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Dienstagabend an einer Tankstelle im Kölner Süden. Es friert, die Spritpreise liegen bei furchterregenden 1,70 € und an der Kasse nebenan versucht ein verzweifelnder Amerikaner Benzin zu kaufen. Ich zücke das Telefon und rufe Mo herbei, der im Auto wartet. »Es ist genau, wie wir es uns ausgemalt haben.« Kaum habe ich aufgelegt, steht er neben mir. »Was habe ich verpasst?«
»I would like to buy gas for 20 €.« – »Ja, dann tank doch!«
Die Sprache ist nicht das Hindernis, der kölsche Tankwart spricht bestes Englisch. Wir fassen uns bei den Händen und lauschen andächtig.
Knapp 20.000 Meilen haben wir in den letzten Jahren auf amerikanischen Highways verbracht, quer hindurch. Umgerechnet sind das: etwa 80 Mal tanken. Beim ersten Mal standen auch wir ratlos vor der Zapfsäule. Nachher malten wir uns aus: Wie tankt ein Amerikaner bei uns?
Wir haben amerikanische Filme gesehen, Bücher gelesen und die Präsidentschaftswahlen mal mit Spannung, mal mit Grauen verfolgt. Wir wissen bescheid. Wir sprechen die Sprache und unser Nachbar hat uns all seine Fotos gezeigt.
Und ja: Alles was wir erwarten, wird bestätigt. Und widerlegt. Wir verstehen alles, und liegen daneben. Als hätte jemand eine Zielscheibe aufgehängt, die wir von Deutschland aus beobachten können. Nur dass jeder Pfeil, den wir werfen, die Scheibe verfehlt und in kleinen bunten Missverständnissen drumherum landet. Vielleicht liegt das an der Erdkrümmung.
Wir benötigen keinen Dolmetscher. Sondern jemanden, der uns erst Meilen in Kilometer, dann »big« in »groß« und schließlich »tanken« in »buying gas« übersetzt. Und all die anderen Dinge, die ein kleines bisschen anders sind. Ein Auszug:
»Two large coffee« = »Wir möchten erst Donnerstag einschlafen«
Wir hätten es wissen können. Wissen müssen. Aber dann stehen wir völlig übermüdet im Kaffeeladen: »What size?« – »Groß« hätten wir unserem kölschen Kaffeemann geantwortet. »Large« sagen wir bei unserem ersten Stop in New Jersey. Damit die Becher überhaupt in die Halter in den Autos passen, sind sie unten so schmal wie ein deutscher großer Kaffee, und werden oben deutlich breiter. Spätestens jetzt müssten wir es wissen. Und dann, Wochen später, haben wir wirklich großen Hunger: „Two large pizza, please…“ Hätten. Wissen. Müssen. Schade.
Eine Verkäuferin, die wir in einem Supermarkt nach kleineren Packungen Schinken fragen, erklärt es uns: »You’re in America, honey, we don’t do small.«
Das haben sich selbst die Bäume zu Herzen genommen. Wo sonst sollten die größten Bäume der Welt stehen?
»historic« = »meine Oma«
Nach dem Besuch der dritten historischen Kirche fasst Mo es so zusammen: »Was hier historisch ist, ist bei uns meine Oma.« Unfair? Der Kölner Dom ist älter als die Geisterstädte Bodie (Kalifornien) und Bannack (Montana). Trotzdem besuchen wir sie häufiger als den heimischen Dom: Wir werden Zeuge vom Aufstieg und Fall ganzer Städte.
Unseren Frontalzusammenstoß mit Geschichte erleben wir dann auch an einem Monument, das so jung ist, dass es nicht mal fertig ist: Das Crazy Horse Memorial in South Dakota, Denkmal des Kriegers der Lakota-Sioux, die größte Bergschnitzerei der Welt: 195 m lang, 171 m hoch. Crazy Horse reitet auf seinem Pferd durch sein Land – bislang fertig: das Gesicht.
Warum unser Favorit? Stellt euch davor. Stellt euch einfach eine halbe Stunde davor (wer mehr wissen möchte).
Und dann stehen wir am Canyon de Chelly, Arizona – und der Dom sieht plötzlich gar nicht mehr so alt aus.
»Deer Crossing«-Schilder = »Rehe, Alligatoren und Mücken, versammelt euch!«
Tausende Wildwechsel-Schilder sind über Deutschland verteilt – aber wie oft sehen wir ein Reh? Wir Kölner äußerst selten. Drum nehmen wir die Schilder selten ernst.
In den USA bedeuten sie: Langsam fahren, sonst werden die Fotos unscharf. Bald lassen wir die Kamera stecken, noch mehr Rehfotos brauchen wir nicht. Genauso ernst hätten wir die Warnungen vor Moskitos und Alligatoren (Florida) nehmen sollen. »Komm, wir gehen in den Sumpf, wir haben ökologisch-biologisch-hautpflegenden Insektenschutz dabei.« Alligatoren grunzen. Wieder was gelernt.
Bären-Schilder (Wyoming) funktionieren anders: 30 Schilder sind umgerechnet ein Bär. Bei »Achtung, Puma« (Florida) warten wir vergeblich. Trotzdem schlafen wir in dieser Nacht im Auto statt im Zelt. Sicher ist sicher.
»Werwolf« = »You’re a Jacob-Fan! How nice!«
Unser Favorit der kleinen Missverständnisse: In einem verschlafenen Nest in den Wäldern von Washington finden wir eine Tankstelle. Mo geht bezahlen und wird von der Tankwärtin ins Herz geschlossen. »I’m a Jacob Fan, too. Bella should be with him. Not Edward.« Schuld ist Mo’s Werwolf-Tätowierung am Unterarm: Wir stehen in Forks – dem Städtchen der Twilight-Romane, wo »Vampire und Werwölfe willkommen sind«. Mo stolpert rückwärts aus der Tankstelle.
Damit zurück zu unserem Tank-Problem. Die Lösung ist beinah enttäuschend einfach: Amerikaner bezahlen erst, tanken danach. Bei unserem ersten Tankerlebnis versuchen wir so verzweifelt, die Zapfsäule zum laufen zu bringen, dass der Tankwart eine Durchsage macht: »Come on you guys with the small car, you forgot to pay.«
Bis dahin hatten wir uns über unseren großen Mietwagen gefreut.
Keine zwei Minuten dauert die Begegnung in unserer kölschen Tankstelle: Der amerikanische Gast wedelt mit seiner Karte, der Tankwart wundert sich, dann verstehen beide und freuen sich, etwas über den anderen gelernt zu haben. Und wir fühlen uns, als wären wir endlich wieder unterwegs.
Er tankt, er bezahlt. Zum Abschied meint er: »Your prices for gas are frightening«. Keine Verständigungsprobleme hier.
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