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Tag 14: Bhutan

Die­ses klei­ne ver­wun­sche­ne Hima­la­ja König­reich hat mir einen inne­ren Frie­den ver­mit­telt, den ich nir­gend­wo anders erfah­ren habe, Urängs­te geweckt, von denen ich nicht mal wuss­te, dass sie exis­tie­ren, und mich in Situa­tio­nen gewor­fen, die ich mir in mei­nen wil­des­ten Nacht-Schreib-Orgi­en nicht hät­te aus­den­ken kön­nen.

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Ich schlen­de­re nichts­ah­nend in einen Klos­ter­hof, male­risch umrankt von pur­pur­ro­ten Weinacht­stern­blü­ten, und zwei klei­ne Mäd­chen tan­zen engels­gleich mit wei­ßen Bän­dern im Kreis. Die Sze­ne wirkt wie ein Monet-Gemäl­de. Erst auf den zwei­ten Blick rea­li­sie­re ich, wel­chen Gegen­stand die Kin­der so unschul­dig umgar­nen. Ein über­di­men­sio­na­ler, eri­gier­ter Holz­pe­nis, der als Krö­nung sei­ner rea­lis­ti­schen Dar­stel­lung eine Eja­ku­la­ti­on durch wei­ße Bän­der sym­bo­li­siert. Da ste­he ich nun und star­re mit offe­nem Mund auf zwei klei­ne Mäd­chen, die im Samen­er­guss sin­gend um einen Phal­lus hüp­fen. Als mein Gui­de mir unver­mit­telt einen Tee unter die Nase hält, zucke ich zusam­men wie ein Span­ner am Spiel­platz und fra­ge stot­ternd nach dem Hin­ter­grund die­ser unge­wöhn­li­chen Kunst. Mit der Selbst­ver­ständ­lich­keit von Dr. Som­mer erzählt er mir vom berühm­ten Lama Druk­pa Kun­ley, auf des­sen poten­ten Lebens­stil die Phal­lus-Ver­eh­rung in Bhu­tan zurück­geht. Der Gute hat­te es faust­dick zwi­schen den Bei­nen und soll der Legen­de nach die bösen Geis­ter höchst­per­sön­lich mit sei­nem „Magi­schen Don­ner­keil der Weis­heit“ aus­ge­trie­ben haben. Ich muss spon­tan an einen schlech­ten Por­no­ti­tel den­ken und bin erleich­tert als mein Gui­de den Faden die­ser schlüpf­ri­gen Geschich­te ver­liert und etwas Essen gehen möch­te.

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Als der flat­tern­de Vor­hang den Blick auf das Restau­rant frei­gibt, bin ich auf ein­mal mit­ten drin in dem schlech­ten Por­no, des­sen Titel mir gera­de noch durch den Kopf schoss. Der Besit­zer kommt freu­de­strah­lend mit offe­nen Armen und halb offe­nem Bade­man­tel auf mich zu, und begrüßt mich wie einen lang ver­miss­ten Freund. Der Pyja­ma ist eigent­lich das bhu­ta­ni­sche Natio­nal­ge­wand, der Gho, ein knie­lan­ger Man­tel, der locker um die Hüf­ten geschwun­gen wird und viel Raum für Spe­ku­la­tio­nen lässt. Die 20 Plas­tik­ti­sche lie­gen ange­staubt und unbe­rührt vor mir, den­noch wer­de ich mit dra­ma­ti­schen Ges­ten zum bes­ten Tisch des Hau­ses geführt – direkt neben dem bes­ten Stück des Hau­ses – einem detail­ge­treu­en Holz­pe­nis, der mich sit­zend über­ragt. Im Schat­ten des Phal­lus ver­su­che ich, so unbe­ein­druckt wie mög­lich mei­nen Tee zu schlür­fen, wäh­rend mir mein Gui­de vol­ler Stolz den ´Höhe­punkt› des Tages ankün­digt

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„Wir haben Glück und kön­nen gleich noch ein Klos­ter besu­chen, wo du mit einem Phal­lus geseg­net wirst.“ Die Bhu­ta­ner haben einen fei­nen, fast schon bri­ti­schen Humor, aber mei­ne Fra­ge, ob die­se gan­ze ´Phal­lus-Seg­ne­rei› so eine Art „Eyes Wide Shut“-Nummer wird, stößt nur auf ein irri­tier­tes Schul­ter­zu­cken. Und so endet die­ser Tag mit einem eksta­ti­schen Mönch, der man­tra-mur­melnd den „Magi­schen Don­ner­keil der Weis­heit“ über mir krei­sen lässt.

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In 14 Texten um die Welt!

Tag 1: Im Bal­kan
Tag 2: Damas­kus, Syri­en
Tag 3: Petra, Jor­da­ni­en
Tag 4: Sier­ra Leo­ne
Tag 5: Kap­stadt, Süd­afri­ka
Tag 6: Decep­ti­on Island, Ant­ark­tis
Tag 7: La Paz, Boli­vi­en
Tag 8: Havan­na, Cuba
Tag 9: Tijua­na, Mexi­ko
Tag 10: Mel­bourne, Aus­tra­li­en
Tag 11: Sula­we­si, Indo­ne­si­en
Tag 12: Hanoi, Viet­nam
Tag 13: Don Det, Laos
Tag 14: Bhu­tan

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Antworten

  1. Avatar von tammyonthemove
    tammyonthemove

    Ha ha, wie geil. Ich muss­te echt laut lachen, als ich das mit den Maed­chen gele­sen habe. Trotz der Phal­lus­sym­bo­le ueber­all wuer­de ich super ger­ne Buthan besu­chen. Sieht toll aus.

    1. Avatar von Julia
      Julia

      Es ist wirk­lich beein­dru­ckend schön. Und irgend­wann gewöhnt man sich an (fast) alles.

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