Unsichtbar

Als West­ler gehört man in Asi­en ein­fach nicht dazu, erst recht nicht in einem mus­li­mi­schen Land. Das ist lei­der so.

Sich per­ma­nent als Fremd­kör­per füh­len macht das Rei­sen sehr anstren­gend und, ja, auch ein wenig trau­rig. Frau­en schau­en abschät­zig, lächeln auf Kom­man­do und ver­stei­nern genau­so schnell wie­der. Män­ner rufen „Hey Mis­ses! Whe­re u goooo­in“ und bag­gern aus der Hocke her­aus. Und jeder ver­sucht einem, die Rupiah aus der Tasche zu zie­hen. Das ist okay, so läuft das eben.

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Ich ler­ne Tim ken­nen, einen Eng­län­der, der seit neun Jah­ren in Bandung lebt. Er ist ver­hei­ra­tet mit einer Indo­ne­sie­rin und für sie zum Islam über­ge­tre­ten. Gläu­big sei er nicht, aber was tue man nicht alles für die Lie­be, erklärt er sei­ne Beweg­grün­de. Auch er gehört nicht dazu. Jeder sieht ja, dass er anders ist – ein West­ler, ein Ungläu­bi­ger. „Sie wer­den dich immer anders behan­deln, ganz egal, wie sehr du dich anstrengst“, sagt er.

Wirk­lich? Das will ich selbst erle­ben. Zeit für ein Expe­ri­ment. Ich kann mich nicht ein­fach so als Asia­tin ver­klei­den, aber ich gebe eine pri­ma Mus­li­ma ab. Also bede­cke ich mei­ne Haa­re und mische mich unters Volk.

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Und plötz­lich bin ich ein Teil vom Gan­zen. Kei­ner ruft mir nach, kei­ner bie­tet mir irgend einen Nip­pes an. Ganz im Gegen­teil. Man behan­delt mich mit Respekt: Frau­en lächeln herz­lich, Män­ner nicken aner­ken­nend, einer gibt mir sogar einen Hand­kuss! Beim Obst­händ­ler bekom­me ich Rabatt, im Bus drü­cken sie ein Auge zu, wenn ich es nicht pas­send habe.

Klar, alle sehen und hören, dass ich nicht von hier bin. Sie stut­zen kurz. Irgend­et­was stimmt nicht. Aber sie sehen eine mus­li­mi­sche Frau. Das scheint zu rei­chen. Ich wer­de unsicht­bar.

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Das ist die Wir­kung nach außen.

Auch ich selbst füh­le mich anders – irgend­wie schüch­ter­ner, ein­ge­schüch­ter­ter. Ich gehe gedrun­gen, ver­ste­cke mich bei jedem Schritt. Ich spie­le eine Rol­le, tra­ge ein Kleid, das mir nicht passt. „Die mus­li­mi­schen Frau­en hier tra­gen ihr Kopf­tuch mit Stolz, es ist ein State­ment, ein Bekennt­nis zu einem star­ken Gefühl“, sagt Tim. Ich füh­le mich nicht stolz. Ich bin gehemmt, bin das Gegen­teil von mir. Aber ich habe einen gan­zen Tag mei­ne Ruhe und spa­re ein paar Rupiah.

Doch nach sechs Stun­den hat das Schau­spiel ein Ende. Mir wird zu heiß unter dem Kopf­tuch. Kaum packe ich es weg, gehe ich wie­der auf­recht. Nach nicht mal zwei Minu­ten fragt mich einer „Hey Mis­ses, whe­re u goooo­in“. Ich läch­le und spie­le mit. Dazu­ge­hö­ren kann ich auch daheim.

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Antworten

  1. Avatar von Dani

    Ein sehr schö­ner Arti­kel. Ich den­ke auch, dass man stolz auf den Hin­ter­grund sein muss, um ein Kopf­tuch stolz zu tra­gen. Das ist für eine Euro­päe­rin ohne die ent­spre­chen­den Wur­zeln fast unmög­lich. 😉
    Lg aus Matrei am Bren­ner

  2. Avatar von Mary
    Mary

    War­um kannst du nicht auf­recht und stolz gehen, wenn du ein Kopf­tuch hast ? Liegt es dar­an, dass du kurz­zei­tig eine ›Rol­le‹ spielst und du denkst als Kopf­tuch­trä­ge­rin muss man geduckt gehen?

    1. Avatar von Pia Röder

      Ich habe mich als etwas ver­klei­det, das ich nicht bin und des­sen Bedeu­tung ich zu wenig ken­ne. Nur die, die sich mit Kopf­tuch nicht wohl­füh­len, die unsi­cher sind, gehen geduckt – so wie ich.

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