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Wie ich die ELBE entlangfuhr und meine Heimat neu entdeckte. Eine Sehnsuchtsreise
Ein Strom, der in Schleifen durch märchenhafte Auen fließt. Gänserufe und das Rascheln von Schilf. Die Elbe ist ein Sehnsuchtsort, einer der letzten über weite Strecken noch frei fließenden Flüsse Mitteleuropas.
Bei Neu Bleckede rückt der Radweg wieder näher an die Elbe heran. Buchten, Altarme, kleine Seen, Wiesen und Schilf, so weit das Auge reicht. Es fängt an zu tröpfeln. Frösche quaken, Zeit für ihr Abendkonzert. Ein Reh äst links vom Deich auf einer Wiese, es hebt aufmerksam den Kopf, alle Muskeln angespannt. Die Elbe hat ihr Abendkleid angelegt, es ist fast schwarz. Ich komme an einer Schafherde vorbei, auf die ein Hütehund aufpasst. Ein weitläufiges Areal am Deich ist mit einem Zaun abgesteckt. Der Hund bleibt nachts bei seiner Herde draußen, als Schutz gegen Wölfe.
In Stiepelse stehen hohe Linden und Kastanienbäume vor den Elbhäusern, aus einem Garten tönen laute Rufe. Offenbar hat sich das halbe Dorf zum Fußballgucken versammelt, der Fernseher steht hinter einer geöffneten Sprossentür. Ich verlagere mein Gewicht im Sattel, weil ich nicht mehr sitzen kann. Die Flusslandschaft, von der ich nie genug bekommen kann, hält mich bei der Stange. Der Mäusebussard, der über den gemähten Wiesen kreist, der Hase, der mir auf dem Deich entgegenhoppelt. Und in Konau begrüßt mich das Klappern der Störche. Ich bin froh, als ich meine Unterkunft, den Hof der Familie Trilk, gefunden habe. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal körperlich so erschöpft war. Zu müde, um richtig hungrig zu sein, knabbere ich Studentenfutter. Ich bin auch zu müde, um nur eine Zeile zu schreiben. Bald hüllt mich der Elbetiefschlaf ein.
Die Wasseroberfläche draußen auf dem Strom ist geriffelt. An den Buhnen bilden sich kleine Strudel, als ob Nymphen verspielt in die Tiefe tauchen. Mal sehen, was am Grund die Flussgöttin macht. Zwischen den Buhnen liegt ein Sandstrand unter Weiden, an dem ich ganze Tage verbringen könnte. Eine Schwarzpappel streift mit ihren herabhängenden Ästen das Schilf. Ich lehne mein Rad an ihren Stamm mit der zerfurchten Rinde, der aussieht wie aus dem Elbesagenland. Schwarzpappeln können 150 Jahre alt werden, in Deutschland sind sie selten. Sie brauchen intakte Flussauen und feuchte Böden und geben Hunderten von Arten Lebensraum: dem Pappelblattkäfer, dem Großen Pappelbock, dem Pappelschwärmer und anderen Insekten, Vögeln, Fledermäusen und kleinen Säugetieren.
Dieser Baum hat alles gesehen, die Grenzsoldaten, die Bauern beim Heumachen, die Stacheldrahtrollen direkt am Fluss. Vielleicht hat er der Elbe zugewispert: „Was soll das nur?“ Aber was wir Menschen an ihrem Ufer veranstalten, interessiert die Elbe nicht. Dass sie 40 Jahre lang Grenze war, dafür kann sie nichts. Sie strömt einfach und strömt und nimmt die Vergangenheit mit. Das hat etwas Versöhnliches.
Ein schwarz-weißer Schmetterling schaukelt über die Wiese, ein paar Meter entfernt stolziert ein Storch an mir vorbei, zielstrebig den Deich hinauf.
Ein Auszug aus dem Buch RAD, LAND, FLUSS* von Alexandra Schlüter mit Fotos von Manolo Ty:
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Ich wusste nicht, dass die Elbe so schön ist. Als jemand, der aus dem Süden Deutschlands kommt, hat es sich auch nie für mich ergeben, den Fluss zu sehen. Aber die Bilder und vor allem die Clips haben mich jetzt echt umgehauen. Danke für den tollen visuellen und literarischen Einblick!
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