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Reisen von Gestern (1) – Interrail 2006

Inter­rail – was war das noch gleich?

Ach ja: Man kauf­te ein Ticket, setz­te sich in einen Zug und fuhr dann ein­fach los, quer durch Euro­pa. Man ver­brach­te einen nicht gering­fü­gi­gen Teil sei­ner Rei­se­zeit in schlecht aus­ge­stat­te­ten Regio­nal­zü­gen, man mach­te Nudeln auf Cam­ping­ko­chern warm, und am Ende jedes Tages lau­te­te die bedeu­tends­te Fra­ge: Wo fin­den wir heu­te Abend einen Platz zum Über­nach­ten?

Es galt in ers­ter Linie, eine Distanz zu über­win­den – was am Ziel war­te­te, war eigent­lich zweit­ran­gig.

Heu­te flie­gen die Anfang-Zwan­zig­jäh­ri­gen mit einem Bil­lig­flie­ger in zwei Stun­den nach Rom, nach Bar­ce­lo­na, nach Prag, und sie wis­sen dort schon ganz genau, in wel­che Gale­rie sie unbe­dingt müs­sen, in wel­ches Café und in wel­chen Club. Irgend­wer ist immer schon da, hat das alles schon gese­hen, kennt sich bes­ser aus, ist mor­gen schon wie­der weg. Weil das nächs­te Aben­teu­er nur zwei Flug­stun­den ent­fernt liegt. Dazwi­schen ist alles Nie­mands­land, Fel­der in End­los­schlei­fe, Zeit­ver­schwen­dung.

Inter­rail ist im Prin­zip eine voll­kom­men anti­quier­te Form des Rei­sens, eine grand tour, nur ohne Geld und Glo­rie: Ent­schleu­ni­gung statt Hyper­mo­bi­li­tät, Beschwer­lich­keit statt Hedo­nis­mus, das müh­sam Zugäng­li­che anstel­le des immer gleich Prä­sen­ten.

»Auf Inter­rail« zu sein bedeu­tet, über­all da drau­ßen, an jeder Desti­na­ti­on, das ver­bin­den­de, orts­un­ab­hän­gi­ge Ele­ment zu fin­den: den Schlaf­platz, den Super­markt, die gro­ße Sehens­wür­dig­keit.

Heu­te führt die Suche zum Exklu­si­ven, zum Ver­gäng­li­chen: der Club, in dem man genau die­sen Som­mer oder Win­ter gewe­sen sein muss, die eine Par­ty in die­ser einen Nacht mit die­sem einen DJ. Heu­te will nie­mand mehr wirk­lich vor dem Eif­fel­turm ste­hen, es gibt ihn schon tau­send­fach online. Die immer glei­chen Bil­der, die glei­chen Kame­ra­per­spek­ti­ven, aus­tausch­ba­re Gesich­ter.

Wer vor sechs Jah­ren Inter­rail gemacht hat, stand unmit­tel­bar vor der Schwel­le zum sozia­len Inter­net für die brei­te Mas­se, zur tota­len Ver­net­zung, zum Rei­sen in der Digi­ta­li­tät.

Heu­te sind alle Per­spek­ti­ven und Ein­stel­lun­gen, alles Wis­sen über einen Ort, schon uni­ver­sell ver­füg­bar. Des­halb rückt das Bestän­di­ge aus dem Fokus, und das Vor­über­ge­hen­de wird inter­es­sant.

Viel­leicht fällt es dadurch noch schwe­rer, auf Rei­sen nichts ver­pas­sen zu wol­len. Viel­leicht hät­ten die Ner­ven damals, im Som­mer 2006, schon auf der ers­ten lan­gen Zug­fahrt durch Bel­gi­en blank gele­gen.

Es ist ein Rück­blick auf eine Rei­se, die heu­te so nicht mehr mög­lich wäre, die heu­te so kei­nen Sinn mehr erge­ben wür­de.

Paris

Was weiß man mit 19 Jah­ren von Paris?

Stadt der Kul­tur, Stadt der Kunst, Stadt der Lie­be. Tau­send Din­ge, von denen man nichts ver­steht.

Eine Stadt, die sich vor dem jun­gen Rei­sen­den auf­spal­tet wie Licht in einem Kalei­do­skop, tau­send Orte und Bege­ben­hei­ten in jeder Sekun­de: die tota­le Über­for­de­rung.

Natür­lich ist die Zeit viel zu knapp, und wir kön­nen auch nicht drau­ßen schla­fen, also suchen wir ein Hos­tel und het­zen dann zu den gro­ßen Sehens­wür­dig­kei­ten der Stadt: Not­re-Dame, Lou­vre, Eif­fel­turm. Wir schie­ßen Fotos in Schwarz-Weiß am Place de la Con­cor­de, die wir spä­ter ver­grö­ßert an die Wand unse­res Kin­der­zim­mers hän­gen, das kein Kin­der­zim­mer mehr ist. Wir schau­en betont gedan­ken­ver­lo­ren auf die­sen Bil­dern, in den Posen suchen wir die Zeit­lo­sig­keit gestan­de­ner Män­ner.

In Paris geht es dar­um, ein­fach dazu­sit­zen, im Jar­din des Tui­le­ries oder am Ufer der Sei­ne, und Erwach­sen-Sein zu zele­brie­ren, Lebe­mo­men­te zu simu­lie­ren.

Aber wie sehen die eigent­lich aus?

Es sind Momen­te des Ver­lie­bens, des krea­ti­ven Schaf­fens, des Tan­zes und des Rauschs.

Wir ken­nen die guten Orte dafür nicht in Paris. Wir bewe­gen uns wie durch eine Kulis­se, wir sind nicht Teil die­ser Stadt. Wir sind zu jung, zu klein, zu uner­fah­ren für Paris. Wir ahnen nur, was irgend­wann im Leben noch ein­mal auf uns war­ten könn­te.

Paris Seine InterrailParis Eiffelturm InterrailParis Eiffelturm InterrailParis Seine InterrailParis InterrailParis Dom InterrailParis Seine InterrailParis Louvre InterrailParis Notre-Dame Triumphbogen InterrailParis Interrail

Niz­za

Das Süd­län­di­sche, Medi­ter­ra­ne springt einem gleich ent­ge­gen, wenn man den Bahn­hof von Niz­za ver­lässt. In der Archi­tek­tur, in der Vege­ta­ti­on, durch die Wär­me der Son­ne auf der Haut.

Niz­za ist ein guter Ort, er ist unbe­schwert, leicht.

Die Ufer­pro­me­na­de, das Meer, die Wel­len: End­lich sind wir an der Cote d’Azur.

Wir las­sen unse­re Sachen in einer Her­ber­ge und schlen­dern los ohne den Druck, hier etwas sehen zu müs­sen, viel­leicht auch, weil Niz­za ange­neh­mer­wei­se kei­ne gro­ßen Sehens­wür­dig­kei­ten bereit­hält, weil es eher als Gan­zes wird. Wer nach Niz­za kommt, will ein­fach in Niz­za sein und nicht Die­ses oder Jenes tun. Die­ser Anspruch macht es für den Rei­sen­den leicht.

Wir sehen das vol­le Leben Süd­frank­reichs: Es ist WM, die Équi­pe Tri­co­lo­re gewinnt das Halb­fi­na­le, am Abend fah­ren Auto­cor­sos durch die Stadt, die Men­schen fei­ern auf den Stra­ßen. Wenn ein Ort an den Rand des Aus­nah­me­zu­stands gerät, ist das immer span­nend. Wir machen da jetzt mal mit, lau­fen rum, quat­schen mit Leu­ten. Wir wol­len ein biss­chen männ­lich sein und trin­ken Four Roses aus der Fla­sche. Niz­za – hier könn­te man eine gute Wei­le blei­ben.

Aber es gibt noch so viel zu sehen.

Nizza InterrailNizza InterrailNizza Interrail

Mona­co

Mona­co kennt man aus den Hoch­glanz­ma­ga­zi­nen und Cele­bri­ty-Sen­dun­gen im Fern­se­hen. Die Steu­ern sind nied­rig, die Autos sind teu­er, hier ist der Reich­tum zu Hau­se, zumin­dest solan­ge es Vor­tei­le gegen­über dem hei­mi­schen Fis­kus mit sich bringt.

Wir zäh­len Fer­ra­ris und Lam­bor­ghi­nis.

Natür­lich sind wir nicht so dumm, in Mona­co nach einer Unter­kunft zu suchen, wir wol­len am Abend noch wei­ter. Ein Tag Mona­co, ein Tag Luxus­gu­cken. Wel­che Namen haben die Yach­ten? Was für Autos par­ken vor dem Casi­no? Eine Cola am Hafen kos­tet 8 Euro: Man, ist das irre!

Der Him­mel ist wol­kig und ver­han­gen an die­sem Tag, Mona­co liegt unter einem grau­en Schlei­er. Die an der Küs­te ange­leg­ten Wohn­blocks sind häss­lich. Viel­leicht ist es gar nicht so toll, hier die Hälf­te des Jah­res sei­ne Zeit zu ver­brin­gen. Aber ver­mut­lich ist das so wie mit Los Ange­les, über das ja immer alle Pro­mi­nen­ten schimp­fen, obwohl sie alle Häu­ser im Nor­den der Stadt haben, ein­fach weil sie dort unter ihres­glei­chen sind, weil sie sich stän­dig über den Weg lau­fen.

Mona­co liegt am Mit­tel­meer, reich und klo­big, aber das war es auch schon. Mar­seil­le ist halt coo­ler.

Monaco InterrailMonaco InterrailMonaco Interrail

Men­ton

Eine Nacht an der Cote d’Azur hat­ten wir am Strand geschla­fen, mor­gens waren wir im Meer schwim­men, im Son­nen­schein. Jetzt reg­net es, unse­re Sachen sind ein biss­chen klamm.

Süd­frank­reich ist plötz­lich gar nicht mehr so ver­hei­ßungs­voll.

Die Rei­se­grup­pe stockt an der Gren­ze zu Ita­li­en in Men­ton. Wo soll es jetzt hin­ge­hen? Wie fah­ren wir wei­ter? Es ist schwül, die Stim­mung ist gela­den, alles stockt. Es gibt einen hand­fes­ten Streit. Das Ver­fah­re­ne der Situa­ti­on wird auf­ge­bro­chen durch die spon­ta­ne Ent­schei­dung, ein­fach einen Nacht­zug nach Ita­li­en zu neh­men.

Menton Interrail

Rom

Rom ist für den jun­gen, bis­her weit­ge­hend unbe­reis­ten Inter­rai­ler ähn­lich wie Paris: eine Stadt als ein­zi­ge Über­for­de­rung. 2500 Jah­re Geschich­te: die Kai­ser­zeit, die Katho­li­sche Kir­che, das Hei­li­ge Römi­sche Reich. Eine Stadt wie ein Muse­um.

Wir brin­gen kaum Fach­wis­sen mit über die Bau­wer­ke, die Kul­tur­schät­ze, die Kunst­wer­ke der Stadt. Wir lau­fen durch die Stra­ßen und unse­re Augen sehen nur Ober­flä­che. Über­all sind Zei­chen, die wir nicht lesen kön­nen. So kom­men wir hier nicht wei­ter.

Aber für uns geht es in Rom auch um etwas Ande­res.

Am Abend ler­nen wir an der Spa­ni­schen Trep­pe eine Grup­pe jun­ger, ame­ri­ka­ni­scher Juden ken­nen, mit denen wir uns ganz ordent­lich betrin­ken. Die Mäd­chen sehen ver­dammt gut aus. Man gibt sich Bie­re aus, redet erst Small­talk und spä­ter alko­hol­ge­schwän­gert über den Sinn des Lebens, man tauscht Email­adres­sen.

Auf dem Rück­weg jugend­li­cher Über­mut: Wir ren­nen durch die Gas­sen zum Hos­tel, wir rei­ßen Pflan­zen aus Blu­men­kü­beln, wir sta­cheln uns gegen­sei­tig an, wir beneh­men uns, ehr­lich gesagt, ganz schön aso­zi­al. Das liegt dar­an, dass wir das Gefühl haben, die Stadt erobert zu haben, hier genau rich­tig zu sein, weil wir die­se schö­nen, freund­li­chen Ame­ri­ka­ner getrof­fen haben, mit denen der Abend so lus­tig und aus­ge­las­sen war.

The world can be your fri­end in one night.

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Vene­dig

Ita­li­en, die ande­re Sei­te des Stie­fels.

In Vene­dig ist das Muse­umhaf­te des Stadt­bilds so über­deut­lich wie kaum in einer ande­ren euro­päi­schen Metro­po­le. Wir kön­nen Vene­dig unmög­lich aus­las­sen.

Das ist schon wie­der lus­tig: Wir wis­sen ja erneut rein gar nichts über die Stadt, außer dass sie berühmt ist. Nie­mand von uns hat wäh­rend der lan­gen Zug­fahr­ten über­haupt einen Rei­se­füh­rer gele­sen, um zu wis­sen, vor wel­cher Sehens­wür­dig­keit man sich jetzt genau foto­gra­fie­ren las­sen muss. Es läuft also wie­der auf das Fla­nie­ren hin­aus: ein­fach mal Vene­dig auf sich wir­ken las­sen.

Wir gehen zum Mar­kus­platz, wir suchen ein halb­wegs preis­wer­tes Restau­rant, wir ver­su­chen uns in den engen Stra­ßen nicht zu ver­lie­ren.

Vene­dig ist anstren­gend. Aber es ist natür­lich auch ziem­lich schön.

Man hat das ja alles schon im Kopf und prüft das bloß noch ein­mal: die Brü­cken, die Gon­deln, die Was­ser­we­ge.

Das Wet­ter ist lei­der blen­dend, und des­halb ist es in den Gas­sen bre­chend voll. Manch­mal hat man das Gefühl, in einem Frei­zeit­park unter­wegs zu sein. Abends wird es ruhi­ger, die Tou­ris­ten sind müde.

Man müss­te viel­leicht noch ein­mal wie­der­kom­men, wenn es neb­lig und nass ist, und dann müss­te man fünf Tage gedan­ken­ver­sun­ken durch die Gas­sen lau­fen, ohne von dem uner­träg­li­chen Kom­merz der Mar­ke Vene­dig behel­ligt zu wer­den.

Venedig InterrailVenedig InterrailVenedig InterrailVenedig InterrailVenedig InterrailInterrail VenedigVenedig InterrailVenedig Interrail

Tos­ka­na

Tos­ka­na. Das ist schon wie­der ein Wort, bei dem ganz viel mit­schwingt.

Ita­lie­ni­scher Lebens­stil, gel­be Fel­der, alte Bur­gen, guter Wein.

Wir legen uns unweit einer Stadt, deren Namen wir alle­samt bis heu­te nicht erin­nern, auf ein Feld und schla­fen unter dem Ster­nen­him­mel, nicht mal die Zel­te bau­en wir auf. Wir sind auf Durch­rei­se, lang­sam geht es Rich­tung Hei­mat, also müs­sen wir in die­ser Nacht und am nächs­ten Mor­gen ein­mal kon­zen­triert den Tos­ka­na-Moment auf­schnap­pen. Wir schla­fen also unter frei­em Him­mel und am nächs­ten Tag wan­dern wir zu einer klei­nen Fes­tung auf einem Hügel.

Blick über die Hän­ge und dör­ren Fel­der: Das ist die Tos­ka­na. Na gut. Im Rück­blick, muss man sagen, wäre es viel­leicht schön gewe­sen, in Flo­renz gehal­ten zu haben.

Toskana InterrailToskana Interrail

Gap

Gap ist eine unge­plan­te Sta­ti­on unse­rer Rei­se.

Wir errei­chen die Stadt in den fran­zö­si­schen Alpen am spä­ten Abend, es reg­net, es ist frisch, und weil am kom­men­den Tag die Tour de France in der Stadt gas­tiert, gibt es beim bes­ten Wil­len kein frei­es Zim­mer mehr für uns. Es gibt außer­dem nir­gend­wo einen guten Park zum Über­nach­ten. Wir mar­schie­ren ohne Plan durch lee­re Stra­ßen: Wohn­häu­ser, eine Tank­stel­le, irgend­wann Gewer­be­ge­biet. Wir legen uns nie­der zum Schla­fen auf der stei­ner­nen Lade­ram­pe eines Anbie­ters von Gas­ka­tu­schen, die jeden­falls ste­hen vor der Hal­le in den Rega­len. Es wird eine Nacht auf kal­tem Beton.

Am nächs­ten Tag fin­den wir für den Abend einen Cam­ping­platz, die Son­ne scheint. Wir haben den gan­zen Tag Zeit, wir stei­gen von Gap auf einen mit­tel­ho­hen, aber doch schon alpin-kar­gen Berg. Wei­te Aus­sicht über das Land.

Zum ers­ten Mal sind wir rich­tig in der Natur, das ist schön, davon ver­ste­hen wir etwas, vom In-der-Natur-Sein.

In drei Tagen wer­den wir wie­der in Deutsch­land sein.

Gap InterrailGap Interrail

Was bleibt von einer Inter­rail-Tour?

Die Kul­tur­haupt­städ­te Euro­pas kön­nen wir nur als über­bor­den­de Abs­trak­ti­on der Wirk­lich­keit wahr­neh­men. Klei­ne Jungs in gro­ßen Städ­ten, Dyna­mik und Cha­rak­ter der Metro­po­len blei­ben uns ver­schlos­sen. Wir sehen immer nur Ahnun­gen und Andeu­tun­gen von Lebens­we­gen, die wir noch nicht ken­nen. Eine schö­ne Frau auf der Stra­ße, zwei Män­ner mit Schals und Halb­schu­hen im Café, Bal­kon­früh­stü­cke, Ziga­ret­ten und Wein, Kunst, Bohè­me, Lebens­art.

Anders­her­um ist es wich­tig, sich die­se Ober­flä­che mal anzu­schau­en, um sie dann spä­ter ein­mal, wer weiß, selbst zu erle­ben und zu ent­zau­bern.

Man lernt auf Inter­rail natür­lich auch, sich ein biss­chen zu orga­ni­sie­ren, in der Grup­pe Pro­ble­me zu lösen, sol­che Geschich­ten. Aber das ist nur das Bei­werk.

Es ist für vie­le der ers­te Schritt in die gro­ße Welt, die heu­te viel klei­ner erscheint, nicht nur, weil man älter gewor­den ist. Heu­te ist alles gleich ultra­prä­sent, wenn man 40 Euro für einen Flug bezahlt. Die Umwe­ge ver­schwin­den.

Nie­mand braucht mehr ein Inter­rail-Ticket, aber das Rei­sen ist genau­so wich­tig wie frü­her. Es geht dabei nur am Ran­de um Sehens­wür­dig­kei­ten – son­dern um ein Gefühl für die Welt und das Leben.

Infor­ma­tio­nen zu Prei­sen:..www.interrail.eu

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Judith
    Judith

    sehr schön geschrie­ben! Erin­nert mich an mei­ne fünf­wö­chi­ge Inter­rail­rei­se vor zwei Jah­ren. Man bekommt glatt wie­der Lust auf über­füll­ten Nach­zug fah­ren und irgend­wo im nir­gend­wo schla­fen!

    1. Avatar von Philipp Laage

      Irgend­wo im Nir­gend­wo ist per­fekt – am bes­ten irgend­wo am Meer.

  2. Avatar von Jan
    Jan

    Ja, die Gegen­wart besteht heut­zu­ta­ge mehr aus abs­trak­ten, schnell wech­seln­den Model­len mit nor­ma­ti­ver Anwen­dung als frue­her.
    Mag auch sein, dass im Vor­stel­lung­ho­ri­zont von Leu­ten, die in frue­he­ren Zei­ten als Pil­ger, Rad­fah­rer oder Inter­rail­rei­sen­de Rom, Paris oder Vene­dig besuch­ten, latei­ni­sche Spra­che, roe­mi­sches Reich, Renais­sance, Reli­gi­ons­kon­flik­te, Abso­lu­tis­mus, Revo­lu­tio­nen, Natio­nal­staa­ten mit Buer­ger­rech­ten und – pflich­ten von der Bil­dung bis zur Ueber­deh­nung, prae­sen­ter und gewich­ti­ger waren als bei den oben beschrie­be­nen Rei­sen­den.
    Gleich­zei­tig trifft aber auch zu, dass es – eben auch aus­ser­halb von Lebens­we­gen, in denen jahr­zehn­te­lan­ge Papier- und Scher­ben­ar­beit sowie wirk­lich abs­trak­te Theo­rie als Haupt­in­ter­es­sen vor­kom­men – noch nie so leicht war wie heu­te, durch Inter­net oder bezahl- und les­ba­re Bue­cher die eine oder ande­re Wis­sens­lue­cke zu schlies­sen, sobald man sie z.B. beim Anblick einer raet­sel­haf­ten Stadt­ku­lis­se bemerkt.
    Inso­fern ver­ste­he ich das hier ange­spro­che­ne Pro­blem nicht.
    Wer aus­ser­dem das Gefuehl fuer die ›gros­se‹ Welt und das Leben vor allem aus feucht­froeh­li­chen Begeg­nun­gen mit ame­ri­ka­ni­schen Tou­ris­ten und dem Zau­ber des Anblicks schoe­ner Frau­en bezieht und mit Trans­port­mit­tel-Orga­ni­sa­ti­on sowie Grup­pen­dy­na­mik in Zusam­men­hang ste­hen­de Pro­bem­loe­sun­gen ›auf Inter­rail gelernt‹ hat – der soll­te mal als Bei­spiel nach Kleo­pa­tra, Colom­ba, Han­ni­bal oder Marie Antoi­net­te goog­len, und dann den Aus­druck ›ueber­bor­den­de Abs­trak­ti­on der Wirk­lich­keit‹ im Besug auf euro­paei­sche Kul­tur­haupt­staed­te noch­mal ueber­den­ken – die ›ueber­bor­den­de Wirk­lich­keit‹ wuer­de wahr­schein­lich bestehen koen­nen, aber ver­mut­lich muess­te ›Abs­trak­ti­on‹ ganz schnell gestri­chen wer­den!

    1. Avatar von Philipp Laage

      Bit­te nicht alles durch­ein­an­der wer­fen für eine spöt­ti­sche Replik! Es geht ja bei den Gedan­ken über die Städ­te eher dar­um: Wie ist es, mit 19 Jah­ren in Paris anzu­kom­men? Oder in Rom? Hut ab, wenn Sie in die­sem Alter mit Büchern über Kunst- und Kul­tur­ge­schich­te durch Euro­pa gereist sind, denn ein Tablet mit Wifi kön­nen Sie beim Anblick der Stadt­bil­der ja damals noch nicht zur Hand gehabt haben. Und ein Gefühl für die Welt und das Leben ent­steht natür­lich beim Rei­sen, aber Moment: So steht es ja auch in der Geschich­te. Nichts für Ungut.

    2. Avatar von Jan
      Jan

      Ganz so spoet­tisch habe ich es nicht gemeint, wenigs­tens nicht bezo­gen auf Ihren super kon­stru­ier­ten Text – bloss zeigt er eben auch deut­lich, wohin die Ent­wick­lun­gen selbst zwi­schen 2006 bis 2013 wei­ter­hin gehen: Selbst­in­sze­nie­rung durch situa­tiv zu ver­wen­den­de vor­ge­ge­be­ne Model­le, heu­te oft ein­zi­ger Lebens­in­halt und ein­zig moeg­li­che Ueber­le­bens­stra­te­gie selbst bei einer peri­pha­ren Tae­tig­keit wie dem Rei­sen.
      Die ers­ten Male per Inter­rail in Paris, Niz­za, Rom und Vero­na, aber auch in Athen, Wien, Buda­past und Prag fan­den bei mir mit 15, 16 statt. Meist allei­ne. Und nein – viel wuss­te ich sei­ner­zeit nicht ueber die europ. Kul­tur­haupt­staed­te und ihre Geschich­te oder ihre Geheim­tipps fuer rau­schen­de Fes­te, weiss ich auch heu­te nicht. Auch Rei­se­fueh­rer und kunst­his­to­ri­sche Wael­zer habe ich, wenn ver­fueg­bar, nur aus­zugs­wei­se und meist kurz nach Heim­kunft bemueht. Vor­kennt­nis­se und Neu­gier haben aber aller­dings aus­ge­reicht, um z.B. in Ungarn und Ita­li­en nicht Ham­bur­ger und Wuerst­chen, son­dern Pas­tet­chen bzw. Par­me­san mit fri­schem Weiss­brot und einem Glas loka­len Wein ein­zu­neh­men, und um Ver­sailles, dem Lou­vre, dem Pont Neuf, dem Quar­tier Latin oder Bou­le­vard Saint Michel, der Via Giu­lia, Via Appia, San Gio­van­ni in Lat­ter­ano, dem F.R., der Fischer­bas­tei, der Pes­t­er Kon­zert­hal­le, der Pra­ger Burg, dem Kaf­ka-Haus, einem Holz­pup­pen­thea­ter, usw. Besu­che abzu­stat­ten, dabei die (kultur-)geschichtliche Bedeu­tung ober­flaech­lich zu ken­nen. Auch, um vor dem Hin­ter­grund des Hin­wei­ses auf den Romeo&Julia-Balkon die ueb­li­chen (Jugend-)Paarbeziehungen im Ueber­gang vom 20. Zum 21. Jahr­hun­dert zu reflek­tie­ren, deren Idea­le eher die Fil­me von Bigas Luna oder Pedro Almo­do­var, aber auch ´Basic Instinct´ und ‘Der beweg­te Mann’ waren, bzw. sind. Waeh­rend­des­sen war in den Jugend­her­ber­gen Ungarns und Tsche­chi­ens kaum moeg­lich war, nicht in Geprae­che mit Ein­hei­mi­schen mit deren Erwar­tun­gen bezueg­lich des kurz zuvor erfolg­ten fried­li­chen Umbruchs in Ost­eu­ro­pa kon­fron­tiert zu wer­den.

      Aber mal eine ganz ande­re Fra­ge: war­um gibt es in den Sued­ame­ri­ka-Berich­ten nichts zu Kolum­bi­en?

    3. Avatar von Jens

      Die Welt ist deut­lich klei­ner gewor­den, dass kann man schon sagen. Mei­ne ers­te Euro­pa­rei­se habe ich eben­falls mit 19 Jah­ren unter­nom­men – Ita­li­en mit dem Auto (geborgt vom Vater eines Freun­des). Man erle­bet eine »Welt« anders, wenn man sich bemü­hen muss das Ele­men­ta­re zu regeln (also schla­fen, essen etc.) – das fin­de ich auch.

      Fotos sind ein span­nen­der Zeit­zeu­ge die­ser Rei­sen. z.B. sind mei­ne ers­ten Bil­der aus Rom und Paris nach wie vor noch viel ein­dring­li­cher in mei­nem Kopf, als alle Fotos, die ich in die­sen Städ­ten spä­ter geschos­sen habe. Sie wir­ken weni­ger kon­stru­iert, als heu­te – authen­ti­scher, da das Augen­merk in der Jugend wahr­schein­lich noch auf etwas ande­res lag.

      Man war aber damals auch noch nicht so »gehetzt« und man hat­te Zeit zu rei­sen – die Angst etwas zu ver­pas­sen oder nicht zu sehen, setz­te sich bei mir erst ein, als ich Städ­te nur noch in »Tagen erle­ben« konn­te.

      Ich war mit 17 Jah­ren das ers­te Mal mit mei­ne dama­li­gen Freun­din in Paris – in der Stadt der Lie­be und ich hat­te kei­ne Ahnung von der Paris und kei­ne Ahnung von der Lie­be. Auf mei­nen Fotos von damals sieht man sehr deut­lich, wie man trotz­dem aller Unkennt­nis, der Stadt gerecht wer­den woll­te. 13 Jah­re spä­ter war ich noch mal in Paris (Bil­lig­flie­ger) und ich war ent­täuscht von der Stadt.

      All mein Wis­sen über die Stadt, hat den Zau­ber ver­flie­ßen las­sen…

    4. Avatar von Philipp Laage

      »Auf mei­nen Fotos von damals sieht man sehr deut­lich, wie man trotz­dem aller Unkennt­nis, der Stadt gerecht wer­den woll­te.« – Das haben Sie tref­fend beschrie­ben. Die­ses Wis­sen um die eige­ne Unzu­läng­lich­keit, einer Stadt gerecht wer­den zu kön­nen und es trotz­dem (ver­zwei­felt) ver­su­chen.

  3. Avatar von Sarah Heimatherz

    Wie schön! Ich bin ja eigent­lich ein gro­ßer Zug Fan – mir gefällt es das man dabei die Ent­fer­nung die man zurück­legt wirk­lich »spürt«. Das fehlt beim flie­gen ja total. Start, lan­dung und zack bis­te da. Scha­de nur, dass oft die zeit dafür und noch viel öfter das Geld fehlt. Eigent­lich ziem­lich schräg das Flü­ge oft güns­ti­ger sind als mit der Bahn zufah­ren

    1. Avatar von Philipp Laage

      Du hast Recht, Sarah. Die­se Auf­he­bung von Distan­zen führt, glau­be ich, ver­stärkt dazu, dass vie­le Leu­te bestimm­te Rei­sen wie­der bewusst ent­schleu­nigt zurück­le­gen. Groß­ar­ti­ge Lite­ra­tur gibt es zum Bei­spiel von Wolf­gang Büscher, der zu Fuß von Ber­lin nach Mos­kau lief, durch die USA und ein­mal um Deutsch­land her­um. Aber natür­lich: Wer hat Zeit für sol­che Pro­jek­te…

  4. Avatar von Philipp Laage

    Nein, ich muss zuge­ben: alle digi­tal und mit Retro-Fil­ter über­zo­gen.

  5. Avatar von Johannes Klaus

    Sehr schö­ne Fotos… sind sie alle ana­log?

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