultur und Landschaft haben dich am meisten beeindruckt und inspiriert?

Vor allem die Lite­ra­tur – ich habe auch ein Semes­ter im Rah­men mei­nes Inter­na­tio­na­le Lite­ra­tu­ren-Bache­lors in Aus­tra­li­en stu­diert – die Wei­te des Out­backs, die end­lo­sen Strän­de der West­küs­te, die Spra­che und die ent­spann­te Hal­tung der Australier:innen, Mit­men­schen ein­fach ein­zu­la­den, mit­zu­neh­men, anzu­spre­chen, will­kom­men zu hei­ßen.

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