Nimm doch den Zug…

Argen­ti­ni­en, Febru­ar 2007.
Eine Zeit des Wie­der­se­hens. Ich bin für vier Wochen in jener argen­ti­ni­schen Stadt zu Besuch, aus der ich vor bei­na­he einem Jahr abge­reist war. Zuvor hat­te ich neun Mona­te dort gelebt und gear­bei­tet. Die­ses Mal kom­me ich bei Freun­den in einem der süd­lich gele­ge­nen Vor­or­te unter, nicht weit vom Stadt­zen­trum ent­fernt.

An einem Don­ners­tag ver­brin­ge ich den Nach­mit­tag im Zen­trum, um ein paar Din­ge zu erle­di­gen und Freun­de zu tref­fen. Am frü­hen Abend mache ich mich auf den Weg zurück zur Woh­nung mei­ner Freun­de, weil wir dort gemein­sam kochen wol­len. Ich ken­ne die Gegend nicht gut, da ich wäh­rend mei­nes Auf­ent­halts ein Jahr zuvor im Nor­den der Stadt gelebt hat­te und sel­ten Zeit fand, die übri­gen Ecken die­ser Metro­po­le zu erkun­den. Dar­um beschlie­ße ich, zur Heim­fahrt ein Taxi zu neh­men.

Ich stel­le mich an den Stra­ßen­rand, win­ke ein Taxi her­bei, stei­ge ein und sage dem Fah­rer, wo genau ich hin will. Mein Akzent muss ver­ra­ten haben, dass ich nicht aus Argen­ti­ni­en kom­me, denn der Taxi­fah­rer erklärt mir, dass, wenn ich in den Vor­ort möch­te, ich ihm auch die Rück­fahrt zah­len müss­te. Ich bin etwas erstaunt. Sehr oft war ich mit dem Taxi in die­ser Stadt unter­wegs gewe­sen und soweit ich mich erin­nern kann, muss­te ich noch nie die Rück­fahrt bezah­len – auch dann nicht, wenn mein Ziel außer­halb des Stadt­zen­trums lag. Und: Die Fahrt zur Woh­nung mei­ner Freun­de dau­ert im Taxi nicht län­ger als 15 Minu­ten. Genau das erklä­re ich dem Taxi­fah­rer, sage ihm, dass ich unter die­sen Umstän­den nicht mit ihm mit­fah­ren wer­de und stei­ge ver­är­gert aus.

Am Stra­ßen­rand steht ein Car­tone­ro und beob­ach­tet das Spek­ta­kel. Die Kar­ton­samm­ler sind fes­ter Bestand­teil die­ser Stadt: Men­schen, die nach der Wirt­schafts­kri­se im Jahr 2001 mit­tel­los dastan­den und sich jetzt mit dem Sam­meln und Wie­der­ver­wer­ten von Kar­ton das Über­le­ben sichern. Der Car­tone­ro fragt mich, was los wäre, ob mich der Taxi­fah­rer nicht fah­ren wol­le. Ich erklä­re, dass die­ser das Dop­pel­te des übli­chen Fahr­prei­ses ver­langt hät­te und ich dar­um wie­der aus­ge­stie­gen wäre. Der Kar­ton­samm­ler fragt mich, wo ich denn hin müs­se. Als ich ihm den Namen des Vor­or­tes nen­ne, sieht er mich etwas ver­wun­dert an und meint, das wäre nicht weit, ich sol­le doch den Zug neh­men, der wür­de dort auch hin­fah­ren. Er erklärt mir, von wel­chem Bahn­hof aus die Züge abfah­ren und wie ich am Schnells­ten hin­kom­me.

Ich bedan­ke mich für die Hil­fe, ver­ab­schie­de mich. Ich habe nicht vor, mit dem Zug zu fah­ren, denn die Zeit drängt etwas, mei­ne Freun­de war­ten schon auf mich. Ich gehe in die Rich­tung, in der der Bahn­hof lie­gen soll­te und hal­te ein paar Stra­ßen wei­ter – ich will nicht, dass der Car­tone­ro das mit­be­kommt – wie­der ein Taxi an. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem ers­ten Taxi­fah­rer womög­lich Unrecht getan habe und ob es viel­leicht doch üblich ist, die Rück­fahrt zu bezah­len. Ich sage dem Len­ker des zwei­ten Taxis, wo ich hin will und fra­ge nach dem Fahrt­preis – ich hat­te Recht, der Taxi­fah­rer ver­rech­net tat­säch­lich nur die Hin­fahrt.

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Antworten

  1. Avatar von Cornelia Lohs

    Das ist uns letz­ten Monat in Bue­nos Aires und Cór­do­ba mehr­mals pas­siert. Sobald wir zu einem Ziel außer­halb des Stadt­zen­trums woll­ten, beharr­te der Fah­rer auf die Kos­ten für die Rück­fahrt. Einer mein­te, wenn schon nicht die Rück­fahrt bezahlt wird, soll­ten wir doch wenigs­tens in US-Dol­lar zah­len.

    1. Avatar von 100 Sterne und der Mond

      Mir wur­de erst kürz­lich gesagt, dass das inzwi­schen üblich ist, auch die Rück­fahrt zu bezah­len. Und dass sie US-Dol­lar haben wol­len ist ange­sichts der hohen Infla­ti­on und der staat­li­chen Restrik­tio­nen was Dol­lar-Besitz angeht, sehr ver­ständ­lich.

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