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Ich habe mich vergooglet. Sonst stünde ich jetzt nicht vornübergebeugt um mein Gleichgewicht ringend neben einem leicht entnervten Fahrer in einem Rumpelbus mit offenen Türen, ich hätte den 70-Liter-Rucksack nicht mehr auf dem Rücken und den Blick nicht noch immer angestrengt auf fremde Münzen in meiner Hand geheftet. 35 Pesos – und nicht 20 – kostet die Fahrt vom Flughafen in Puerto Vallarta nach Sayulita. Passend, por favor.
Besonders gründlich habe ich ihn nicht geplant, meinen Trip nach Mexiko. Ich wollte nur mal eine Woche raus aus dem Regen in Vancouver. Mich treiben lassen. Sa-yu-li-ta. Zuerst hat es mir der Name angetan. Ein kleines Surfer-Städtchen an Mexikos Pazifikküste. Zehn Minuten nach der Google-Bildersuche (Bunte Wimpel über schmalen Straßen. In Dschungel eingerahmte Strandbuchten.) war der Flug gebucht.
Im Hostel werde ich hineingespült in eine Gruppe von Menschen, die zur selben Zeit hier stranden. Jeder für sich allein. Jeder von ihnen inspirierend. Weil sie so viel richtig machen im Leben. Indem sie es genießen.
Wir sind in Mexiko!
Da ist Saskia aus Freiburg mit ihrer ansteckenden Begeisterung. Mehrmals, wenn wir beim Flanieren durch die Kopfsteinpflasterstraßen im Ort hinter die anderen zurückfallen, greift sie nach meinem Arm, schaut mir in die Augen und sagt: „Susanne! Wir sind in Mexiko!!!“
Da ist Amber aus British Columbia, die beim Schnorcheln ihren Nasenring verliert. Sie hat ihn jahrelang getragen und trauert ihm höchstens vier Sekunden lang nach. Im Wasser streckt Amber die rechte Faust aus und ruft „Superman!“, wenn die Wellen sie erfassen.
Jenny aus San Francisco zieht sich hin und wieder zurück, um E‑Mails für die Arbeit zu schreiben. Der neue Job ist ihr wichtig. Aber sie kann abschalten. Und umschalten. Auf albern. Mit „Dude“, fängt sie viele ihrer Sätze an, wenn sie sich uns wieder anschließt. Jennys Filmzitate-Repertoire ist unerschöpflich.
Und da ist Jesse aus New York. Selbstbewusst bis in die Haarspitzen. Ständig ziehen die Frauen im Hostel seine braunen Korkenzieherlocken lang und lassen sie springen. Zu Hause fährt Jesse zum Surfen mit Wetsuit und Brett mit der U‑Bahn von Brooklyn nach Queens. In Sayulita kehrt er jeden Morgen um neun das erste Mal vom Strand zum Hostel zurück. Da ist er schon zwei Stunden lang gesurft. Klar, deswegen ist er ja hier.
Im Wasser: vier Supermans. Und ich.
Zusammen machen wir uns auf den Weg an einen abgelegenen Strand. Keine anderen Touristen, keine Verkäufer. Wir schauen den Wellen zu. Immer mehr, immer höher werden sie. „Lasst uns Bodysurfen!“, schlägt Amber vor. Eine Minute später stehen wir zu fünft fast brusthoch im Wasser. Und surfen ohne Brett. Die anderen tun es Amber gleich. Welle für Welle. Wenn die vier Supermans doch mal heillos untergehen, tauchen sie schreilachend wieder auf und laufen gleich wieder zurück ins Meer.
Aber ich?
Ich tue mich schwer. Nie bin ich schnell genug, immer im falschen Moment an der falschen Stelle. Wenn die Welle bricht, stehe ich ihr im Weg, statt lässig unter ihr hindurchzutauchen. Die Brandung drückt und reißt mit immer mehr Wucht, ich werde herumgewirbelt, schlage Purzelbäume. Mir geht die Kraft aus. Salz brennt in meinen Augen, in meiner Nase, in meinem Rachen. Ich gebe auf. Und beobachte lieber vom Ufer aus die Kamikaze-Pelikane, die das Meer nach Beute abscannen und sich dann senkrecht hineinstürzen.
Bis die anderen aus dem Wasser kommen. „Der Trick“, sagt Jesse und wirft seine nasse Mähne nach hinten, „ist, nicht dagegen anzukämpfen. Du musst dich einlassen auf die Wellen.“ Genau wie auf Veränderungen. Genau wie auf Gefühle, denke ich. Es ist, wie wenn das Leben Wogen schlägt: Dann musst du es fühlen wollen, dich einlassen, mitgehen. Denn Stehenbleiben ist Schmerz. Und Schmerz ist kein Gefühl. Schmerz ist nur Widerstand, das „Nein!“ zu allem, was ist.
Gleich wieder aufspringen
Zum richtigen Surfen am nächsten Tag bin ich mäßig motiviert. Jesse hat sich bereit erklärt, Amber, Jenny, Saskia und mir eine Surfstunde zu geben. „Paddeln, du musst paddeln!“, ruft er, als ich den richtigen Moment schon wieder zu verpassen drohe. Natürlich falle ich die ersten drei Male sofort wieder vom Brett. Jesse sieht meine Entmutigung, das „Ich habe es doch gleich gesagt!“ in meinen Augen.
„Wie oft bist du runtergefallen?“ fragt er mich.
„Dreimal.“
„Und wie oft bist du wieder aufgesprungen?“
„Viermal.“
„Ganz genau!“, sagt mein Surflehrer und grinst. Er hat mein Brett längst wieder in die richtige Richtung gedreht. Mit der flachen Hand klopft er auf die Mitte und bedeutet mir, mich schnell wieder draufzulegen.
Denn da kommt sie schon, die nächste Welle.
Und sie ist groß. Ich höre auf Jesses Startsignal, paddle mit den Armen los und drehe mich nicht mehr um. Ich spüre, wie die Welle mich erfasst. Ganz ruhig bleibe ich dieses Mal. Sie trägt mich. Und trägt mich. Sie trägt mich fast bis zum Ufer. Erst im kniehohen Wasser wirft sie mich sachte ab. „WOOOOOOHOOOOOHOOOOOOO!“, höre ich Jesses sich überschlagende Stimme. Ich drehe mich um. Er hat beide Daumen nach oben gestreckt. „Suzanna, das war GEIL!!!“, schreit er. Ich lächle und winke ihm zu.
Bei den nächsten Malen fliege ich früh vom Brett. Aber ich lande immer auf den Füßen. Und versuche es gleich noch mal.
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Dein Beitrag ist richtig klasse – aber dieses farbenfrohe Foto, das den Ort zeigt, ist der pure Wahnsinn!
Ich habe anfangs sogar gerätselt, ob es sich um eine Art »Wäscheleine« handelt 😉 Aber wenn man Deinen Beitrag genau liest (»…Minuten nach der Google-Bildersuche… Bunte Wimpel über schmalen Straßen…) scheint das tatsächlich der eigentliche Anstoß für Deine Reisebuchung gewesen zu sein.
Jedenfalls ein toller Beitrag – auch für Nicht-Surfer!
Hi Alexander, ich danke Dir! Ja, so sieht Sayulita aus, ein hübsches Örtchen. Ich hatte mit dem Flug die Wahl zwischen Puerto Vallarta (da in der Nähe liegt Sayulita) und Cancún und war am Ende nicht traurig, mich für die Westküste entschieden zu haben. Viele haben mir gesagt, sie sei wesentlich ursprünglicher. Die andere Seite, die karibische, möchte ich dennoch auch noch sehen. Danke!
Ich war auch dieses Jahr zum ersten Mal surfen und habe total Blut geleckt! Im Februar gehts nach Fuerteventura und ich bin schon so aufgeregt. Aber Mexiko wär ja auch mal der Hammer!
Hi, das hört sich toll an, ich wünsche Dir dabei viel Spaß. Ein richtiger Surfurlaub wäre mir ja viel zu anstrengend. Stimmt, Mexiko war schön – zumindest Sayulita gefiel mehr sehr. Mehr habe ich vom Land ja nicht gesehen. Liebe Grüße!
Großartig geschrieben! Ich kann so gut mitfühlen, habe selbst erst vor kurzen einen Surfurlaub gewagt (http://cicoberlin.com/2015/10/05/surfen/) und war auch oft vom Frust geprägt, einfach ist das nicht. Aber Wohoooo:)
Vielen Dank, das freut mich. Gute Anleitung hast Du da! Du scheinst es, im Gegensatz zu mir, auch wirklich gelernt zu haben.
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