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Vier Wochen in Peru waren ein erhebendes Erlebnis: der Titicacasee, Machu Picchu, die weißen Berge der Anden! Doch vor allem: die Freiheit, die Euphorie, meine Erwartung, dass mit dieser Reise nun alles anders wird. Meine Ernüchterung, dass es nicht so gekommen ist.
Abflug nach Peru, 23 Stunden über den Globus, es geht zum ersten Mal nach Südamerika. Eine große Reise.>
Zwischenlandung in Atlanta. Der Beamte von der Einwanderungsbehörde hebt die Hand und legt mir nahe zu schweigen, als ich erzählen will, was ich in Peru mache: »Holidays, Sir«. Es interessiert ihn nicht.
Im Flughafen kaufe ich das Time Magazine und The Atlantic. Ich trinke einen Kaffee und fühle mich sehr sophisticated. Ich denke daran, dass Reisen überhaupt nicht mehr mondän ist.
Boarding für den Flug nach Lima. Die Frage, was man sich davon verspricht.
Reisen ist diese feine Gratwanderung: zwischen Einsamkeit und Alleinsein, zwischen banaler und anregender Gesellschaft, Überdruss und Genügsamkeit, stressigem Aktionismus und Tatendrang.
Die Freundlichkeit der Stewardessen: ein Zwangoptimismus, den man irgendwie schätzt. Diese euphorische Erwartungshaltung auf einem Interkontinentalflug, obwohl eigentlich alles stressig ist. »Welcome on bord, Sir.« Ja! Genau! Recht herzlichen Dank.
Über den Wolken wird das Verhältnis zu den Bezugspunkten des Lebens neu verhandelt: zu Orten und Plätzen, Bars und Cafés, Strecken und Wegen durch die Stadt, aber auch inneren Abläufen, Mustern im Kopf, der Einteilung des Tages in bestimmte Sinnabschnitte. Zeit zum Ausspannen, Arbeiten, Essen, Telefonieren, daraus setzt sich der Tag ja meist schon zusammen.
Die Sehnsucht des Reisenden: sich der Periodik des Alltags entziehen.
Ich trinke einen Rotwein. Das Gefühl, leicht betrunken in die Ferne zu fliegen, weil das irgendwie ein großer Moment ist.
Die Überheblichkeit des Reisenden: Man stellt es – jetzt endlich, nach langer Mühe, der Routinearbeit den Rücken kehrend – alles besser an.
- Lima Miraflores –
Wohlstand kommt ohne Ästhetik aus, das sieht man hier ganz deutlich. Stacheldraht auf den Mauern der Häuser, teure Sushi-Restaurants, die ausländischen Botschaften stehen wie Kasernen auf kleinstem Raum. Der Himmel hängt grau über Lima. Nur ein paar Surfer mit Neoprenanzügen stürzen sich in den Ozean, die Küste fällt steil zum Wasser hin ab.
Umherschlendern und wissen, dass man Zeit hat, dass man sich an nichts orientieren muss, dass man frei ist in seinen Entscheidungen.
Die Haut der Bewohner von Miraflores ist sehr hell, hier leben viele Nachfahren der spanischen Besatzer, reiche Leute, die criollos oder – etwas abfälliger – chollos. Es sieht alles so europäisch aus.
Ich habe viereinhalb Wochen in Peru, mehr als einen ganzen Monat, der keine geregelten Abläufe kennt. Vier Wochen, die sich anfühlen wie ein ganzes Jahr.
- Arequipa -
Der Bus hat 18 Stunden gebraucht, wir haben geschlafen und Filme auf einem kleinen Fernseher geguckt. In 3 Meters above the sky kämpft ein harter Typ um eine Frau aus gutem Haus, sie verlieben sich, aber er kann seinem Wesen letztlich nicht entkommen, er prügelt sich, er versaut es, das Ganze nimmt kein gutes Ende.
Wir waren wieder eingeschlafen und als wir aufwachten, war draußen plötzlich Wüste, die costa lag da, trocken und karg.
Wir waren losgefahren ohne eine große Idee von etwas, was diese Reise nun bedeuten könnte, von etwas, das stattfinden müsste: Frauen aufreißen, Wagemutiges tun, möglichst den Touristen-Touristen hinter sich lassen, ins individualisierte Extrem gehen.
Just having a good time.
Der Tag hat schon zwei oder drei Stunde Farbe, als wir uns der weißen Stadt Perus nähern. Schneebedeckte Vulkane am Horizont. Der Himmel ist diesig, Schneekuppen ragen aus den Wolken. Wir suchen ein kleines Hostel und schlendern durch die Gassen. Sehr weiße Haut unter sehr weißer Sonne.
Triviales Gefühl, aber: Arequipa fühlt sich gut an.
Die Lust auf einen Kaffee am Nachmittag. Der weite Raum über den schneebedeckten Vulkanen der Stadt. Blauer Himmel.
In der Santa Catalina bieten die Geschäfte feine Alpaka-Wolle an. Handschuhe, Schals, Pullover. McDonalds und Starbucks in der Haupteinkaufsstraße. Alles sehr vertraut und doch ganz weit weg. Man sitzt jetzt mitten in Peru und war vor zwei Tagen noch in Deutschland.
Warmes Abendlicht am Plaza Principal de la Virgen de la Asunción, die mächtige Kathedrale aus Sillargestein überragt den Platz, Kinder scheuchen Tauben auf, das Sonnenlicht bricht sich im Wasser des Springbrunnens, überall sind Menschen. Gelbstichige Stadt, alles retro und doch Gegenwart.
Die angenehme Anonymität des Reisenden.
Der Wunsch: auf einer Bank sitzen und glücklich sein.
- Abends in Cabanaconde -
Das Kärgliche, Ärmliche fordert den ignoranten Touristen heraus, der überall einfach nur rumsitzen und sich toll fühlen möchte.
Einsamkeit, Beklemmung. Was willst du hier, Fremder?
Frauen in bunten Gewändern, tiefe Falten, große Hütte. Scham, dass man die isolierte und ländliche Armut pittoresk findet. Der privilegierte weiße Mann fotografiert die armen Bauern.
Wir wandern einen Tag hinab in die Schlucht des Colca-Canyons und wieder herauf, denn wir wollen schnell weiter, zum großen Titicacasee im Süden des Landes.
Was lässt sich in welcher Zeit sehen? Reisen als Konsumoptimierung: Orte ablaufen, Fotos schießen, abhaken. Das, wofür man die Pauschaltouristen spöttisch bemitleidet und verachtet.
Morgen wollen wir weiter.
Das Unvermögen, sich davon freizumachen.
- Auf der Fahrt nach Puno -
Wir fahren mit dem Bus hinauf auf die Hochebene der Altiplano, vorbei am Misti und Chachani, immer höher schraubt sich die Straße. Man erwartet jetzt eigentlich einen Pass, einen Scheitelpunkt, hinter dem es gleich wieder bergab geht. Doch dann tut sich das Hochland auf, mehr als 3500 Meter hoch, bis weit an den Horizont. Nichts außer weitem Gras durchzogen von Tümpeln.
Hineinfahren in die Nacht, Menschenleere. Dieses seltsame Gefühl, tief im Hochgebirge unterwegs zu sein und dennoch gleich das Meer zu erreichen.
Gefällt man sich eigentlich in dem, was man macht?
Wir wissen nicht, ob sich die Landschaft gleich verändert. Wie sich das Tal immer weiter auftut, als habe es jemand mit einem Messer aufgeschnitten, wo man eigentlich glaubte, gleich ginge es überhaupt nicht mehr weiter. Wie man im Bus dasitzt und durch das peruanische Hochland fährt.
Ist das wichtig, dass man sich dabei gefällt? Oder gerade nicht?
>Diese Frage ließe sich ja jedem ultraproletenhaften Partyurlauber stellen, der am Samstagabend in El Arenal in so eine verheißungsvolle Nacht zieht, frisch rasiert, gestylet, braun gebrannt, in dieser selbstgewissen Vorfreude auf die Ereignisse der Nacht. Der gefällt sich sicher auch, in dem ganzen Ding, das er da durchzieht.
Draußen ist es komplett dunkel, wir sehen nichts mehr.
Reisen als ein sehr selbstbestätigender Akt, also als ein komplett sozialer Akt, der diesen Spiegel braucht.
- Abends in Puno -
Die Lichter der Stadt, weiß und orange.
Unheimlich ist das Wissen, dass hinter dem See, noch viel tiefer auf diesem Kontinent, nur noch Urwald kommt, tausende Kilometer weit. Wir müssen ein Zimmer für die Nacht finden.
Wie stark der Ablauf des Tages Maß und Orientierung auf Reisen gibt. Busfahrtzeiten, eine offene Grenze, die Dunkelheit.
Man sitzt ja nicht den ganzen Tag bei irgendwelchen Urvölkern, wandert auf einsamen Bergpfaden, liegt pirschend im Busch. Man fährt Bus, man geht »kurz ins Internet« und liest die Nachmittagszusammenfassungen der einschlägigen Nachrichten-Websites, man sucht etwas Vernünftiges zu essen und will gelegentlich einfach einen guten Kaffee trinken (ganz oft schwierig).
Draußen auf den Straßen läuft eine Parade durch die Stadt, wir wissen nicht, welches Fest gefeiert wird, aber die Bürgersteige sind voll, Männer trinken Alkohol, spielen Instrumente. Die Verkleideten tanzen über die Fahrbahn. Lautes, lebensfrohes Puno.
Immer wieder die Frage, warum man reist, warum an einen bestimmten Ort?
Wir suchen ein passables Restaurant. Das ceviche wird mit einer roten Schote serviert, ich beiße herzhaft hinein, weil ich denke, dass es sich um Paprika handelt. Schmerz und Tränen. Die lachenden Kellner. Die Verlassenheit von Puno, die wir wahrnehmen. Das laute Leben, das draußen vor uns an der Tür vorbeizieht. Der Widerspruch in diesem Moment.
Ich bestelle Milch, um die Schärfe zu beruhigen, damit ich weiter essen kann. Zum Abschluss gibt es papaya con leche und Kaffee (mäßig gut, aber mit viel Milch).
Mein Verloren-Sein in der Ferne.
- Auf der Fahrt nach Copacabana -
Im Bus zur Grenze: Hippies mit Schal und dieser Nagetierfrisur, die Seiten kurz, im Nacken ganz lang. Die Einladung zu einem Rave auf der Isla del Sol. Leute mit komischen Flecken im Gesicht, lächelnd und drauf.
Mein Zorn auf die Backpacker. Wie sie dasitzen in ihren lumpigen Klamotten und Armut zelebrieren. Ihre Langweile im Gesicht, ihre gespielte Abgeklärtheit. Wie sie sich an nichts mehr begeistern können und trotzdem alles awesome finden.
An der Grenze zu Bolivien müssen wir aussteigen und die Pässe stempeln lassen.
Diese Anmaßung der Traveller-Kaste, die behauptet, das Land und die Leute kennenlernen zu wollen, die sogenannte Kultur, und dann diese dämliche Frage, in welcher Zeit das denn überhaupt zu machen wäre: zwei Wochen, zwei Monate, zwei Jahre?
Mein Eingeständnis, dass ich nur für mich reise, dass das eine ganz egoistische Komponente hat.
- Cusco -
Wieder liegt eine lange Nachtfahrt hinter uns. Wir laufen herum und wissen nichts mit dem Tag anzufangen, außer herumzulaufen. Cusco ist sonnig und klar an diesem Tag.
Was ich glaube: Das Zuhause reist mit, es verändert die Reise, die Sicht auf die Reise, die Herangehensweise.
Wir sind in der Hauptstadt des alten Inka-Reiches, Cusco ist das kulturelle Zentrum Südamerikas.
Am Plaza del Armas vor den wuchtigen Iglesia de Compañía gibt es einen großen Straßenumzug. Die Kinder aus den Kindergärten der Stadt haben sich verkleidet. Kostüme und Comedy, Folklore und Batman.
Müsste man nicht eigentlich komplett alleine reisen?
Wir sitzen auf der Treppe nahe den Arkadengängen und essen – gegen jedes ungeschriebene Backpacker-Gesetz – einen Cheeseburger von McDonalds. Es wird Abend in Cusco, am nächsten Tag wollen wir Machu Picchu sehen.
Ist Reisen nun Weltentzug oder nicht? Wie altmodisch dieser Gedanke ist, letztlich dumm. Meine Sehnsucht nach einer größeren Welt.
Vielleicht muss man die Grenzen von Heimat und Ferne aufheben, das Internet immer dabei haben, Mails checken, an Artikeln feilen, Online-Banking machen, all diese Dinge. Oder genau das Gegenteil tun.
»Mach die Welt zu deinem zuhause.« Wie ich es nicht mehr hören kann.
Am Morgen der schlimme Kater. Wir sind in so einem Sauftouristen-Hostel abgestiegen, bestimmt 400 Schlafplätze, Happy Hour jeden Abend, die Drinks sind groß und stark gemischt. An der Bar nur crazy dudes, die den ganzen Tag gute Laune haben, dabei hat man ja fast nie den ganzen Tag gute Laune.
Was ich nicht sagen kann: dass sich der Mensch allein durch das Reisen in seinen Gewohnheiten verändert, ob ihm das Reisen eine Veränderung aufzwingt.
Meine Gewissheiten und wie sie schwinden.
- Iquitos -
Peru sieht hier ganz anders aus als im Rest des Landes, irgendwie karibischer, denke ich mir, obwohl ich noch nie in der Karibik war.
Wie lässig es ist, durch Iquitos zu fahren in einem offenen Dreirad, das eigentlich nichts kostet. Einfach herumfahren. Wir brechen auf in den Dschungel, zwei Tage sind wir fort im Amazonas-Regenwald.
Der Wunsch, dass die Planung entgleitet. Die Angst, dass es wirklich so kommt.
Am Hafen essen wir fangfrischen Fisch, der fast nichts kostet. Wie freundlich die Menschen sind, und sei es nur, weil sie etwas verkaufen wollen. Wie egal mir das ist.
Immer wieder einen Kaffee trinken (warum eigentlich?) – Herumsitzen unter der tropischen Sonne. Die Frage, was nun anzufangen wäre mit dieser Reise, was sie bedeuten kann, was sie ausgelöst hat, warum das nun gut war, hierhin oder dorthin zu fahren.
Wie ich nicht rauskomme aus meinem dummen Kopf.
- Auf dem Weg nach Huaraz -
Fahrt durch den Elendsgürtel nach Norden. Knapp ein Drittel aller Peruaner wohnen in Lima. An jeder Ecke: Händler, Schmuggler, Checker, die informellen Arbeiter der informellen Siedlungen, primitiv zusammengebastelt aus Schilfrohr, Wellblech und Abfall. Die barriadas erobern die trockenen Hänge der Küstenwüste.
Ich will etwas Sinnvolles zu Papier bringen, aber es gelingt nicht.
Der Humboldtstrom treibt den Nebel an Land, den grauen garúa, der alles etwas depressiv aussehen lässt. Endlose trübe Küste entlang der Panamericana.
Busfahrten sind ganz wichtig, weil einem dann erst diese Gedanken kommen, weil man dann erst Zeit hat, alles zu reflektieren und zu sinnvoll scheinenden Schlüssen zu verbinden, obwohl man ja weiß, dass das alles wieder nur temporäre Einsichten sind, aber anders geht es gar nicht. Man kann nicht immer versuchen, zeitlose Wahrheiten aufzuschreiben, bei denen jeder in zwanzig Jahren zustimmend nickt, damit braucht man gar nicht anfangen, das gelingt vielleicht einmal in drei Texten. Also: die Erwartungen zurückschrauben und das Temporäre zulassen.
Wieder: Hineinfahren in die Nacht, dieses Mal bin ich allein, endlich allein. Das Land faltet sich auf, als der Bus die Küste verlässt. Meine Sehnsucht nach dem Gebirge.
Meine Unzufriedenheit mit mir selbst.
- Im Nationalpark Huascarán -
Ich liege im Zelt auf 3900 Metern, draußen die vergletscherten Sechstausender der Cordillera Blanca. Queñua-Bäume wachsen entlang des kleinen Flusses an unserem Lagerplatz im Llanganuco-Tal.
Meine Überlegung: wie viel Zeit es braucht, sich von den Strukturen und Zwängen der Heimat zu lösen, und ob dazu nicht Abgeschiedenheit, Einsamkeit und ein klarer Bruch nötig sind.
Draußen macht Marcus, unser Koch, das Abendessen fertig. Stille im Tal. Mein Wunsch, eine Zeitung zu lesen.
Die Vermutung: Es ist eine unglaublich wichtige Erfahrung, einmal mit sich selbst allein in der Fremde zu sein, damit man seinen Platz in der Welt findet, ein Verhältnis, ein Arrangement treffen kann mit all dem Unbekannten, das einem im Leben begegnet, ganz grundsätzlich.
Am nächsten Morgen: Aufbruch zum Basislager des Nevado Pisco. Große Euphorie.
- Huaraz -
Nach einer Woche in der Wildnis: erst mal wieder duschen und dann ein nettes Restaurant suchen. Wie gut es tat, wirklich raus zu sein. Plötzlich scheinen Dinge wieder möglich zu sein.
Meine Freude über das, was war.
2012. What a year. Januar: Totalabstinenz, Klarkommen, Ruhigstellen, kein Alkohol und keine Musik, bitte überhaupt keine Emotionen, lieber Nichtempfinden als mieses Empfinden. Februar: wieder Rantasten, alles schon okay, der Weg stimmt.
Ich rufe meine Eltern an, die sich schon Sorgen gemacht haben, und laufe abends einfach die Straßen bergan, ich weiß nicht, wohin ich gehe.
März: Reise, Bruch, Reflexion, zum letzten Mal. April: so ein offener, weiter, breiter Sommer kündigt sich an, der viel verheißt, erahnen lässt. Mai: Umzug, eine Änderung der allgemeinen Umstände. Und auch: raus aus dem eigenen Hirn, irgendwie der Selbstverfolgung entkommen.
Oberhalb von Huaraz haben sich rund 400 Menschen versammelt. Bierkästen, ganze Schweine auf dem Grill, Volksfeststimmung. Was ich erst langsam begreife: Es soll hier einen Stierkampf geben. Die Leute suchen sich die besten Plätze am Hang. Trunkenheit und Handgemenge. Die Leute lachen mich an und sagen »gringo«.
Juni: Der Reisemoment, ein Monat entwurzelt, aber überall glücklich, sogar mit viel Arbeit, ungewohnter Arbeit. Eine Zeit, die man erst im Rückblick als Wendepunkt erkennt. Brüssel, diese Sommernacht, Tanzen bei Madame Mustache, Morgensommerlicht, Herzklopfen. Da steht man wieder auf der Bühne des Lebens und sitzt nicht mehr in der Grübelkammer.
So irre, so vieles, dieses Jahr. Blick auf die Berge hinter Huaraz nach einer Woche im Gebirge, nur mit dem Bergführer und mir selbst: fast schon zu gut dieser Sommer.
Bevor der Stierkampf richtig losgeht und die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist, laufe ich wieder runter in die Stadt.
Mein Optimismus in dieser Stunde.
- Zurück in Lima -
In der Hitze des Mittags laufe ich nach Barranco. Ich bin allein und trinke Wein in einem kleinen Restaurant. Wie ich einfach ziellos umherlaufe und mich frage, was das soll.
Mein Versuch, durch das Verschwinden in der Ferne in der Heimat alle Teile noch mal neu zu ordnen, sie anders zusammenzusetzen.
Das Verschwinden gelingt besonders gut im Stadtverkehr. Junge Paare, die knutschen: Das ist immer ein schönes und gleichzeitig melancholisches Bild, weil es einen an Zeiten erinnert, wo nicht so viel ausgehandelt werden musste, weil es mehr gab, dass die Richtung, den Rahmen vorgab.
Vielleicht wollen sich junge Menschen einfach schicke Anziehsachen kaufen, mit ihren Freunden in der Mall abhängen und die neusten Lieder auf ihrem Smartphone haben. Und vielleicht ist das überhaupt nicht verkehrt.
Meine Erkenntnis: Die Reise an sich, also die Bewegung von einem Ort zu einem anderen, die man eher als Fortbewegung bezeichnen muss, ist erst einmal überhaupt nichts wert.
Wie kann das Reisen eine gänzliche andere Erfahrung sein als das Leben zuhause, wenn man sich den gleichen Mechanismen unterwirft?
Meine Verwirrung in dieser Frage.
Der letzte Abend am Plaza Mayor. Ich setze mich auf die Stufen der Kathedrale von Lima. Ich wälze die grundsätzlichen Fragen des Lebens. Vier Wochen sind vorbei, aber es kommt mir vor, als sei ich erst gestern angereist. Meine Rastlosigkeit.
Das Taxi Richtung Flughafen ist pünktlich.
Die Illusion, dass zu Hause alles anders wird.
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Sehr schöne Eindrücke und cool geschrieben! Auch die Fotos finde ich toll. Ihr habt hier immer richtig tolle Geschichten zu finden, das lenkt mich extrem vom Arbeiten ab und lässt träumen
Bald geht es für mich hoffentlich auch nach PeruLiebe Grüße und schreibt weiter Geschichte(n),
TaraGrauenhaft geschrieben .… ( Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden … )
Aber danke für die Bilder 🙂
Na wenigstens etwas gefällt… 😉
Stark!
Sehr berührender und interessanter Bericht. Aber in Peru zu McDonald’s geht wirklich gar nicht!! 😉
Wir haben gesündigt.
Hervorragend geschrieben, aber vor allem sehr anregende Gedanken! Danke fürs (Mit)Teilen 🙂
Bald kommt Bolivien, eine Geschichte über Genügsamkeit. Sozusagen als Gegenpart.
Toll geschrieben und wunderschöne Aufnahmen! Thx.
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