So viel Licht am Ende des Tunnels

»Bos­ni­en war ein­mal ein König­reich«, sagt Jas­min Has­a­no­vic. »Wenn wir ster­ben, brau­chen wir kein Para­dies. Wir leben schon in einem.« Ich schaue Jas­min rat­los an. War das ein ver­klär­ter Rück­blick auf ver­gan­ge­ne Zei­ten? Ver­blen­de­ter Patrio­tis­mus? Oder tro­cke­ner Humor, geba­cken in Zei­ten der Not mit ihrer eige­nen absur­den Komik?

Eigent­lich kann das nur Sar­kas­mus gewe­sen sein: Bos­ni­en, ein Para­dies. Aber was weiß ich schon? Bos­ni­en, den­ke ich, das war doch der ers­te Geno­zid in Euro­pa nach dem Zivi­li­sa­ti­ons­bruch der Deut­schen. Der Viel­völ­ker­staat Jugo­sla­wi­en war zer­fal­len, und die Frat­ze des Ras­sen­has­ses zeig­te sich ohne Scham.

Jas­min lenkt das Auto in Rich­tung Süden über die brei­te Aus­fall­stra­ße. Sein Name gehört hier nicht den Frau­en, son­dern den Män­nern. Der Bos­nia­ke ist ein stäm­mi­ger Typ. Glat­ze, abge­brüh­tes Lächeln. Nicht fies, eher leicht melan­cho­lisch. Auf sei­nem T‑Shirt steht kein Name einer Metal-Band, son­dern »I love Buda­pest«.

Wir sind unter­wegs in der Stadt, die neben Sre­bre­ni­ca wie kei­ne ande­re für das Grau­en des Bos­ni­en­krie­ges in den neun­zi­ger Jah­ren stand: Sara­je­vo. Die bela­ger­te Stadt. Wo der Tod vor der Haus­tür war­te­te. Wo die Kugeln in die Kin­der­zim­mer flo­gen.

»Im Krieg wirst du schnell erwach­sen«, sagt Jas­min. »Ich war damals zwölf, aber eigent­lich war ich schon zwan­zig.«

Damals – das war, als ser­bi­sche Mili­zen, die Tschet­niks, ihre Geschüt­ze auf den Hügeln rund um die Stadt pos­tier­ten und die bos­ni­schen Mus­li­me von der Außen­welt abschnit­ten. Als die Welt abends vom Sofa durch den Fern­se­her auf den Bal­kan schau­te. Sara­je­vo war 1425 Tage ein­ge­kes­selt, die längs­te Bela­ge­rung einer Stadt im 20. Jahr­hun­dert.

Sara­je­vo: ein Name, der ton­nen­schwe­re Gewich­te trägt. Sein Klang ist immer noch bedrü­ckend, zumin­dest für einen Rei­sen­den, der nur die Geschich­ten von damals kennt. Sara­je­vo, ein Name so asch­grau wie das Gesicht einer trau­ern­den Mut­ter.

Doch die Zeit näht alle Wun­den mit beharr­li­cher Nadel. Sara­je­vo heu­te: eine moder­ne Sight­see­ing-Metro­po­le. Der Krieg ist vor­bei. Aber er ist trotz­dem noch da. Er hat die Fas­sa­den der Häu­ser ver­sehrt und die Erin­ne­run­gen der Men­schen.

Wo Scharf­schüt­zen ein­mal Brust­kör­be ins Visier nah­men, hän­gen heu­te Blu­men­käs­ten vor den Fens­tern. Ich bin mit Jas­min in den Vor­ort But­mir gefah­ren, süd­lich des Flug­ha­fens gele­gen. Vie­le Häu­ser hier sind frisch gestri­chen, Him­bee­ren und Rosen blü­hen in den Vor­gär­ten. Schup­pen, Gewächs­häu­ser, Wäsche an der Lei­ne, ein Hund bellt: die Idyl­le der Peri­phe­rie. Kein Mensch ist zu sehen. Ab und zu tuckert ein Auto vor­bei.

Wir hal­ten vor einem Haus, das kom­plett unschein­bar aus­sä­he, wären da nicht die vie­len Ein­schuss­lö­cher auf der Fas­sa­de. Dazu schä­bi­ger Putz, ver­na­gel­te Fens­ter. Dies ist das Tun­nel-Muse­um, Adres­se Uli­ca tun­neli 1, von außen sieht es aus wie ein geplün­der­tes Bau­ern­haus. Doch ohne das umkämpf­te Gebäu­de wür­de es das Sara­je­vo von heu­te so nicht geben. Hier lag der Ein­gang zum »Tun­nel des Lebens«. Der Name ist ver­dient.

Der Flug­ha­fen von Sara­je­vo war am Anfang der Blo­cka­de der schwächs­te Punkt des Bela­ge­rungs­rings und ein Kor­ri­dor nach drau­ßen. Woll­ten die Men­schen aus der Stadt oder wie­der hin­ein, muss­ten sie vier­hun­dert­fünf­zig Meter über das Flug­feld sprin­ten. Das wur­de »fast zu einer sport­li­chen Dis­zi­plin«, steht auf einer Muse­ums­ta­fel. Die UN über­nahm den Flug­ha­fen 1992 von den Ser­ben, was die Bela­ge­rung kei­nes­wegs been­de­te. Zwar wur­de eine Luft­brü­cke ein­ge­rich­tet, doch der Trans­fer von Trup­pen und Zivi­lis­ten über das Flug­feld blieb streng ver­bo­ten. Und so fin­gen die Bos­nia­ken an, einen Tun­nel zu gra­ben.

Vier Mona­te und vier Tagen schuf­te­ten die Män­ner fast ohne Pau­se: Sie schweiß­ten Metall­stre­ben in Sara­je­vos Fabri­ken, schlu­gen Bäu­me in den Wäl­dern außer­halb der Stadt, leg­ten Stark­strom- und Treib­stoff­lei­tun­gen. Sol­da­ten, Waf­fen, Muni­ti­on, Medi­ka­men­te, Lebens­mit­tel, die Kriegs­wäh­rung Ziga­ret­ten: Alles gelang­te durch den Tun­nel in die Stadt.

»Für vier Stan­gen Ziga­ret­ten konn­te man in der Stadt ein Fahr­rad kau­fen«, erin­nert sich Jas­min. Er selbst beschaff­te sich fei­ne Marl­bo­ros im Holi­day Inn, dem Hotel der Kri­sen­re­por­ter, und ver­kauf­te sie in der Stadt mit Auf­schlag wei­ter. Ande­re leg­ten die Geschäf­te offen­sicht­lich brei­ter an: »Es gibt unge­fähr drei­ßig Mul­ti­mil­lio­nä­re in Sara­je­vo, von denen eini­ge im Krieg reich wur­den. Vie­le hat­ten ein gro­ßes Inter­es­se an der Bela­ge­rung.« Hun­dert­tau­sen­de ein­ge­schlos­se­ne Men­schen waren ein pro­fit­träch­ti­ger Markt. Was bedeu­tet schon drei­fa­cher Preis, wenn es am Nötigs­ten fehlt? Was, wenn es mor­gen nichts mehr gibt?

Ich stei­ge hin­un­ter in den Tun­nel, von dem heu­te noch fünf­und­zwan­zig Meter für Tou­ris­ten geöff­net sind. Das Herz des Muse­ums sieht aus wie ein gewöhn­li­cher Berg­werks­schacht. Längst ins Erd­reich gezo­gen sind Schweiß, Trä­nen, Blut, Adre­na­lin und Todes­angst, die hier ein­mal das Mikro­kli­ma bil­de­ten.

Im übri­gen Muse­um sind Relik­te des Krie­ges aus­ge­stellt: ein Fahr­rad; ein Gene­ra­tor; alte Tret­mi­nen; der ros­ti­ge Last­wa­gen des »cra­zy dri­ver«, der die Men­schen vom Tun­nel weg in die Ber­ge brach­te, nachts und ohne Licht; ein Loren­wa­gen, in dem die Ver­wun­de­ten trans­por­tiert wur­den; das unge­lieb­te Dosen­fleisch ICAR der Ame­ri­ka­ner, noch aus Zei­ten des Viet­nam­kriegs, dem in Sara­je­vo ein iro­ni­sches Denk­mal errich­tet wur­de. »Das haben nicht ein­mal Hun­de geges­sen«, sagt Jas­min.

Eine Doku­men­ta­ti­on zeigt Geschäfts­leu­te mit Hut, Man­tel und Akten­ta­sche, die über Stra­ßen spur­ten, um nicht erschos­sen zu wer­den: Kriegs­all­tag damals, sur­rea­ler Irr­sinn.

Sol­che Sze­nen sind weit weg, wenn man heu­te durch Sara­je­vo spa­ziert. Kei­ne Gefahr geht aus von die­ser Stadt. Auch erfolgt die Anrei­se nicht mehr durch einen Tun­nel, son­dern ganz con­ve­ni­ent mit der Luft­han­sa ab Mün­chen oder Wien.

Eine bos­ni­sche Kol­le­gin hat­te mir vor der Rei­se ver­spro­chen: Du wirst her­zens­gu­te Men­schen tref­fen. Sie hat nicht über­trie­ben. Im Flug­zeug kom­me ich mit Jas­mi­na ins Gespräch, einer Archi­tek­tin, die in Wien einen Kon­gress besucht hat. Wo ich hin­müs­se, fragt sie. In die Alt­stadt, wo alle Rei­sen­den über­nach­ten. Ihre Toch­ter kön­ne mich mit­neh­men, sagt sie, die hole sie näm­lich ab, da kön­ne ich mir das Geld für das Taxi spa­ren. So per­sön­lich habe ich mir den Emp­fang nicht vor­ge­stellt.

Auch Jas­mi­na floh wäh­rend der Bela­ge­rung durch den Lebens­tun­nel, mit ihren zwei Kin­dern. «Es war sehr eng.« Das weiß sie noch. Mei­ne unbe­hol­fe­ne Pau­schal­fra­ge: Wie ist das Leben heu­te in Bos­ni­en? Puh. Jas­mi­na über­legt kurz, wäh­rend ihre Toch­ter das Auto durch die Nacht lenkt. Es kom­me nichts vor­an. »Wenn im Fern­se­hen auf einem Sen­der Fuß­ball läuft und auf dem ande­ren die Poli­ti­ker reden, dann ent­schei­de ich mich für Fuß­ball.« Die adret­te Frau sieht nicht aus wie ein Fuß­ball­fan.

Wer Sara­je­vo betritt, die Stadt in sich auf­neh­men will, der beginnt auf dem Bas­car­si­ja-Platz mit dem Sebilj-Brun­nen in der Mit­te. Ein ein­zel­ner Baum, umringt von Bän­ken, trägt grü­ne Blät­ter. Dunk­le Wol­ken quel­len am Hori­zont, doch Löcher im Him­mel las­sen die Son­ne durch. Som­mer­hit­ze will sich ent­la­den. Gro­ßer Tru­bel, vie­le Tou­ris­ten.

Man­che sit­zen auf Plas­tik­stüh­len in einem der Imbis­se und essen Ceva­pi, Hack­fleisch-Röll­chen mit Brot und Zwie­beln, sonst nichts, der Salat ist mehr Deko­ra­ti­on. Oder sie durch­schrei­ten die Men­ge mit Trek­king­san­da­len und Bauch­ta­sche, sicher aus gutem Grund sehr eilig. Kin­der jagen Tau­ben, ohne sie je zu erwi­schen. Wenn ein Mäd­chen sorg­los Brot auf den Boden wirft, wen­den sich die Häl­se um. Der Mann mit der Fut­ter­ton­ne macht ein groß­ar­ti­ges Geschäft. Hei­te­res Durch­ein­an­der.

Mode­ge­schmack heißt für die bos­ni­schen Män­ner, teu­re Mar­ken­stü­cke irgend­wie zu kom­bi­nie­ren. Wich­tig ist, dass etwas wie Arma­ni auf dem Shirt steht. Pla­ka­ti­ve Sta­tus­be­rich­te auf dem Weg nach oben, bal­di­gen Erfolg ankün­di­gend.

Ich sit­ze da in der Som­mer­hit­ze und trin­ke Kaf­fee – der ist wich­tig hier. Drei Ritua­le kennt der Tag in Sara­je­vo, erklärt mir eine Bos­nie­rin: Mor­ning cof­fee, gos­sip cof­fee, fuck off cof­fee (Man ver­dünnt nur noch mit Was­ser, um dem Gegen­über zu zei­gen: Es ist Zeit zu gehen).

Star­bucks gibt es hier nicht, denn kei­ner will Kaf­fee im Papp­be­cher, den man ver­huscht und abwe­send im Gehen trinkt. Man will am bes­ten sit­zen und plau­dern, zumin­dest aber sit­zen. Ich habe das Pri­vi­leg, für mich zu sein und doch in Gesell­schaft. Merak, sagen sie hier, kaum zu über­set­zen. Es heißt so etwas wie: den Moment genie­ßen.

Rund um den Bas­car­si­ja-Platz im osma­ni­schen Alt­stadt-Vier­tel erin­nert Sara­je­vo tat­säch­lich an Istan­bul. In der Fuß­gän­ger­zo­ne mit Fas­sa­den im Grün­der­zeit­stil, kei­ne zehn Minu­ten ent­fernt, ist es Buda­pest. Wei­ter im Süden drückt sich die sozia­lis­ti­sche Vor­stadt-Archi­tek­tur grau gen Him­mel. In Sara­je­vo spa­ziert man durch Jahr­hun­der­te, die gro­ße Rei­che schu­fen und wie­der zer­fal­len lie­ßen. Die Stadt an der Mil­ja­cka altert strom­auf­wärts. Ich lau­fe in zwei Rich­tun­gen durch die Geschich­te.

Die Osma­nen kamen im 15. Jahr­hun­dert und brach­ten den Islam auf den Bal­kan. Sie errich­te­ten die Kai­ser­mo­schee, noch heu­te Sitz des bos­ni­schen Groß­muf­tis; die Kara­wan­se­rei mit dem alten Baum im Hof; und die Alt­stadt, grob gemau­er­te Häu­ser, Auf­bau­ten aus Holz, dar­über Schräg­dä­cher mit roten Schin­deln, in den klei­nen Läden Kup­fer­ser­vice, wohin man auch schaut. Aus dem Dorf wur­de damals eine Stadt. Ihr Name geht auf das tür­ki­sche Wort saray zurück, für Palast. So sah der Stadt­hal­ter wohl sei­ne Ansied­lung.

Die k.u.k. Mon­ar­chie ver­web­te Sara­je­vo mit den Geschi­cken der euro­päi­schen Groß­mäch­te: Bos­ni­en ging 1878 an Öster­reich-Ungarn. Büche­rei­en ent­stan­den in Sara­je­vo, Schu­len, Thea­ter, eine Uni­ver­si­tät, die ers­te Tram Euro­pas. Ich set­ze mich in den ver­blass­ten Schat­ten die­ser Epo­che, ins ele­gan­te Hotel Euro­pa, und trin­ke im Saal im Erd­ge­schoss einen Kaf­fee. Mitt­ler­wei­le heißt die fei­ne Adres­se Hotel Euro­pe, klingt inter­na­tio­na­ler.

Euro­pa, wel­che Pracht! Und wel­che Abgrün­de. Das Völ­ker­ster­ben des Ers­ten Welt­kriegs nahm in Sara­je­vo sei­nen Anfang – durch einen Schuss. Der ser­bi­sche Extre­mist Gavri­lo Prin­cip ermor­de­te auf der Latei­ner­brü­cke den öster­reich-unga­ri­schen Thron­fol­ger Franz Fer­di­nand, und wegen einer völ­lig wahn­wit­zi­gen Bünd­nis­po­li­tik der Groß­mäch­te stand bald ganz Euro­pa in Flam­men. Die Donau­mon­ar­chie ging eben­so unter wie das Osma­ni­sche Reich. Sara­je­vo hat die frem­den Mäch­te abge­schüt­telt und glei­cher­ma­ßen in sich auf­ge­nom­men.

An das fol­gen­rei­che Atten­tat von 1914 erin­nert eine Stein­ta­fel, die man leicht über­sieht. Das ange­schlos­se­ne Muse­um ist etwas bemit­lei­dens­wert. Autos bret­tern vor­bei, geschichts­ver­ges­sen, wie mir sinn­lo­ser Wei­se scheint, und die Mil­ja­cka schleppt sich als dür­rer Strom durch hit­ze­schwe­re Luft.

Und wohin strebt der Zei­ten­fluss in Sara­je­vo? Nach Mek­ka, fürch­ten man­che. Die Sau­dis inves­tie­ren kräf­tig in die Stadt. Sie kau­fen Land, zie­hen Vil­len hoch.

Den 74 Meter hohen Wol­ken­krat­zer in Sara­je­vos City mit drei­stö­cki­ger Mall und Luxus­ho­tel hat die sau­di­sche Al-Shid­di-Grup­pe gebaut, für 50 Mil­lio­nen Euro. Im Nord­os­ten der Stadt ent­steht eine gated com­mu­ni­ty für rei­che Sau­dis, Emi­ra­tis, Kuwai­tis und Kata­ris. Der Herr­scher Ras al-Khai­mahs, Scheich Sa’ud ibn Saqr al-Qasi­mi, hat in den Ber­gen ober­halb der Stadt das »Sun­ny­land« errich­ten las­sen, ein Aus­flugs­are­al mit Som­mer­ro­del­bahn.

Die Golfa­ra­ber, Bewoh­ner der Wüs­te, schät­zen das mus­li­mi­sche Sara­je­vo für ihre Glau­bens­brü­der – und für die fri­sche Luft, das sat­te Grün in den Hän­gen. Das arme Bos­ni­en ist außer­dem lächer­lich güns­tig für sie.

Der Ein­fluss der neu­en Gäs­te vom Golf ist in Sara­je­vo nicht zu über­se­hen. Die Was­ser­pfei­fe erlebt seit weni­gen Jah­ren eine Renais­sance, sehr zu mei­ner Freu­de. Über­all kann man nar­gi­le rau­chen, bekommt dann aber meist kein Bier. In mei­nem Hotel gehen Män­ner in Dish­da­sha und voll ver­schlei­er­te Frau­en ein und aus. Die Ara­ber sind nicht unwill­kom­men in der Stadt, denn sie brin­gen Geld, und das zählt erst ein­mal. Aber sie tre­ten oft auf wie neue Her­ren.

Auf dem Bas­car­si­ja-Platz bückt sich eine Frau im Niqab hin­un­ter zu den Tau­ben, am Arm eine Desi­gner­hand­ta­sche. Ande­re ara­bi­sche Frau­en tra­gen nur Kopf­tuch, zu rie­si­gen Luxus-Son­nen­bril­len, als müss­ten sie sich auf dem Weg ins Café pro­mi­nen­ten­gleich vor Papa­raz­zi ver­ste­cken. Ein ara­bi­scher Tou­rist schiebt einen Kin­der­wa­gen, dar­in aber nur Ein­kaufs­tü­ten. Der Jun­ge muss lau­fen. Vie­le ara­bi­sche Män­ner haben ihre tra­di­tio­nel­le Tracht in der Hei­mat gelas­sen und sehen nun aus wie Beach Boys: dün­ne Ärm­chen in grel­len T‑Shirts. Die Söh­ne neben mir am Tisch schau­en ver­wöhnt und unbe­frie­digt. Zur Bedie­nung sagen sie nicht bit­te und dan­ke, son­dern »Ket­chup!« Sie spu­cken nur ein­zel­ne Wor­te aus wie ver­dor­be­nes Fleisch.

Vie­le Ara­ber sind natür­lich harm­los und nett. Sie brin­gen bloß mit, was die meis­ten ande­ren Tou­ris­ten auch im Gepäck haben: eine erfreu­lich pral­le Rei­se­kas­se, eine Por­ti­on Unbe­hol­fen­heit und ein paar kru­de hei­mat­li­che Über­zeu­gun­gen, über die man als Ein­hei­mi­scher nur mil­de den Kopf schüt­telt. Aber ein paar Din­ge lau­fen in Bos­ni­en schon grund­sätz­lich anders als auf der ara­bi­schen Halb­in­sel.

Die Ara­ber sei­en die schlimms­ten, erzählt Ami­na, eine jun­ge Bos­nie­rin mit Kopf­tuch und rie­si­gen, strah­len­den Augen. Sie könn­ten nicht kom­mu­ni­zie­ren und wür­den sofort anzüg­lich, als wüss­ten sie nicht, wie man sich einer Frau nähert, die ihnen nicht zuge­wie­sen wur­de. Ob sie mit der Hand manch­mal an sich her­un­ter­ge­he, sol­che Din­ge frag­ten die Typen gleich im drit­ten Satz. Indis­ku­ta­bel sei das und ein ziem­li­ches Trau­er­spiel. Ein Kuwai­ti, erzählt Ami­na, habe sie allen Erns­tes auf der Stel­le hei­ra­ten wol­len, wegen der Augen. Sie habe nur gelacht. »Ich tra­ge mein Kopf­tuch aus Über­zeu­gung«, sagt die blitz­ge­schei­te jun­ge Frau. Wir sit­zen in der Alt­stadt bei einer Was­ser­pfei­fe zusam­men.

Ami­na hat sich das Eng­lisch selbst bei­gebracht, im Gespräch mit Tou­ris­ten. Sie arbei­tet für eine Forst­fir­ma, Logis­tik. Sie hat also Glück gehabt. Die Per­spek­ti­ven für jun­ge Leu­te sind schlecht. Es gebe da einen Witz. War­um ist der Kaf­fee in Bos­ni­en so gut? Weil er über­all von Stu­den­ten mit so guten Uni-Abschlüs­sen gemacht wird.

Ami­na ist sehr reli­gi­ös. Für sich selbst, sagt sie, und ich habe kei­nen Zwei­fel dar­an. Ihre Freun­din­nen trü­gen Mini­rö­cke und Spa­ghet­ti-Tops, alles kein Pro­blem. Aber sie selbst spa­re sich auf. Kein Sex vor der Ehe und so. Wür­de der Vater einen Chris­ten als Freund akzep­tie­ren? Das könn­te schwie­rig wer­den, sagt Ami­na. Ihr gro­ßer Bru­der schaut kurz vor­bei. Im nächs­ten Moment hat er für uns schon gezahlt und ist ver­schwun­den.

Ami­na ist mit ihrer wert­kon­ser­va­ti­ven Ein­stel­lung eher die Aus­nah­me in Sara­je­vo. An einem Frei­tag­abend ist Par­ty­volk auf den Stra­ßen unter­wegs, die Bars sind voll. In einem Park tref­fe ich Mia, 21, die im Moment in Wien stu­diert, und Ami­ra, 22, in Nürn­berg gebo­ren, ein Jahr nach dem Krieg. Bei­de sind Mus­li­me und trin­ken bil­li­gen Schnaps. Rama­dan ist gera­de vor­bei, da gibt es Nach­hol­be­darf.

Mia hat einen christ­lich-ortho­do­xen Freund. Kein Pro­blem sei das. »Die Poli­ti­ker kom­men nicht klar, aber die Men­schen schon«, sagt sie. Zwar könn­ten sich die drei Volks­grup­pen (mus­li­mi­sche Bos­nia­ken, christ­lich-ortho­do­xe Ser­ben, katho­li­sche Kroa­ten) nicht aus­ste­hen, aber man hal­te es aus mit­ein­an­der. Will sie nach dem Stu­di­um hier­blei­ben? »Der durch­schnitt­li­che Monats­lohn sind 400 Euro«, ant­wor­tet Mia. Noch ein Schluck aus dem Fläsch­chen, es schmeckt ganz grau­sig. Dann bre­chen sie auf in die Nacht.

Es ist ein Schau­spiel: Wie sich die Nacht über Sara­je­vo legt. Eines Abends stei­ge hin­auf zur Gel­ben Fes­tung, einem belieb­ten Aus­sichts­punkt. Holz­ve­ran­da, Pick­nick­ti­sche unter Bäu­men, ein Rund­weg ent­lang der alten Mau­er des Kas­tells. Der Blick fällt in den Tal­kes­sel von Sara­je­vo, ver­liert sich in der Fer­ne.

Zuerst gehen die Stra­ßen­la­ter­nen an. Die Son­ne ver­sinkt hin­ter den Hügeln im Wes­ten, dann leuch­ten die Mina­ret­te. Um vier­tel vor neun begin­nen die Muez­zins mit dem Gebets­ruf. Schat­ten über­nimmt das Tal. Letz­te Wol­ken glü­hen am Him­mel wie die Koh­le der Was­ser­pfei­fen rund um den Bas­car­si­ja-Basar, irgend­wo dort unten im Markt­vier­tel.

Der Ruf zum Gebet ist kein Signal für Ein­kehr und Besin­nung, es scheint mir genau anders­her­um zu sein: Jetzt fül­len sich die Stra­ßen, das Nacht­le­ben erwacht, als rie­fen die Moscheen nicht zu einem reli­giö­sen Ritus auf, son­dern zu Aus­ge­las­sen­heit, zu säku­la­ren Freu­den. Dann leuch­ten auch alle Wer­be­ban­ner und Fas­sa­den­lich­ter. Die Beob­ach­ter auf der Gel­ben Fes­tung aus Deutsch­land, Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en und vom Golf schau­en still dabei zu, wie der Tag lang­sam abblen­det, ohne zu Ende zu gehen.

Ein jun­ger Ame­ri­ka­ner hat lei­der sei­nen tra­vel bud­dy aus dem Hos­tel wie­der­erkannt und stellt jetzt laut­stark unin­ter­es­san­te Small­talk-Fra­gen. Die Pene­tranz des Gesprächs stört die abend­li­che Ruhe und steht in einem ungüns­ti­gen Ver­hält­nis zur Ahnungs­lo­sig­keit des Spre­chen­den. Er ist der Bar-und-Hos­tel-Welt jun­ger Back­pa­cker ent­stie­gen auf die­sen Hügel, aber gedank­lich steckt er noch bei der Fra­ge, wo das güns­tigs­te Bier zu bekom­men wäre.

Vie­le Tra­vel­ler wis­sen wenig, trotz Inter­net und Wiki­pe­dia. Eine jun­ge Bri­tin beich­tet mir: »Als ich nach Sara­je­vo kam, wuss­te ich nicht, dass es hier mal einen Krieg gege­ben hat.«

Wer ein­mal in Sara­je­vo ist, über­sieht die Spu­ren des Krie­ges nicht. Zwi­schen Gel­ber Bas­ti­on und osma­ni­schem Vier­tel erstreckt sich ein Fried­hof, einer von vie­len in Sara­je­vo. Die Todes­ta­ge auf den Grab­stei­nen berich­ten von Men­schen, die viel zu früh star­ben.

Der Krieg, er hat damals die gan­ze Stadt erschüt­tert. Ich fah­re mit dem Bus durch die Tra­ban­ten­städ­te aus sozia­lis­ti­scher Zeit, abseits des Sight­see­ing-Sara­je­vos. »B3« steht in rie­si­gen Let­tern auf einem Wohn­turm, zehn oder fünf­zehn Stock­wer­ke hoch. An einem ande­ren Gebäu­de prangt das Loch eines Gra­nat­ein­schlags auf der Fas­sa­de, so groß wie ein Cam­ping­tisch. Nie­mand hat den Scha­den besei­tigt, über die Fens­ter kommt man nicht ran.

Jugo­sla­wi­en zer­brach 1991 – aber eigent­lich schon frü­her. Wie sagt Jas­min Has­a­no­vic? Jugo­sla­wi­en starb mit Tito. Das war 1980. Danach ging es berg­ab. Ein Glanz­mo­ment: die Olym­pi­schen Win­ter­spie­le 1984. Doch die alte Bob­bahn in den Wäl­dern ober­halb der Stadt ist ver­fal­len und schil­lert unge­sund in allen Far­ben des Schim­mels. Das Café Tito, unweit des bos­ni­schen Natio­nal­mu­se­ums, hul­digt nost­al­gie­reich der alten Zeit. Kriegs­ge­rät steht im Gar­ten, ein leich­ter Pan­zer, eine Hau­bit­ze.

Von hier ist man gleich auf der eins­ti­gen Sni­per Alley. Wäh­rend der Bela­ge­rung war die heu­ti­ge Haupt­ver­kehrs­stra­ße Zma­ja od Bos­ne ein lebens­ge­fähr­li­cher Ort. Ser­bi­sche Hecken­schüt­zen hock­ten in den nahen Hoch­häu­sern und nah­men von dort aus Zivi­lis­ten ins Visier, auch Kin­der. »War­um zwei Kugeln ver­geu­den?«, frag­te damals ein ser­bi­scher Scharf­schüt­ze die Poli­zei. »Wenn ich ein Kind töte, dann töte ich auch die Mut­ter.«

Als ich spä­ter in den Süd­os­ten des Lan­des rei­se, in die Repu­blik Srps­ka, eine der zwei Enti­tä­ten mit eige­ner Ver­wal­tung und eige­nen Geset­zen, da höre ich die Schau­er­ge­schich­ten der ande­ren Sei­te: Die Mus­li­me hät­ten damals Muja­hed­din aus Asi­en ange­heu­ert, erzählt mir ein ser­bi­scher Natur­freund. Die hät­ten mit abge­schnit­te­nen Köp­fen Fuß­ball gespielt. Die Wahr­heit eines Krie­ges hängt ganz oft davon ab, wen man fragt.

An die­sen Zah­len ist wenig zu rüt­teln: Im Schnitt fie­len wäh­rend der Bela­ge­rung Sara­je­vos täg­lich 329 Gra­na­ten auf die Stadt, an einem Tag waren es sogar 3777. Am Ende wur­den 11.541 Tote iden­ti­fi­ziert, dar­un­ter 1600 Kin­der. Doch was kön­nen sol­che Zah­len fass­bar machen? Eigent­lich nichts. Das dach­te sich auch Jas­min­ko Hali­lo­vic – und hat­te eine Idee.

Zuerst sam­mel­te der jun­ge Bos­ni­er Kriegs­ge­schich­ten von Kin­dern für ein Buch. Short Sto­rys, oft nur Anek­do­ten, zwangs­läu­fig lako­nisch und bestür­zend scharf­sich­tig: »Sni­per kil­led my brot­her. It kil­led my child­hood too.« Der Name des Pro­jekts: War Child­hood.

Immer mehr Kin­der woll­ten dabei sein, man­che schick­ten auch Foto­gra­fien von Gegen­stän­den, die ihnen im Krieg wich­tig waren. Doch die pass­ten nicht zum Kon­zept des Buches. Also, dach­te sich Jas­min­ko, müss­te man sie aus­stel­len. Und so eröff­ne­te er 2016 das War Child­hood Muse­um in Sara­je­vo, fünf Geh­mi­nu­ten vom Sebilj-Brun­nen ent­fernt.

Nicht die gro­ßen Zusam­men­hän­ge wer­den in den Räum­lich­kei­ten ver­an­schau­licht, son­dern die pri­va­ten Tra­gö­di­en des Krie­ges – durch ein Kleid, eine vom Gra­nat­split­ter auf­ge­schlitz­te Adi­das-Müt­ze oder ein Dosen­fleisch (Pâté de Boeuf). Ein Mäd­chen namens Meli­ha zeigt einen blau­en Stoff­ha­sen, der ihrem Bru­der gehör­te; der Jun­ge wur­de in den Armen der Mut­ter erschos­sen. Eine Emi­na zeigt den gefälsch­ten Pass, mit dem sie in die Hei­mat zurück­keh­ren konn­te. Denisa: ein bun­ter Kin­der­zau­ber­stab aus einem Hilfs­pa­ket. Abra­c­ab­dra hät­ten sie damit gespielt, schreibt das Mäd­chen, und gehofft, dass auf einen Schlag der Krieg endet. Lei­der habe das aber noch lan­ge Zeit gedau­ert.

»Ich habe gelernt, wie stark und wider­stands­fä­hig Kin­der sind«, sagt Jas­min­ko, der sie­ben Jah­re an sei­nem Pro­jekt gear­bei­tet hat. Das Muse­um erzäh­le die Geschich­te jener, die über­leb­ten. Vom Leben soll es also berich­ten und weni­ger vom Tod.

Vie­le Bos­nia­ken flo­hen im Krieg nach Nor­den, auch nach Deutsch­land. »Ich den­ke, Besu­cher aus West­eu­ro­pa ver­las­sen das Muse­um mit dem Gedan­ken, dass frü­he­re Kriegs­kin­der heu­te ihre Mit­bür­ger sind oder als Flücht­lin­ge in ihre Län­der kom­men«, sagt Jas­min­ko. »Wenn sie ver­ste­hen, was die­se Kin­der durch­ge­macht haben, sind sie viel­leicht dazu in der Lage, sie bei ihrer Inte­gra­ti­on zu unter­stüt­zen.« Hof­fent­lich kommt Jas­min­ko so bald nicht nach Deutsch­land, den­ke ich, wo »die Aus­län­der« und »Über­frem­dung« in die­sen Tagen wie­der das wich­tigs­te The­ma sind. Es könn­te ihm das Herz bre­chen.

Dabei hat der stil­le, schma­le Bos­ni­er mit den aris­to­kra­ti­schen Gesichts­zü­gen genug Sor­gen. Die Situa­ti­on in Bos­ni­en sei weit ent­fernt von gut. »Poli­ti­ker, die wäh­rend des Krie­ges an der Macht waren, sind heu­te immer noch im Amt. Sie nut­zen die Medi­en, um die Men­schen zu mani­pu­lie­ren«, klagt Jas­min­ko mir. »Die ein­zi­gen, die ihnen trau­en, sind unge­bil­de­te Wäh­ler und, trau­ri­ger­wei­se, eini­ge EU-Funk­tio­nä­re.«

Der eth­ni­sche Riss durch das Land ist tief. Er bestimmt die Poli­tik. Seit dem Day­ton-Frie­den­ver­trag besteht das Land aus zwei Gebie­ten mit eige­ner Legis­la­ti­ve und Exe­ku­ti­ve, eine absur­de Kon­struk­ti­on. Die Ser­ben wür­den sich am liebs­ten abspal­ten. Die Kroa­ten füh­len sich Zagreb näher als Sara­je­vo. Das ist Bos­ni­en heu­te: Kor­rup­ti­on, Armut, Bra­in­drain.

Als ich mit Jas­min Has­a­no­vic nach dem Besuch beim Tun­nel zurück in die Innen­stadt auf­bre­che, stoppt uns an einer Kreu­zung ein ser­bi­scher Poli­zist. Wir sind hier schon in der Repu­blik Srps­ka, die Gren­ze ver­läuft süd­lich der Stadt. Hier im Vor­ort-Nir­gend­wo kon­trol­liert der Beam­te nun Fahr­zeu­ge. Ein kaput­ter Blin­ker, kei­ne Papie­re? Da wird wohl ein Buß­geld fäl­lig, am bes­ten in bar. An unse­rem Wagen kann der Poli­zist par­tout nichts bestan­den. »Das Geld macht alles kaputt«, sagt Jas­min spä­ter – einer sei­ner Lieb­lings­sät­ze.

»Es gab vie­le Ver­spre­chun­gen auf ein bes­se­res Leben nach dem Krieg. Nichts davon wur­de ein­ge­hal­ten, nichts ändert sich«, führt Jas­min die pre­kä­re Situa­ti­on wei­ter aus. Es klingt ernüch­tert. »Wir ver­lie­ren die jun­ge Gene­ra­ti­on.«

Ob die Volks­grup­pen noch ein­mal zu den Waf­fen grei­fen könn­ten, fra­ge ich. Das glaubt er nicht. Die Men­schen heu­te sei­en ver­netzt, sagt Jas­min. Sein Bru­der hat eine Ser­bin gehei­ra­tet, der Vater war ein­ver­stan­den. »Wenn es in den neun­zi­ger Jah­ren Face­book gege­ben hät­te, wäre es viel­leicht nie zum Krieg gekom­men.«

Ein Freund habe auf dem sozia­len Netz­werk kürz­lich fol­gen­des erklärt: »Ich habe drei Söh­ne. Wenn heu­te jemand an mei­ne Tür käme und sag­te ›Ich brau­che sie für einen Krieg‹, dann wür­de ich den Typen erschie­ßen.« Jas­min schweigt, als wäre dem nichts hin­zu­zu­fü­gen. Wie geht der alte Spruch? Stell dir vor, es ist Krieg, und kei­ner geht hin.

Auch eine reli­giö­se Radi­ka­li­sie­rung durch die Sau­di-Ara­ber ist nicht in Sicht. Im Gegen­teil. Die israe­li­sche Zei­tung »Haa­retz« schrieb kürz­lich, war­um das mus­li­mi­sche Sara­je­vo der sichers­te Ort für Juden in Euro­pa sei. »Die­ses Land ist eines der weni­gen, die frei von Anti­se­mi­tis­mus sind«, erklär­te der Prä­si­dent der jüdi­schen Com­mu­ni­ty der Repor­te­rin.

Schon unter den Osma­nen leb­ten jüdi­sche Fami­li­en in der Stadt. Und es waren Mus­li­me, die eines der wich­tigs­ten Bücher des Juden­tums, die Hag­ga­dah, wäh­rend der Beset­zung durch die Nazis ver­steck­ten. Heu­te läuft man in drei Minu­ten von der Kai­ser­mo­schee zur Syn­ago­ge der Asch­ke­na­sim. Die jüdi­sche Gemein­de wächst im »Jeru­sa­lem Euro­pas«, wie es oft heißt.

Und so macht Bos­ni­en irgend­wie wei­ter als das, was es ist: ein dys­funk­tio­na­les Land mit einer wahr­lich sehens­wer­ten Haupt­stadt. Sara­je­vo ist Geschichts­buch und Mahn­mal, Mul­ti­kul­ti-Metro­po­le und Par­ty­stadt, Trend­ziel jun­ger Glo­be­trot­ter und Hei­mat eines libe­ra­len und welt­of­fe­nen Islams, des­sen Exis­tenz von so vie­len Het­zern in Zwei­fel gezo­gen wird. Ara­bi­schen Juden­has­sern soll­te die Stadt ein Vor­bild sein. »Wir sind Mus­li­me, aber du kannst leben, wie du willst«, sagt Jas­min Has­a­no­vic, bevor wir uns von­ein­an­der ver­ab­schie­den.

Nein, Bos­ni­en ist nicht das Para­dies, den­ke ich. Aber Sara­je­vo ist ein klei­nes Wun­der.

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