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Remember: A moustache is not wearing the man, the man wears the moustache.
Austin, Texas. Es ist bereits dunkel, ich und Dawson fahren gerade unter einer Brücke hindurch. Er erzählt mir, dass wir nun in den Teil der Stadt kommen, der früher fast ausschließlich von Schwarzen und Hispanics bewohnt wurde. Straight into the Ghetto. Heutzutage würden aber vereinzelt Yuppies hier hin ziehen und teure Häuser bauen, um anschließend die Preise für das gesamte Viertel erhöhen. „We call this gentrification“ hat Dawson gesagt. Kennen wir ja aus Deutschland.
Wir waren auf dem Weg zur Fight Night im Patty Cab Shop. Patty Cabs sind Fahrradtaxis und in dieser Szene tummelt sich eine ähnliche Subkultur wie bei den Fahrradkuriere. Fight Night sollte heißen, es wird ein Film gezeigt und danach boxen wir uns. Letztes mal lief Fight Club. Diesmal ein Bruce Lee Klassiker. Wir erreichten die Garage, das Grundstück war umzäunt von einem undurchsichtigen Wellblechzaun. Erinnerte etwas an die ehemalige NPD Zentrale in Leipzig. Es gab ein Dixie-Klo, zwei Kühlschränke voller Bier, etliche Mülltonnen, Sofas, einen Beamer und natürlich überall Fahrräder und Patty Cabs. Es passte auch gut ins Bild, dass zur gleichen Zeit ein Müllauto ankam und mit lautem Krachen den Müllcontainer vor der Garage leerte. Perfektes Ambiente für einen guten Street Fight.
Ich hatte gemischte Gefühle zu diesem Abend. Mein letzter ernsthafter Kampf war mit 13 auf dem Schulhof gegen eine verfeindete Parallelklasse. Seitdem keine Kämpfe mehr. Allerdings beendete ich meine Karriere ungeschlagen. Einen Tag vorher überkam mich die Angst und ich dachte nur: »In was für eine Scheiße bewegst du dich da wieder rein?« Einen anderen Tag freute ich mich auf die Fight Night. Nun angekommen in der Garage gesellten wir uns auf die Couches zu den anderen und schauten den Film. Ich hoffte insgeheim, dass diese gemütliche Stimmung vielleicht erhalten bleibt und wir nicht kämpfen werden. Aber für Dawson war es ebenfalls seine erste Fight Night und er war heiß auf einen guten Kampf. Und er stiftete den ersten Kampf an.
Es gab Boxhandschuhe. Dawsons Kontrahent war schon recht betrunken und durchgeknallt. Es war ein ruppiger Kampf mit teilweise unfairen Mittel. Ein Schlag auf den Hinterkopf im Eifer des Gefechts, mehrere Würfe, wildes aufeinander einprügeln. Nach zwei Runden warf der Kontrahent das Handtuch und Dawson stand als Sieger fest. Ich hatte derweil das zweite Bier gestürzt, Mut gesammelt und betrat den Ring, wartend auf meinen Kontrahenten. Es sollte Luke werden. Er war zwei Köpfe kleiner als ich und sein Bein blutete, weil er zuvor einen Fahrradunfall hatte.
Mein erstes mal Boxen
Einer der Jungs coachte mich. Ob ich Erfahrung mit Boxen hätte? Nein. Schonmal gekämpft? Eigentlich nicht. Kurze Einweisung wie Deckung funktioniert. Immer schön seitwärts laufen. Den Gegner mit meinen langen Armen von mir weg halte. Dann sollte es losgehen, aber es zog sich. Da stand ich nun. Vor meinem ersten Fight gegen diesen unbekannten Kerl, in den Suburbs von Austin Texas. Aus meinem Mund ragte ein Stück recycelter Fahrradschlauch, welches als improvisierter Mundschutz diente. Der Fahrradshop bietet alles was wir brauchen.
Dann ging es los, Drei Runden zu je einer Minute. Als wir die Fäuste abklatschten meinte Luke, dass wir ja Spaß haben wollten. Ja Spaß. Gutes Stichwort. Ich will auch nicht zerstört werden, oder doch? In der ersten Runde fing ich mir einen harten Kopftreffer ein. Keine Ahnung ob ich ihn getroffen habe. Ich hörte immer nur, wenn die Menge aufschrie und anscheinend ein Schlag durchkam. Ansonsten bestand der Kampf aus zurückweichen, wild um sich schlagen und immer wieder versuchen die Deckung hoch zu nehmen. Luke war so nett in der ersten Runde fast ausschließlich auf meinen Oberkörper zu schlagen. Er war etwas eingeschüchter von meiner Größe und dem Bart. Völligst zu unrecht.
Eine Minute Kämpfen ist anstrengend. Die zweite Runde war zuende. Ich konnte nicht mehr. Selbst wenn ich gewollt hätte, da war keine Kraft um irgendwen KO zu schlagen. Und emotional hätte es ebenso wenig hinbekommen. Man muss sich echt überwinden um wirklich rücksichtslos auf jemanden einzuschlagen. Unterbewusst nimmt man immer Kraft aus dem Schlag.
Ich Glaube Luke und ich waren im Herzen Pazifisten und wir hatten eine nicht ausgesprochene Vereinbarung. Kämpfen, sich treffen lassen, ja. Aber nix kaputt machen. Runde drei ging zuende. Die letzten 10 Sekunden standen wir uns gegenüber. Als der Countdown runtergezählt wurde, nickte Luke mir zu.“ Du bist genauso fertig wie ich und wir müssen das hier nicht übertreiben.“ ich verstand. Wir taumelten bis zum Gong ohne weitere Schläge. Kampf zuende. Danach Umarmung, Freude, wir hatten das gemeinsam durchgestanden.
Sich mit jemandem prügeln, insbesondere in einem solchen Setting, ist durchaus eine sehr intime Sache. Wie Sex haben, nur das man den Anderen möglichst NICHT nah an sich dran haben will. Je nachdem wer aufeinander trifft, gestaltet sich der Kampf immer anders. Manche hassen sich, andere versuchen es mit Technik. Luke und ich haben unser Bestes gegeben und versucht nicht zu verlieren. Er war ein feiner Kerl. An Knock-Out war nicht zu denken. Das sollte sich aber ändern.
In Kampf drei ist das Erste mal jemand zu Boden gegangen. Natürlich war sofort jemand da. Für mich sah das nicht gut aus. Die Jungs stellten ihn wieder auf die Beine. Kurz hinsetzen. Alles klar bei dir? Dann gings weiter. Sebastian Kramer und WM-Finale lässt grüßen. Ich hielt das für keine gute Idee, aber er überlebte noch eine Runde, bevor er das Handtuch warf. Der Gewinner hatte ihn zermalmt und das sollte nicht sein letzter Kampf werden.
Hauptkampf des Abends
Mein ehemaliger Box-Coach stieg in den Ring gegen den Champ aus dem letzten Fight. Es sollte der Top Kampf des Abends werden. Es war brutal, ziemlich viele harte Kopftreffer und der Kampf sollte in der zweiten Runde enden, weil mein ehemaliger Coach blutüberströmt den Ring verließ. Nase gebrochen. Blut tropfte auf seinen nackten Oberkörper.
Der neue Champ war eigentlich ein überaus sympathischer Kerl. Immer am lachen und scherzen, mit dem Gemüt eines Metallers. Freundlich, bisweilen etwas naiv wirkend und mit dem Selbstvertrauen eines Donald Trumps ausgestattet. Seine langen blonden Haare waren zu einem Zopf zusammen gebunden, er hatte einen skandinavischen Nachnamen und Schlug alles kurz und klein, was im in die Quere kam. Er kämpfte in einem rot-weiß gestreiften „Wo ist Walter?“-Muskelshirt. Sogar die Brille war mit gedruckt. Blutspritzer schmückten seinen Bauch. Es war ein Bild für die Götter.
Die Fight Night war eine Fest von Nächstenliebe. Es war herzerweichend, wie Coach und Champ sich nach diesem epischen Fight in die Arme schlossen. „Give me another hug buddy.“ „I am still bleeding.“ „Come and bleed on my shoulder.“ Alle waren nach den Kämpfen froh, es überstanden zu haben. Zeit wieder nett zueinander zu sein.
„Meine Freundin war besorgt, als ich meinte es ist Fight Night. Aber ich hab gesagt: „Mach dir keine Sorgen Baby, ich gewinne das.““, sagte mein Coach mit seiner gebrochenen Nase. Alle mussten lachten und er spuckte Blut nochmal auf den Asphalt. War ein geiler Abend.
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Saugeiler Bericht. Thx heaps.
Das ist wohl so eine Sache, die ich als Frau nie so ganz verstehen werde. Warum finden Männer das toll? 😉 Meiner war (noch) nie bei einer Fight Night, aber er steht im Urlaub Dolomiten auf Extremklettern. Das checke ich auch nicht, habe jedes Mal einfach nur Angst um ihn. Trotzdem lasse ich ihn machen, aber nachvollziehen kann ich es nicht. O.o
Hallo Isa,
also das muss nicht unbedingt ein »Männer«-Ding sein. Gibt ja auch Frauen, die gerne Extrembergsteigen gehen. 😉 Angst ist immer so eine Sache. Für mich persönlich ist Angst eher ein Antrieb mich einer gewissen Sache zu stellen und es zu machen. Im Endeffekt war es (bei dieser Geschichte) auch weniger gefährlich, als es vielleicht erscheinen mag. Vielleicht solltest du einfach mal mit »Deinem« mitgehen und selber erfahren, wie es ist. Wenn man selber drinsteckt und es mal gemacht hat, sieht man Dinge aus einer anderen Perspektive.
Natürlich muss man Gefahren minimieren und vorsichtig sein. Besonders beim Bergsteigen. Dafür ist aber die Belohnung auch umso größer. Schöne Aussicht, das Gefühl etwas überwunden zu haben, in sich selbst und außerhalb. Risiko bleibt immer und manchmal ist das Risiko die Würze des Lebens.
Was ich jetzt schreibe klingt hart, aber ist meine ehrliche Meinung. Ich sterbe lieber während ich etwas mache, was ich liebe, als immer darauf achten zu müssen, dass mir nichts passiert und letztendlich das Leben an mir vorbeizieht, ohne dass ich irgendwas gesehen habe. 🙂
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