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Interrail – was war das noch gleich?
Ach ja: Man kaufte ein Ticket, setzte sich in einen Zug und fuhr dann einfach los, quer durch Europa. Man verbrachte einen nicht geringfügigen Teil seiner Reisezeit in schlecht ausgestatteten Regionalzügen, man machte Nudeln auf Campingkochern warm, und am Ende jedes Tages lautete die bedeutendste Frage: Wo finden wir heute Abend einen Platz zum Übernachten?
Es galt in erster Linie, eine Distanz zu überwinden – was am Ziel wartete, war eigentlich zweitrangig.
Heute fliegen die Anfang-Zwanzigjährigen mit einem Billigflieger in zwei Stunden nach Rom, nach Barcelona, nach Prag, und sie wissen dort schon ganz genau, in welche Galerie sie unbedingt müssen, in welches Café und in welchen Club. Irgendwer ist immer schon da, hat das alles schon gesehen, kennt sich besser aus, ist morgen schon wieder weg. Weil das nächste Abenteuer nur zwei Flugstunden entfernt liegt. Dazwischen ist alles Niemandsland, Felder in Endlosschleife, Zeitverschwendung.
Interrail ist im Prinzip eine vollkommen antiquierte Form des Reisens, eine grand tour, nur ohne Geld und Glorie: Entschleunigung statt Hypermobilität, Beschwerlichkeit statt Hedonismus, das mühsam Zugängliche anstelle des immer gleich Präsenten.
»Auf Interrail« zu sein bedeutet, überall da draußen, an jeder Destination, das verbindende, ortsunabhängige Element zu finden: den Schlafplatz, den Supermarkt, die große Sehenswürdigkeit.
Heute führt die Suche zum Exklusiven, zum Vergänglichen: der Club, in dem man genau diesen Sommer oder Winter gewesen sein muss, die eine Party in dieser einen Nacht mit diesem einen DJ. Heute will niemand mehr wirklich vor dem Eiffelturm stehen, es gibt ihn schon tausendfach online. Die immer gleichen Bilder, die gleichen Kameraperspektiven, austauschbare Gesichter.
Wer vor sechs Jahren Interrail gemacht hat, stand unmittelbar vor der Schwelle zum sozialen Internet für die breite Masse, zur totalen Vernetzung, zum Reisen in der Digitalität.
Heute sind alle Perspektiven und Einstellungen, alles Wissen über einen Ort, schon universell verfügbar. Deshalb rückt das Beständige aus dem Fokus, und das Vorübergehende wird interessant.
Vielleicht fällt es dadurch noch schwerer, auf Reisen nichts verpassen zu wollen. Vielleicht hätten die Nerven damals, im Sommer 2006, schon auf der ersten langen Zugfahrt durch Belgien blank gelegen.
Es ist ein Rückblick auf eine Reise, die heute so nicht mehr möglich wäre, die heute so keinen Sinn mehr ergeben würde.
Paris
Was weiß man mit 19 Jahren von Paris?
Stadt der Kultur, Stadt der Kunst, Stadt der Liebe. Tausend Dinge, von denen man nichts versteht.
Eine Stadt, die sich vor dem jungen Reisenden aufspaltet wie Licht in einem Kaleidoskop, tausend Orte und Begebenheiten in jeder Sekunde: die totale Überforderung.
Natürlich ist die Zeit viel zu knapp, und wir können auch nicht draußen schlafen, also suchen wir ein Hostel und hetzen dann zu den großen Sehenswürdigkeiten der Stadt: Notre-Dame, Louvre, Eiffelturm. Wir schießen Fotos in Schwarz-Weiß am Place de la Concorde, die wir später vergrößert an die Wand unseres Kinderzimmers hängen, das kein Kinderzimmer mehr ist. Wir schauen betont gedankenverloren auf diesen Bildern, in den Posen suchen wir die Zeitlosigkeit gestandener Männer.
In Paris geht es darum, einfach dazusitzen, im Jardin des Tuileries oder am Ufer der Seine, und Erwachsen-Sein zu zelebrieren, Lebemomente zu simulieren.
Aber wie sehen die eigentlich aus?
Es sind Momente des Verliebens, des kreativen Schaffens, des Tanzes und des Rauschs.
Wir kennen die guten Orte dafür nicht in Paris. Wir bewegen uns wie durch eine Kulisse, wir sind nicht Teil dieser Stadt. Wir sind zu jung, zu klein, zu unerfahren für Paris. Wir ahnen nur, was irgendwann im Leben noch einmal auf uns warten könnte.
Nizza
Das Südländische, Mediterrane springt einem gleich entgegen, wenn man den Bahnhof von Nizza verlässt. In der Architektur, in der Vegetation, durch die Wärme der Sonne auf der Haut.
Nizza ist ein guter Ort, er ist unbeschwert, leicht.
Die Uferpromenade, das Meer, die Wellen: Endlich sind wir an der Cote d’Azur.
Wir lassen unsere Sachen in einer Herberge und schlendern los ohne den Druck, hier etwas sehen zu müssen, vielleicht auch, weil Nizza angenehmerweise keine großen Sehenswürdigkeiten bereithält, weil es eher als Ganzes wird. Wer nach Nizza kommt, will einfach in Nizza sein und nicht Dieses oder Jenes tun. Dieser Anspruch macht es für den Reisenden leicht.
Wir sehen das volle Leben Südfrankreichs: Es ist WM, die Équipe Tricolore gewinnt das Halbfinale, am Abend fahren Autocorsos durch die Stadt, die Menschen feiern auf den Straßen. Wenn ein Ort an den Rand des Ausnahmezustands gerät, ist das immer spannend. Wir machen da jetzt mal mit, laufen rum, quatschen mit Leuten. Wir wollen ein bisschen männlich sein und trinken Four Roses aus der Flasche. Nizza – hier könnte man eine gute Weile bleiben.
Aber es gibt noch so viel zu sehen.
Monaco
Monaco kennt man aus den Hochglanzmagazinen und Celebrity-Sendungen im Fernsehen. Die Steuern sind niedrig, die Autos sind teuer, hier ist der Reichtum zu Hause, zumindest solange es Vorteile gegenüber dem heimischen Fiskus mit sich bringt.
Wir zählen Ferraris und Lamborghinis.
Natürlich sind wir nicht so dumm, in Monaco nach einer Unterkunft zu suchen, wir wollen am Abend noch weiter. Ein Tag Monaco, ein Tag Luxusgucken. Welche Namen haben die Yachten? Was für Autos parken vor dem Casino? Eine Cola am Hafen kostet 8 Euro: Man, ist das irre!
Der Himmel ist wolkig und verhangen an diesem Tag, Monaco liegt unter einem grauen Schleier. Die an der Küste angelegten Wohnblocks sind hässlich. Vielleicht ist es gar nicht so toll, hier die Hälfte des Jahres seine Zeit zu verbringen. Aber vermutlich ist das so wie mit Los Angeles, über das ja immer alle Prominenten schimpfen, obwohl sie alle Häuser im Norden der Stadt haben, einfach weil sie dort unter ihresgleichen sind, weil sie sich ständig über den Weg laufen.
Monaco liegt am Mittelmeer, reich und klobig, aber das war es auch schon. Marseille ist halt cooler.
Menton
Eine Nacht an der Cote d’Azur hatten wir am Strand geschlafen, morgens waren wir im Meer schwimmen, im Sonnenschein. Jetzt regnet es, unsere Sachen sind ein bisschen klamm.
Südfrankreich ist plötzlich gar nicht mehr so verheißungsvoll.
Die Reisegruppe stockt an der Grenze zu Italien in Menton. Wo soll es jetzt hingehen? Wie fahren wir weiter? Es ist schwül, die Stimmung ist geladen, alles stockt. Es gibt einen handfesten Streit. Das Verfahrene der Situation wird aufgebrochen durch die spontane Entscheidung, einfach einen Nachtzug nach Italien zu nehmen.
Rom
Rom ist für den jungen, bisher weitgehend unbereisten Interrailer ähnlich wie Paris: eine Stadt als einzige Überforderung. 2500 Jahre Geschichte: die Kaiserzeit, die Katholische Kirche, das Heilige Römische Reich. Eine Stadt wie ein Museum.
Wir bringen kaum Fachwissen mit über die Bauwerke, die Kulturschätze, die Kunstwerke der Stadt. Wir laufen durch die Straßen und unsere Augen sehen nur Oberfläche. Überall sind Zeichen, die wir nicht lesen können. So kommen wir hier nicht weiter.
Aber für uns geht es in Rom auch um etwas Anderes.
Am Abend lernen wir an der Spanischen Treppe eine Gruppe junger, amerikanischer Juden kennen, mit denen wir uns ganz ordentlich betrinken. Die Mädchen sehen verdammt gut aus. Man gibt sich Biere aus, redet erst Smalltalk und später alkoholgeschwängert über den Sinn des Lebens, man tauscht Emailadressen.
Auf dem Rückweg jugendlicher Übermut: Wir rennen durch die Gassen zum Hostel, wir reißen Pflanzen aus Blumenkübeln, wir stacheln uns gegenseitig an, wir benehmen uns, ehrlich gesagt, ganz schön asozial. Das liegt daran, dass wir das Gefühl haben, die Stadt erobert zu haben, hier genau richtig zu sein, weil wir diese schönen, freundlichen Amerikaner getroffen haben, mit denen der Abend so lustig und ausgelassen war.
The world can be your friend in one night.
Venedig
Italien, die andere Seite des Stiefels.
In Venedig ist das Museumhafte des Stadtbilds so überdeutlich wie kaum in einer anderen europäischen Metropole. Wir können Venedig unmöglich auslassen.
Das ist schon wieder lustig: Wir wissen ja erneut rein gar nichts über die Stadt, außer dass sie berühmt ist. Niemand von uns hat während der langen Zugfahrten überhaupt einen Reiseführer gelesen, um zu wissen, vor welcher Sehenswürdigkeit man sich jetzt genau fotografieren lassen muss. Es läuft also wieder auf das Flanieren hinaus: einfach mal Venedig auf sich wirken lassen.
Wir gehen zum Markusplatz, wir suchen ein halbwegs preiswertes Restaurant, wir versuchen uns in den engen Straßen nicht zu verlieren.
Venedig ist anstrengend. Aber es ist natürlich auch ziemlich schön.
Man hat das ja alles schon im Kopf und prüft das bloß noch einmal: die Brücken, die Gondeln, die Wasserwege.
Das Wetter ist leider blendend, und deshalb ist es in den Gassen brechend voll. Manchmal hat man das Gefühl, in einem Freizeitpark unterwegs zu sein. Abends wird es ruhiger, die Touristen sind müde.
Man müsste vielleicht noch einmal wiederkommen, wenn es neblig und nass ist, und dann müsste man fünf Tage gedankenversunken durch die Gassen laufen, ohne von dem unerträglichen Kommerz der Marke Venedig behelligt zu werden.
Toskana
Toskana. Das ist schon wieder ein Wort, bei dem ganz viel mitschwingt.
Italienischer Lebensstil, gelbe Felder, alte Burgen, guter Wein.
Wir legen uns unweit einer Stadt, deren Namen wir allesamt bis heute nicht erinnern, auf ein Feld und schlafen unter dem Sternenhimmel, nicht mal die Zelte bauen wir auf. Wir sind auf Durchreise, langsam geht es Richtung Heimat, also müssen wir in dieser Nacht und am nächsten Morgen einmal konzentriert den Toskana-Moment aufschnappen. Wir schlafen also unter freiem Himmel und am nächsten Tag wandern wir zu einer kleinen Festung auf einem Hügel.
Blick über die Hänge und dörren Felder: Das ist die Toskana. Na gut. Im Rückblick, muss man sagen, wäre es vielleicht schön gewesen, in Florenz gehalten zu haben.
Gap
Gap ist eine ungeplante Station unserer Reise.
Wir erreichen die Stadt in den französischen Alpen am späten Abend, es regnet, es ist frisch, und weil am kommenden Tag die Tour de France in der Stadt gastiert, gibt es beim besten Willen kein freies Zimmer mehr für uns. Es gibt außerdem nirgendwo einen guten Park zum Übernachten. Wir marschieren ohne Plan durch leere Straßen: Wohnhäuser, eine Tankstelle, irgendwann Gewerbegebiet. Wir legen uns nieder zum Schlafen auf der steinernen Laderampe eines Anbieters von Gaskatuschen, die jedenfalls stehen vor der Halle in den Regalen. Es wird eine Nacht auf kaltem Beton.
Am nächsten Tag finden wir für den Abend einen Campingplatz, die Sonne scheint. Wir haben den ganzen Tag Zeit, wir steigen von Gap auf einen mittelhohen, aber doch schon alpin-kargen Berg. Weite Aussicht über das Land.
Zum ersten Mal sind wir richtig in der Natur, das ist schön, davon verstehen wir etwas, vom In-der-Natur-Sein.
In drei Tagen werden wir wieder in Deutschland sein.
Was bleibt von einer Interrail-Tour?
Die Kulturhauptstädte Europas können wir nur als überbordende Abstraktion der Wirklichkeit wahrnehmen. Kleine Jungs in großen Städten, Dynamik und Charakter der Metropolen bleiben uns verschlossen. Wir sehen immer nur Ahnungen und Andeutungen von Lebenswegen, die wir noch nicht kennen. Eine schöne Frau auf der Straße, zwei Männer mit Schals und Halbschuhen im Café, Balkonfrühstücke, Zigaretten und Wein, Kunst, Bohème, Lebensart.
Andersherum ist es wichtig, sich diese Oberfläche mal anzuschauen, um sie dann später einmal, wer weiß, selbst zu erleben und zu entzaubern.
Man lernt auf Interrail natürlich auch, sich ein bisschen zu organisieren, in der Gruppe Probleme zu lösen, solche Geschichten. Aber das ist nur das Beiwerk.
Es ist für viele der erste Schritt in die große Welt, die heute viel kleiner erscheint, nicht nur, weil man älter geworden ist. Heute ist alles gleich ultrapräsent, wenn man 40 Euro für einen Flug bezahlt. Die Umwege verschwinden.
Niemand braucht mehr ein Interrail-Ticket, aber das Reisen ist genauso wichtig wie früher. Es geht dabei nur am Rande um Sehenswürdigkeiten – sondern um ein Gefühl für die Welt und das Leben.
Informationen zu Preisen:..www.interrail.eu
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Antworten
sehr schön geschrieben! Erinnert mich an meine fünfwöchige Interrailreise vor zwei Jahren. Man bekommt glatt wieder Lust auf überfüllten Nachzug fahren und irgendwo im nirgendwo schlafen!
Irgendwo im Nirgendwo ist perfekt – am besten irgendwo am Meer.
Ja, die Gegenwart besteht heutzutage mehr aus abstrakten, schnell wechselnden Modellen mit normativer Anwendung als frueher.
Mag auch sein, dass im Vorstellunghorizont von Leuten, die in frueheren Zeiten als Pilger, Radfahrer oder Interrailreisende Rom, Paris oder Venedig besuchten, lateinische Sprache, roemisches Reich, Renaissance, Religionskonflikte, Absolutismus, Revolutionen, Nationalstaaten mit Buergerrechten und – pflichten von der Bildung bis zur Ueberdehnung, praesenter und gewichtiger waren als bei den oben beschriebenen Reisenden.
Gleichzeitig trifft aber auch zu, dass es – eben auch ausserhalb von Lebenswegen, in denen jahrzehntelange Papier- und Scherbenarbeit sowie wirklich abstrakte Theorie als Hauptinteressen vorkommen – noch nie so leicht war wie heute, durch Internet oder bezahl- und lesbare Buecher die eine oder andere Wissensluecke zu schliessen, sobald man sie z.B. beim Anblick einer raetselhaften Stadtkulisse bemerkt.
Insofern verstehe ich das hier angesprochene Problem nicht.
Wer ausserdem das Gefuehl fuer die ›grosse‹ Welt und das Leben vor allem aus feuchtfroehlichen Begegnungen mit amerikanischen Touristen und dem Zauber des Anblicks schoener Frauen bezieht und mit Transportmittel-Organisation sowie Gruppendynamik in Zusammenhang stehende Probemloesungen ›auf Interrail gelernt‹ hat – der sollte mal als Beispiel nach Kleopatra, Colomba, Hannibal oder Marie Antoinette googlen, und dann den Ausdruck ›ueberbordende Abstraktion der Wirklichkeit‹ im Besug auf europaeische Kulturhauptstaedte nochmal ueberdenken – die ›ueberbordende Wirklichkeit‹ wuerde wahrscheinlich bestehen koennen, aber vermutlich muesste ›Abstraktion‹ ganz schnell gestrichen werden!Bitte nicht alles durcheinander werfen für eine spöttische Replik! Es geht ja bei den Gedanken über die Städte eher darum: Wie ist es, mit 19 Jahren in Paris anzukommen? Oder in Rom? Hut ab, wenn Sie in diesem Alter mit Büchern über Kunst- und Kulturgeschichte durch Europa gereist sind, denn ein Tablet mit Wifi können Sie beim Anblick der Stadtbilder ja damals noch nicht zur Hand gehabt haben. Und ein Gefühl für die Welt und das Leben entsteht natürlich beim Reisen, aber Moment: So steht es ja auch in der Geschichte. Nichts für Ungut.
Ganz so spoettisch habe ich es nicht gemeint, wenigstens nicht bezogen auf Ihren super konstruierten Text – bloss zeigt er eben auch deutlich, wohin die Entwicklungen selbst zwischen 2006 bis 2013 weiterhin gehen: Selbstinszenierung durch situativ zu verwendende vorgegebene Modelle, heute oft einziger Lebensinhalt und einzig moegliche Ueberlebensstrategie selbst bei einer peripharen Taetigkeit wie dem Reisen.
Die ersten Male per Interrail in Paris, Nizza, Rom und Verona, aber auch in Athen, Wien, Budapast und Prag fanden bei mir mit 15, 16 statt. Meist alleine. Und nein – viel wusste ich seinerzeit nicht ueber die europ. Kulturhauptstaedte und ihre Geschichte oder ihre Geheimtipps fuer rauschende Feste, weiss ich auch heute nicht. Auch Reisefuehrer und kunsthistorische Waelzer habe ich, wenn verfuegbar, nur auszugsweise und meist kurz nach Heimkunft bemueht. Vorkenntnisse und Neugier haben aber allerdings ausgereicht, um z.B. in Ungarn und Italien nicht Hamburger und Wuerstchen, sondern Pastetchen bzw. Parmesan mit frischem Weissbrot und einem Glas lokalen Wein einzunehmen, und um Versailles, dem Louvre, dem Pont Neuf, dem Quartier Latin oder Boulevard Saint Michel, der Via Giulia, Via Appia, San Giovanni in Latterano, dem F.R., der Fischerbastei, der Pester Konzerthalle, der Prager Burg, dem Kafka-Haus, einem Holzpuppentheater, usw. Besuche abzustatten, dabei die (kultur-)geschichtliche Bedeutung oberflaechlich zu kennen. Auch, um vor dem Hintergrund des Hinweises auf den Romeo&Julia-Balkon die ueblichen (Jugend-)Paarbeziehungen im Uebergang vom 20. Zum 21. Jahrhundert zu reflektieren, deren Ideale eher die Filme von Bigas Luna oder Pedro Almodovar, aber auch ´Basic Instinct´ und ‘Der bewegte Mann’ waren, bzw. sind. Waehrenddessen war in den Jugendherbergen Ungarns und Tschechiens kaum moeglich war, nicht in Gepraeche mit Einheimischen mit deren Erwartungen bezueglich des kurz zuvor erfolgten friedlichen Umbruchs in Osteuropa konfrontiert zu werden.Aber mal eine ganz andere Frage: warum gibt es in den Suedamerika-Berichten nichts zu Kolumbien?
Die Welt ist deutlich kleiner geworden, dass kann man schon sagen. Meine erste Europareise habe ich ebenfalls mit 19 Jahren unternommen – Italien mit dem Auto (geborgt vom Vater eines Freundes). Man erlebet eine »Welt« anders, wenn man sich bemühen muss das Elementare zu regeln (also schlafen, essen etc.) – das finde ich auch.
Fotos sind ein spannender Zeitzeuge dieser Reisen. z.B. sind meine ersten Bilder aus Rom und Paris nach wie vor noch viel eindringlicher in meinem Kopf, als alle Fotos, die ich in diesen Städten später geschossen habe. Sie wirken weniger konstruiert, als heute – authentischer, da das Augenmerk in der Jugend wahrscheinlich noch auf etwas anderes lag.
Man war aber damals auch noch nicht so »gehetzt« und man hatte Zeit zu reisen – die Angst etwas zu verpassen oder nicht zu sehen, setzte sich bei mir erst ein, als ich Städte nur noch in »Tagen erleben« konnte.
Ich war mit 17 Jahren das erste Mal mit meine damaligen Freundin in Paris – in der Stadt der Liebe und ich hatte keine Ahnung von der Paris und keine Ahnung von der Liebe. Auf meinen Fotos von damals sieht man sehr deutlich, wie man trotzdem aller Unkenntnis, der Stadt gerecht werden wollte. 13 Jahre später war ich noch mal in Paris (Billigflieger) und ich war enttäuscht von der Stadt.
All mein Wissen über die Stadt, hat den Zauber verfließen lassen…
»Auf meinen Fotos von damals sieht man sehr deutlich, wie man trotzdem aller Unkenntnis, der Stadt gerecht werden wollte.« – Das haben Sie treffend beschrieben. Dieses Wissen um die eigene Unzulänglichkeit, einer Stadt gerecht werden zu können und es trotzdem (verzweifelt) versuchen.
Wie schön! Ich bin ja eigentlich ein großer Zug Fan – mir gefällt es das man dabei die Entfernung die man zurücklegt wirklich »spürt«. Das fehlt beim fliegen ja total. Start, landung und zack biste da. Schade nur, dass oft die zeit dafür und noch viel öfter das Geld fehlt. Eigentlich ziemlich schräg das Flüge oft günstiger sind als mit der Bahn zufahren
Du hast Recht, Sarah. Diese Aufhebung von Distanzen führt, glaube ich, verstärkt dazu, dass viele Leute bestimmte Reisen wieder bewusst entschleunigt zurücklegen. Großartige Literatur gibt es zum Beispiel von Wolfgang Büscher, der zu Fuß von Berlin nach Moskau lief, durch die USA und einmal um Deutschland herum. Aber natürlich: Wer hat Zeit für solche Projekte…
Nein, ich muss zugeben: alle digital und mit Retro-Filter überzogen.
Sehr schöne Fotos… sind sie alle analog?
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