Ouarzazate und die Oase Fint: Marokkanische Filmgeschichte zum Anfassen

Ouarzazate Filme

In der marok­ka­ni­schen Wüs­te rund um Ouar­za­za­te dreht Hol­ly­wood sei­ne Fil­me. Wir schau­en uns das mal genau­er an. 

Das Bes­te an der Fahrt von Aga­dir nach Ouar­za­za­te ist, dass sie nicht über den Hohen Atlas führt und man ohne viel Geschau­kel die Land­schaft betrach­ten kann. Madi­ta, eine Freun­din aus Stu­di­en­zei­ten, und ich zockeln in einem Rei­se­bus durch kar­ge Step­pen­land­schaf­ten, aus denen ocker­far­be­ne Gras­hal­me her­aus­schau­en und ansons­ten viel Staub auf­wir­belt. Wir sit­zen auf einem Stück Papp­kar­ton, der Sitz ist nass vom Regen. Unser Bus hat ein undich­tes Dach. Alte Frau­en mit Plas­tik­tü­ten vol­ler Gepäck zwän­gen sich an einer Hal­te­stel­le durch die Rei­hen. Ich ver­fol­ge die vor­bei­zie­hen­de Land­schaft eine Wei­le und nicke irgend­wann ein. Als ich auf hal­ber Stre­cke, bei Tali­oui­ne, die Augen öff­ne, hat sich das Sze­na­rio kom­plett gewan­delt: Die süd­li­chen Aus­läu­fer des Atlas­ge­bir­ges und eine nun üppi­ge Vege­ta­ti­on lie­fern genug Argu­men­te, ab hier die Augen offen zu hal­ten. Die lehm­far­be­nen Häu­ser, die wir pas­sie­ren, erin­nern an mit­tel­al­ter­li­che Rui­nen. „Da sind sie“, sagt Madi­ta unver­hofft und zeigt aus dem Fens­ter. Sie meint die Atlas Cor­po­ra­ti­on Stu­di­os. Die berühm­ten Film­stu­di­os am nord­west­li­chen Stadt­rand von Ouar­za­za­te. „Rid­ley Scott hat hier all sei­ne Fil­me gedreht. Neben König­reich der Him­mel auch Gla­dia­tor, Black Hawk Down und Body of Lies. Jedes Mal mit der­sel­ben Crew“, gibt sie zum Bes­ten. Der Ort hat eine beacht­li­che Film-His­to­rie, denn auch Prin­ce of Per­sia, Alex­an­der, Brad Pitts Babel und Him­mel über der Wüs­te wur­den hier gedreht. Eben­so wie Spy Game, Die Mumie und der Baa­der Mein­hof Kom­plex. 

Ouarzazate Filme Oase Fint

Schon vor mehr als fünf­zig Jah­ren dien­te Ouar­za­za­te als Film­ku­lis­se. Ouar­za­za­te, das Hol­ly­wood Marok­kos, brach­te der Stadt den umgangs­sprach­li­chen Namen „Mol­ly­wood“ ein. Schon seit Jahr­zehn­ten locken das ganz­jäh­rig mil­de Kli­ma und das schier uner­schöpf­li­che Poten­ti­al an spek­ta­ku­lä­ren Kulis­sen berühm­te Fil­me­ma­cher in das ara­bi­sche König­reich. Die Kos­ten für einen Dreh betra­gen in Ouar­za­za­te rund die Hälf­te von dem, was man in West­eu­ro­pa bezah­len müss­te. Ein­hei­mi­sche Pro­duk­tio­nen gibt es in Ouar­za­za­te aller­dings hier kaum. Die paar Fil­me, die in Marok­ko pro­du­ziert wer­den, brau­chen kei­ne rie­si­gen Stu­dio­hal­len. Das west­li­che Kino hin­ge­gen schon. Für die Gegend, in der es sonst so gut wie nichts gibt, gene­riert das Arbeit. Dass das Kino und der Tou­ris­mus, der ihm gefolgt ist, Wohl­stand gene­rier­ten, glau­ben wir sofort. Im Ver­gleich zu den ärm­li­chen Dör­fern, die wir auf unse­rer Fahrt gese­hen haben, wirkt Ouar­za­za­te über­ra­schend wohl­ha­bend. Eini­ges hier ist kon­stru­iert. Nicht nur die Kulis­sen in den Film­stu­di­os, die ägyp­ti­sche Tem­pel­an­la­ge aus Gerard Depar­dieus Aste­rix und Kleo­pa­tra, auch das klei­ne Film­mu­se­um im Stadt­zen­trum besteht aus Papp­ma­ché. Nach­mit­tags ver­su­chen wir, einen Blick in den Innen­hof eines Luxus­ho­tels zu erha­schen, in dem bereits Brad Pitt ver­weil­te. Noch vor der Ein­gangs­tür bit­tet uns ein Wäch­ter, wie­der umzu­keh­ren. „Kei­ne Chan­ce, in Jeans“, sagt Madi­ta. Ich dach­te es mir vor­her, aber einen Ver­such war’s den­noch wert. Es erscheint fast gro­tesk, dass es in Ouar­za­za­te, einem Ort, in dem Dut­zen­de Fil­me gedreht wur­den, kein ein­zi­ges Kino gibt. In Marok­ko kos­tet eine Kino­kar­te cir­ca 30 Dir­ham, umge­rech­net knapp drei Euro. Das kann sich fast nie­mand leis­ten. 

Moun­tain­bi­ketour nach Fint: „Brad Pitt war auch hier.“ 

Nach einem Spa­zier­gang durch die Stadt mie­ten wir uns, nach lan­ger Suche, in einem Indus­trie­vier­tel klapp­ri­ge Moun­tain­bikes, um knapp zwan­zig Kilo­me­ter in Rich­tung Süden zur Oase Fint zu radeln. Der Inha­ber des Bik­e­ver­leihs schenkt uns, als ers­te Maß­nah­me, schwung­voll aus knapp einem hal­ben Meter Höhe über unse­ren Tas­sen Minz­tee ein. Wir radeln in Rich­tung der Oasen­stadt Fint. Es geht etwa zwei Stun­den bei Gegen­wind über holp­ri­ge, san­di­ge Pis­ten durch unbe­wohn­tes Gebiet, bis wir in ein Tal hin­un­ter­rol­len, und sich vor uns ein grü­nes Para­dies auf­tut: Fint ist eine Fluss­oa­se, deren Häu­ser aus Lehm bestehen. Schon aus wei­ter Fer­ne begrüßt uns ein Mann namens Dja­di, als sei­en wir alte Freun­de, die sich seit eini­ger Zeit nicht mehr gese­hen haben. Obwohl wir wenig erpicht auf eine geführ­te Tour sind, beglei­tet uns Dja­di bis zum frü­hen Abend. „Brad Pitt war auch hier“, sagt er, wäh­rend wir zu einem Aus­sichts­hü­gel spa­zie­ren. „Für den Film Babel. Er stieg aus einem Heli­ko­pter, rings­her­um war­te­ten schon sei­ne Secu­ri­ties. Ver­rückt, die haben alle zu viel Geld. Die Fil­me, die hier gedreht wer­den, haben vie­le der Sta­tis­ten nie gese­hen, aber ich habe die meis­ten ange­schaut. Aller­dings zu Hau­se auf mei­nem Lap­top, über kos­ten­lo­se Strea­ming­diens­te“, sagt er. Madi­ta und ich schlen­dern eine Run­de durch den Ort, bis die Son­ne lang­sam unter­geht und wir im Stock­dun­keln nach Ouar­za­za­te zurück­ra­deln. 

„Unser Abend­pro­gramm steht fest, oder?“, fragt Madi­ta, als wir gegen zehn Uhr abends in unse­rem Hotel ankom­men. „Ja. Wir schau­en sofort Babel“, sage ich. Auf Net­flix.

marokko Katharina Baus

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