A tavola non s’invecchia

Noch all­zu gut kann ich mich an die­ses Glücks­ge­fühl erin­nern, wenn der Metz­ger mir an einer lan­gen Gabel ein Stück Wurst über die The­ke reich­te. Und obwohl ich erwach­sen gewor­den bin, kann ich mich immer noch für solch eine Lecke­rei begeis­tern. Vor allem wenn ich rei­se, bin ich immer wie­der ver­wun­dert, wie ein klei­nes Kind, wel­che Spe­zia­li­tä­ten sich in der Welt tum­meln. An jeder Ecke möch­te ich die unbe­kann­ten Köst­lich­kei­ten pro­bie­ren und mit den Men­schen dar­über reden. Was ist es? Wie wird es zube­rei­tet? Lan­des­ty­pi­sche Zuta­ten und Mahl­zei­ten sind ein­fach wich­tig, um eine Kul­tur ken­nen­zu­ler­nen.

In der Serie „Chef´s table“ über sechs Ster­ne-Köche fällt mir auf, dass alle Köche etwas gemein­sam haben. Alle haben expe­ri­men­tiert, die meis­ten haben in Paris gelernt, und sie hat­ten alle­samt ihre Schwie­rig­kei­ten, bis sie es zu dem geschafft haben, was sie heu­te sind. Letz­ten Endes ist aber jeder Ein­zel­ne von ihnen mit der Küche erfolg­reich gewor­den, die ihnen als Kind schon ver­traut war. Als wür­de man durch Lan­des­kul­tur und Fami­lie vor­pro­gram­miert. Der Koch Mas­si­mo Bot­tu­ra erklärt in der Serie sei­ne Inten­ti­on etwa wie folgt:

„I am try­ing to take you … back to whe­re you were a child.“

Mas­si­mo Bot­tu­ra /​ Chef’s Table /​ Sea­son 1, Epi­so­de 1

Mei­ne Mut­ter ist Ita­lie­ne­rin. Was liegt für mich also näher, als genau die­se Küche bes­ser ken­nen zu ler­nen? Dort hin­zu­ge­hen, wo die Pro­duk­te her­ge­stellt wer­den?

modena_02

Dazu fah­re ich nach Bolo­gna, denn die Regi­on Emi­lia Roma­gna gilt als kuli­na­ri­sches Zen­trum Ita­li­ens. Die bes­ten Gerich­te und Pro­duk­te kom­men aus die­ser Gegend. Sagt man zumin­dest! Ita­lie­ner aus ande­ren Pro­vin­zen wür­den die­ser Aus­sa­ge sofort wider­spre­chen. Denn die Regi­on, aus der sie kom­men, stellt min­des­tens genau­so her­vor­ra­gen­de Spei­sen her.
Sei­en es die her­aus­ra­gen­den Spei­sen und Gerich­te der Emi­lia Roma­gna oder das beson­ders aus­ge­präg­te kauf­män­ni­sche Ver­mö­gen der Bewoh­ner der Regi­on – Fakt ist: die meis­ten berühm­ten ita­lie­ni­schen Lebens­mit­tel stam­men aus der Emi­lia Roma­gna. Allen vor­an der Par­me­san­kä­se, Mor­ta­del­la, Ace­to Bal­sa­mi­co, Lam­brusco, und so wei­ter und so fort.

Ich mache mich also auf den Weg, um die lecke­ren Spei­sen in der Umge­bung von Bolo­gna zu ent­de­cken. Die Stra­ßen­rän­der sind gespickt mit Schil­dern, die zu Lebens­mit­tel­händ­lern, Pro­du­zen­ten und Restau­rants füh­ren. Die Flüs­se sind aus­ge­trock­net und die Luft liegt schwer auf den dür­ren Grä­sern, die sich an einer Ecke bereits ganz ordent­lich ent­flammt haben. 38 Grad im Schat­ten sind im Juli auch für Nord-Ita­li­en unge­wöhn­lich.

MORTADELLA
Genau hier, auf dem tro­cke­nen Land, erle­be ich wie­der die­se Glücks­ge­füh­le, die mich an die Metz­ger-Wurst erin­nern. An die­sen Moment, in dem mir jemand ganz per­sön­lich sei­ne Lecke­rei über­reicht und sich sel­ber freut, weil er genau weiß, wie unglaub­lich gut sie schmeckt. Ich sit­ze im Bus und habe von einer net­ten Flei­sche­rei-Dame einen klei­nen Pro­vi­ant­beu­tel erhal­ten. Gefüllt mit Par­ma­schin­ken, Mor­ta­del­la und Gris­si­ni liegt er auf mei­nen Ober­schen­keln. Mein Grin­sen ist schon recht breit. Nach dem Schin­ken begin­ne ich mit der Mor­ta­del­la, und das Grin­sen reicht nun von einem Ohr zum Ande­ren. Wie recht, Herr Bot­tu­ra doch hat­te!

I am back to whe­re I were a child!

salumi_01 salumi_02

modena_03

PARMIGIANO
Wäh­rend ich genüss­lich vor mich hin grin­se, bringt mich die Bus­li­nie von Fer­ra­ri Pava­rot­ti Land zu Bio Hombre, dem Hof von Umber­to Pani­ni. Er war einer der Pani­ni Brü­der, die die Tüt­chen mit den Fuß­ball­bil­dern erfun­den und her­ge­stellt haben. Umber­to erfand die Maschi­ne, die die Bil­der so mischt, dass nie­mals zwei glei­che Bil­der in einer Packung zu fin­den sind. 2013 ver­starb der Par­me­san- Lieb­ha­ber Umber­to Pani­ni und hin­ter­ließ neben einer zu bewun­dern­den Samm­lung an Mase­r­a­ti Samm­lung  auch einen Par­me­san- Betrieb.

Auf sei­nem Hof, „Bio Hombre“, der seit 1994 das Bio-Sie­gel trägt, lie­fern von 500 Kühen etwa die Hälf­te Milch für die Par­me­san Pro­duk­ti­on. Die Pro­duk­ti­on läuft in einem geschlos­se­nen Kreis­lauf. Das heißt, die hier gezüch­te­ten Kühe bekom­men aus­schließ­lich das bio­lo­gisch ange­bau­te Heu und Getrei­de der umlie­gen­den Fel­der zu fres­sen. 17 Mit­ar­bei­ter, die teil­wei­se mit ihren Fami­li­en auf dem Hof leben, küm­mern sich um die Kühe und die Her­stel­lung des Par­mesans. Der größ­te Teil des Par­mesans wird nach Frank­reich, Deutsch­land, Kana­da und in die USA expor­tiert und dort aus­schließ­lich in Bio-Läden ver­kauft.

biohombre_02
biohombre_01 biohombre_04
biohombre_05

Umber­to Pani­ni mach­te auch den Koch Mas­si­mo Bot­tu­ra auf die Bedeu­tung von Zeit auf­merk­sam. Natür­lich ist Zeit bei einem Jahr­zehn­te lang altern­demn Par­me­san ess­ent­zi­ell, aber Zeit ist für die gesam­te Regi­on um Mode­na ein wich­ti­ger Bestand­teil des Lebens.

„The who­le area is about slow, slow pas­sing of time“

Mas­si­mo Bot­tu­ra /​ Chef’s Table /​ Sea­son 1, Epi­so­de 1

GIUSTI BALSAMICO

Der Bal­sa­mi­co-Essig ist ein wei­te­res die­ser Pro­duk­te der Regi­on, die beson­ders viel Zeit zum Rei­fen benö­ti­gen. Giu­s­ti ist der ältes­te Her­stel­ler der Welt für Bal­sa­mi­co Essig und befin­det sich aktu­ell in den Hän­den der 17. Fami­li­en­ge­ne­ra­ti­on. In ihrem klei­nem Lebens­mit­tel­la­den im Zen­trum von Mode­na began­nen sie 1598 mit der Her­stel­lung von Bal­sa­mi­co und gehö­ren damit zu einen der 30 ältes­ten Unter­neh­men der Welt. Heu­te fin­det man ihre Pro­duk­ti­on in einem hüb­schen Haus außer­halb Mode­n­as.

balsamico_01 balsamico_02 balsamico_03

Das durch Zufall ent­stan­de­ne Pro­dukt (ein Win­zer ver­gaß Lam­brusco Wein in einem Fass) wird mitt­ler­wei­le in etli­chen Aus­prä­gun­gen her­ge­stellt. Sei­ne Anwen­dung ist eben­so viel­fäl­tig und wird nicht nur für Sala­te genutzt: Mitt­ler­wei­le ist es auch in Deutsch­land Mode, Bal­sa­mi­co-Creme auf Eis­sor­ten zu träu­feln, aber er wird auch zur Ver­fei­ne­rung von Fleisch, Käse, Gemü­se oder ande­ren Spei­sen genutzt.

Nach der Ern­te wird die Lam­brusco-Trau­be für 20 Stun­den gekocht und anschlie­ßend ein Jahr lang in einem gro­ßen Fass (Badessa) gela­gert. So erhält man einen sehr jun­gen Bal­sa­mi­co.

Unter­neh­men wie Giu­s­ti fül­len ihre meist 200 Jah­re alten und unun­ter­bro­chen arbei­ten­den Fäs­ser zur Hälf­te mit die­sem jun­gen Bal­sa­mi­co auf. Er bleibt ein wei­te­res Jahr zur Fer­men­ta­ti­on in die­sen Fäs­sern um den übrig­ge­blie­be­nen Zucker in Essig umzu­wan­deln. Weil hier­zu Sau­er­stoff nötig ist, blei­ben die Fäs­ser offen ste­hen. Zum Schutz und zu mei­ner abso­lu­ten Begeis­te­rung nutzt die Fami­lie auch heu­te noch alte, tra­di­tio­nel­le Spit­zen­deck­chen um die Öff­nun­gen in den Fäs­sern zu bede­cken.

Nach die­ser klei­nen Erkun­dungs­tour fah­re ich, gepackt mit Lecke­rei­en, wie­der nach Hau­se, genie­ße heu­te noch mei­nen Käse mit Bal­sa­mi­co Essig und erin­ne­re mich ger­ne an die ruhi­gen, herz­li­chen Men­schen der Emi­lia Roma­gna.

Vie­len Dank an Blog­Ville für die Ein­la­dung und an die Bus­li­nie von Fer­ra­ri Pava­rot­ti Land für die Mög­lich­keit die klei­nen Betrie­be zu besu­chen.

Erschienen am



Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert