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Im ICE, zwei Stunden vor der Ankunft, sprang mir das Bild noch einmal schmerzhaft deutlich vor Augen: Ein volles Restaurant, überall Pärchen. Nur der Katzentisch vorm Klo ist frei geblieben. Da sitze ich und stochere im Essen herum und fühle mich wie der einsamste Mensch auf der Welt.
Ich versuchte, mich abzulenken. Draußen zogen Postkartenmotive vorüber. Ein paar Rapsfelder, Kuhweiden und Windmühlen später war das flaue Gefühl im Magen immer noch nicht weg.
Vier Tage wollte ich in Amsterdam verbringen, keine große Sache eigentlich. Aber zum ersten Mal reiste ich nur um des Reisens willen allein – und nicht etwa aus beruflichen Gründen oder um jemanden zu besuchen. „Was, wenn das alles ganz furchtbar wird?“, hatte ich unentwegt gedacht. Und mich trotzdem auf den Weg gemacht.
Damals, vor drei Jahren, hatte ich Liebeskummer und mittendrin eine Woche Urlaub. Ich hatte Fernweh, aber niemanden, der mitkommen konnte oder wollte. Ein Glücksfall! Denn in dieser Lage begriff ich etwas Wichtiges: Wenn ich immer erst warte, bis jemand mich begleitet, dann komme ich zu nichts. Dann ist das Hochverrat an den Träumen, die ich mir erfüllen will in diesem Leben. Wundervoll, wenn ein lieber Mensch daran teilhaben möchte. Aber wenn nicht, dann mache ich sie eben alleine wahr.
Alleinreisen ist keine Frage des Mutes
Nach diesem Trip – Es war schön in Amsterdam! – wurde ich zur Alleinreisenden aus Überzeugung. Statt Bedenken habe ich seitdem immer kribbelige Vorfreude im Gepäck. Nach Vancouver, nach Mexiko, nach Maui, nach Singapur, nach Thailand habe ich sie inzwischen mitgenommen. Und mit jeder Reise wird sie noch ein bisschen größer.
„Du bist ja mutig“, sagen Freunde und Kollegen. Und Leute, die mich eigentlich kaum kennen. „Mutig“ ist das Nummer-Eins-Etikett für alleinreisende Frauen. Eine Freundin – ich habe sie in Singapur kennen gelernt – wird ebenfalls regelmäßig mit ihm versehen. „Ich bin nicht mutig. Nur selbstständig und unabhängig“, sagt sie, und das trifft, glaube ich, auf alle Alleinreisenden zu: Nicht Mut treibt sie an, sondern Neugier, Erlebnishunger, der Wunsch, den eigenen Horizont zu erweitern. Vielleicht aber auch ein ganz anderer individueller Beweggrund. Wer allein reist, hat irgendwann in sich hineingehört und sich gefragt, was er selbst wirklich will. Und dann hat er auf sich gehört.
Meine Angst, mich unterwegs einsam zu fühlen, hab ich längst im hohen Bogen auf den Müll geschmissen. So überflüssig ist sie. Wenn man auf Reisen nicht für sich bleiben will, dann muss man es auch nicht. Denn es ist wohl nirgends leichter, Leute kennen zu lernen als an Orten, an denen sich Reisende aufhalten. Reisende, die in der Regel offen sind und ebenso daran interessiert, Anschluss zu finden. In fünf Wochen Backpacking habe ich nicht einen einzigen Tag komplett allein verbracht. Fast immer habe ich in Hostels – in solchen fernab vom Klischee der Partyhochburg für Schulabgänger – Leute auf meiner Wellenlänge getroffen. Mit vielen bin ich in Kontakt geblieben.
Oft hilft auch der Zufall: Auf Koh Phi Phi wollte ich mir kurz nach meiner Ankunft das Dorf ansehen, als es kräftig zu regnen begann. Unter dem nächstbesten Vordach standen zwei Frauen. Sie rückten für mich etwas zusammen, ich stellte mich zu ihnen. Schnell kam ich mit Marion und Celine, den beiden Schwestern aus Frankreich, eine witziger als die andere, ins Gespräch. Und als der Regen nicht mehr ganz so heftig auf das Blechdach trommelte, verabredeten wir uns für später zum Essen beim Inder.
Danach lief ich durch Koh Phi Phi, mit einem Lächeln im Gesicht und einem Gedanken: „Von wegen Katzentisch. Von wegen einsam.“
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Wie schön so etwas zu lesen.. ich reise auch gern allein. Ich möchte die Welt sehen und nicht warten ob jemand auch dazu bereit ist. Mein erster Trip ging nach new York und jeder hielt mich für mutig.
Ich lerne auf jeder Reise Menschen kennen mit denen ich heute noch vernetzt bin.
Ich liebe es zu reisen und bevor ich einen schlechten Urlaub tu zweit verbringe, dann lieber allein.
Schön zu lesen, dass man mit dieser modernen Einstellung nicht allein da steht!
Viele Grüße aus Fuerteventura (ich mach wieder Urlaub)
MirelaLiebe Susanne
Danke für deinen Artikel über das Alleinreisen. Im Sommer 2016 war ich vier Monate lang unterwegs in Kanada. Ich fuhr mit dem eigenen Wohnmobil quer durch Kanada, von Halifax nach Vancouver – allein. Das mit dem Mut habe ich auch oft gehört und mich gewundert, dass die Leute das mutig finden. Du hast mich zu einer guten Antwort inspiriert, danke.
Ich bin verwitwet und reise seit 12 Jahren allein im Wohnmobil und habe nur gute Erfahrungen gemacht. Immer treffe ich nette Leute, mit denen ich mich austauschen kann. So fühle ich mich nicht allein und wenn es doch mal so ist, fliessen ein paar Tränen, das gehört auch dazu.
Darf ich eventuell auf meiner Reiseseite einen Link zu deinem Artikel setzen?
Liebe Grüsse und die besten Wünsche zum neuen Jahr
KathrinLiebe Katharina,
das ist ja alles noch nicht lang her bei Dir und ich freue mich sehr, dass Du Dich mit dem Beitrag identifizieren kannst. Vielen Dank für den Zuspruch und – aber ja, verlinke gern, die Originalquelle ist diese hier: http://fluegge-blog.de/ueber-das-alleinreisen/
Dir auch einen guten Rutsch! Liebe Grüße zurück!
Ich finde das auch sehr mutig von dir, dass du dich traust so viel alleine zu reisen. Das einzige was ich mich bisher getraut habe, war eine Fahrradtour alleine durch Südtirol von einem Wellnesshotel ins nächste 😀
Hi Julia,
ach, wie gesagt, ich bin eigentlich gar nicht so mutig. Alleinreisen ist ja auch kein Muss. Wen es nicht so sehr in die Welt zieht, muss ja auch nicht zwingend allein los. Aber mich zieht’s eben los und dabei will ich mich nicht länger von irgendjemandem abhängig machen.
Mut ist die Überwindung von Angst und Unsicherheit. Mut gehört dazu, wenn man den ersten Schritt macht, um alleine zu reisen. Denn natürlich hat man Unsicherheiten, ja auch Ängste vor dem ersten großen Solo-Trip. Und sei es nur die Befürchtung, am Katzentisch zu landen oder alleine zu bleiben. Deshalb nehme ich das »Du bist ganz schön mutig!« für mich an, wenn ich es höre. Wenn man etwas was wirklich will, dann entwickelt man auch den Mut, den man dazu braucht, seinen Traum umzusetzen.
Und später merkt man, dass es eigentlich ganz einfach ist. Aber dieses »Geheimnis« deckt man nur auf, wenn man es ausprobiert hat – das Alleine Reisen.
Liebe Grüße
UlrikeLiebe Ukrike, das stimmt natürlich. Das erste Mal oder die ersten Male braucht es auch Mut. Aber später, wenn man das Geheimnis aufgedeckt hat, wie Du schreibst, empfindet man selbst sich nicht mehr als so mutig, so ist es zumindest bei mir. Liebe Grüße zurück!
Toller Artikel, Susanne.
Seit ich Single bin habe ich genau das Problem, Reisepartner zu finden. Vor zwei Jahren buchte ich relativ spontan eine Woche Berlin. Diese Stadt und auch einige Leute kannte ich jedoch bereits.
Nun will ich diesen Herbst mal noch zwei Woche Ferien nehmen und auch verreisen. Nur wohin und was ich machen soll, weiss ich nicht so recht. Kann mich nicht entscheiden. Und ja, der Mut, etwas zu buchen, fehlt 😉Hast du mir vielleicht einen Tipp für Oktober/November? 🙂
Vielen Dank und Gruss
RahelLiebe Rahel,
erst einmal vielen Dank! Nun, im Herbst, wenn es hier schon grau und allmählich dunkler wird, würde es mich persönlich in die Sonne ziehen. Hast Du schon über Thailand nachgedacht? Da wirst Du sehr leicht zurechtkommen und etliche Leute kennen lernen. Wäre ein Beispiel. Auch auf Bali war ich zu der Zeit schon (Oktober zumindest) und auch das war einfach damals. Lass mich wissen, wozu Du Dich entscheidest.
Ein richtig schöner Artikel 🙂 JedeR sollte mal alleine verreisen, es ist ein spannendes Gefühl, man lernt viel über sich selbst und seine eigenen Fähigkeiten kennen. Aber ich persönlich merke dann auch jedes Mal, wie schön es ist, auch mal zu zweit mit dem/der Richtigen zu verreisen 🙂
Hallo Ariane,
danke sehr! Mir geht’s vor allem darum, dass niemand zuhause bleiben sollte, nur weil keiner mitkommt. Das wäre schade. Und stimmt: Die Erfahrung, mal allein in der Welt zurechtgekommen zu sein, finde ich persönlich wichtig. Das heißt aber nicht, dass ich nichts mehr davon halte, mit Begleitung zu reisen. Man muss nur tatsächlich erst mal den / die richtige(n) Reisepartner(in) finden.
Wow, ein toller Artikel. Am Anfang erschien mir allein Reisen auch etwas unheimlich, aber man gewöhnt sich daran und jetzt freue ich mich riesig auf meine Reise ins Wellnesshotel Südtirol – ganz ohne lästige Anhängsel. 🙂
Liebe Becky, vielen Dank! Ich wünsche Dir dort eine tolle Zeit!
was mir am Alleinreisen so gefällt: totale Konzentration auf das Neue und keine Kompromisse. Kann in jedes Gässlein hineinsehen, solange ich will. Angst hat man keine – es ist eher die aufregende Neugier, die ein Kribbeln verursacht, das der Angst manchmal recht ähnlich ist.
LG Michael (ein überzeugter Alleinreisender)
Hi Michael, ja, das ist wahr, das genieße ich beim Alleinreisen auch, dass ich mir so viel Zeit für alles nehmen kann, wie ich eben will.
Schöner Artikel! Ich reise seit 40 Jahren überwiegend alleine.Mut als Antriebsmittel? Ich glaube nicht, dass irgendjemand reist, weil er mutig ist. Aber ein wenig Mut gehört zumindest am Anfang dazu. Der Mut, all die Bedenken, die Du ja auch schilderst, zu überwinden. Insofern ist jeder, der alleine reist, der seine Vorbehalte und Ängste überwindet, mutig. Und wenn alle Tische besetzt sind und nur noch der neben der Toilettentür frei ist, dann ist das ja nicht ein spezieller Platz für Alleinreisende sondern einfach Pech.
LG
UlrikeLiebe Urlike,
vielen Dank. Ich gebe Dir Recht, beim ersten Mal kostet es Überwindung, aber es sind eben andere Kräfte stärker als die Bedenken. Im Restaurant habe ich so eine Situation zum Glück noch nie erlebt. 🙂
Vielen Dank, liebe Leute!
Ein toller Artikel der genau zum richtigen Zeitpunkt kommt – morgen fahre ich drei Wochen allein zum Wandern nach Schottland. Noch bin ich nicht so aufgeregt, aber das ungute Gefühl macht sich langsam etwas breit. Ich bin trotzdem gespannt auf all die Erfahrungen und Erlebnisse, die ich von diesem Trip mitnehmen kann.
Hallo Maria,
vielen Dank! Inzwischen bist Du unterwegs – ich gehe davon aus, dass sich das ungute Gefühl inzwischen verzogen hat. Viel Spaß!Hallo Maria
Ich habe noch 2 Wochen Ferien übrig dieses Jahr und bin am hin und her überlegen, was ich damit anfangen soll. Ich wandere liebend gerne und würde drum sehr gerne wissen, wohin du gehst bzw. wo du gebucht hast 🙂
Hattest du eine tolle Zeit in Schottland?
Liebe Grüsse
Rahel
Hannah Kl
Wunderschön! Genau so ist es 🙂
Schöne Premiere!
Schön geschrieben… 🙂
Dieser Artikel trifft den Kern. Ehrlich 🙂
Bei beinahe jedem Satz nickte ich zustimmend, weil ich all das was du hier beschreibst, ebenso erlebte.
Diesen Satz, ich sei mutig, höre ich sehr oft und ebenso oft begründe ich diesen Mut mit der endlosen Neugier auf die Welt, geknüpft an den kleinen »Kick« den man bei der Ankunft in einer völlig fremden Stadt erlebt.
Vielleicht bin ich danach sogar ein wenig süchtig…Liebe Pati,
danke, das freut mich. Und das Gefühl, danach ein bisschen süchtig zu sein, kenne ich inzwischen auch.
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