One moment in time auf Teneriffa

Jede Desti­na­ti­on ist das, was man selbst dar­aus macht. Auch ein Ort wie Mal­le oder Ibi­za. Oder eben Tene­rif­fa. Ich ver­su­che, mich dar­an zu erin­nern, als ich im zwei Stun­den ver­spä­te­ten Feri­en­flie­ger mit jeder Men­ge 60+ Rei­sen­der sit­ze und mir anhö­re, wel­che Kreuz­fahrt wer ab Tene­rif­fa macht oder in wel­cher Bet­ten­burg an der Süd­west­küs­te der Insel wer für den Pau­schal­ur­laub unter­kom­men wird. O Mann! Ob das eine gute Ent­schei­dung war, nach Tene­rif­fa zu flie­gen? Ich soll es bald her­aus­fin­den. Und mäch­tig über­rascht sein.

Von Kopf bis Herz

Wer Tene­rif­fa mal auf der Land­kar­te anschaut, bemerkt es sofort: Die Insel hat die per­fek­te Form einer Ente. Oben am Kopf und Schna­bel gibt es das Ana­ga-Gebir­ge mit einem Lor­beer­wald, am Bür­zel die wil­de Mas­ca-Schlucht mit selbst für geüb­te Auto­fah­rer furcht­ein­flö­ßen­den Ser­pen­ti­nen und dem gefühl­ten Ende der Welt in Los Silos, einem Dorf vor dem tosen­den Atlan­tik.

Und genau unterm Bür­zel, an der Süd­west­küs­te, sit­zen die Tou­ris­ten­mas­sen in ihren All-inclu­si­ve-Tem­peln, eben­so wie am Fuß der Ente. Im Her­zen der Insel pocht Spa­ni­ens größ­ter Berg, El Tei­de, der dritt­größ­te Insel­vul­kan der Erde mit 3718 Metern und UNESCO Welt­na­tur­er­be. Er teilt Tene­rif­fa in zwei Kli­ma­zo­nen, den kar­gen und wär­me­ren Süden und den grü­ne­ren, aber auch feuch­te­ren Nor­den. Die­se Jekyll & Hyde der Insel tref­fen auf der Süd­sei­te am Puer­to de Erjos auf 1117 Metern auf­ein­an­der, einem der wich­tigs­ten Päs­se, wo man man­ches Mal aus den nörd­li­chen Wol­ken kom­mend in den schöns­ten Son­nen­schein im Süden hin­ein­fährt.

One moment in time

Ich schnap­pe mir einen Miet­wa­gen, düse über die Insel­au­to­bahn und begin­ne mei­ne Rei­se dort, wo fast kei­ner ist – am Hin­ter­kopf der Ente, unweit von Teji­na direkt am Meer. Wer die Auto­bahn an der Ost­küs­te ver­lässt, die Haupt­stadt San­ta Cruz und bald den Flug­ha­fen Nord im Rück­spie­gel sieht, hat wenig spä­ter das wil­de, unver­dor­be­ne Tene­rif­fa zu Füßen. Hin­ter einer durs­ti­gen Hügel­land­schaft, gespickt mit eini­gen weni­gen Häu­sern oder Gemein­den, eröff­net sich der Blick auf den Atlan­tik.

Eine enge, kur­ven­rei­che Stra­ße führt tief nach unten. Ich bete, dass mir nie­mand ent­ge­gen­kommt, denn ich kann mir beim bes­ten Wil­len nicht vor­stel­len, wohin man bei zwei hohen Mau­ern rechts und links aus­wei­chen soll. Mein Gebet wird erhört. Nach Teji­na, direkt an der Küs­te, sehe ich sie schließ­lich. Eine Oase der Ruhe, in Form eines Land­hau­ses, mit klei­nem Infi­ni­ty Pool über dem tosen­den Oze­an. Das Hotel Rural Cos­ta Sala­da.

Ein­mal im Jahr, für einen Tag, gön­ne ich mir so etwas. Die­ses Mal den Luxus einer eige­nen klei­nen Ter­ras­se mit nächs­tem Stopp offe­nes Meer, das mei­nen Blick füllt, wäh­rend mich das Jacuz­zi mas­siert. Rede ich sonst lie­bend gern mit Men­schen und gehe sofort auf Tuch­füh­lung mit einem neu­en Ort, schen­ke ich mir hier einen Tag des Nichts­tuns und Nicht­re­dens. Genie­ße die leich­te Bri­se auf dem Gesicht und das Licht, das von gel­lend gelb zu ker­zen­weich oran­ge wech­selt, bis der Son­nen­ball im Meer abtaucht und Blau­tö­ne den Him­mel ganz für sich gewin­nen.

Selbst nach Jah­ren vol­ler Rei­sen rund um die Welt, mit Son­nen­un­ter­gän­gen zwi­schen Pazi­fik, kari­bi­schem Meer, Atlan­tik und dem japa­ni­schen Meer, erscheint mir kein Son­nen­un­ter­gang wie der ande­re. Erscheint mir kein Son­nen­un­ter­gang über­be­wer­tet und kei­ne Sekun­de des Star­rens in Rich­tung Hori­zont ver­schwen­det. Ich könn­te mir kein sanf­te­res, lei­se­res Ankom­men vor­stel­len als mei­nen ers­ten Abend auf Tene­rif­fa. Auf einer Insel des Mas­sen­tou­ris­mus.

Den vie­len Farb­pa­let­ten der sin­ken­den Son­ne fol­gen am nächs­ten Mor­gen noch mehr Facet­ten von Tene­rif­fas Natur. Wer von der Küs­te über die male­rischs­te Insel­stra­ße, TF24, ins Herz der Insel fährt, in Rich­tung des Tei­de Natio­nal­parks, erlebt inner­halb weni­ger Stun­den Land­schaf­ten von Kie­fern­wäl­dern über mond­ähn­li­che Stein­schluch­ten bis zum gro­ßen Gip­fel vul­ka­ni­schen Gesteins und schwe­fel­hal­ti­ger Fel­sen.

Es ist, als lie­ße man ein Meer aus Grün unter sich zurück, um mit­ten in die Stein­wüs­te hin­ein­zu­fah­ren. Von lebens­fro­hem Ambi­en­te in ein lebens­feind­li­ches. Und doch inspi­rie­ren mich die ‚Mira­do­res‘, Aus­sichts­punk­te, im Nichts noch öfter zum Aus­stei­gen als auf der gemüt­li­chen Wald­stra­ße zuvor. Ich las­se Stra­ße und Auto hin­ter mir und lau­fe über fei­ne Kie­sel­stei­ne auf röt­li­che Fels­mas­sen zu. Dann die Über­ra­schung: Als ich einen der Stei­ne vom Boden auf­he­be, wiegt er kaum schwe­rer in mei­ner Hand als eine Feder. Auf der ande­ren, dem Meer zuge­wand­ten Stra­ßen­sei­te, lie­gen Stei­ne und Fels­bro­cken wild über den rau­en Boden ver­teilt, als hät­te ein toll­wü­ti­ger Rie­se sie soeben vom Tei­de geschleu­dert, um die her­um­wu­seln­den Tou­ris­ten von sei­nem Hei­lig­tum fern­zu­hal­ten. Wäre ich er, hät­te ich das­sel­be gemacht.

Die Spit­ze des Tei­de erhebt sich in wei­ter Fer­ne aus dem Mas­siv. „Wie eine Brust­war­ze“, höre ich einen jun­gen Mann scher­zen. Die ganz Akti­ven kön­nen den Gip­fel in vie­len Stun­den erwan­dern, wer – wie ich an die­sem Tag – eher chil­lig drauf ist, nimmt die Seil­bahn, die Besu­cher im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes wie Sar­di­nen in der Büch­se in weni­gen Minu­ten auf gut 3500 Meter beför­dert. Um den Gip­fel die letz­ten 200 Meter zu Fuß zu erklet­tern, braucht man eine Geneh­mi­gung, die min­des­tens drei Mona­te vor­her online bean­tragt wer­den soll­te. Ich war lei­der zu spät dran. Eine ande­re Mög­lich­keit ist es, eine Nacht im Refu­gio, einer Her­ber­ge, auf hal­ber Stre­cke zu ver­brin­gen und mor­gens pünkt­lich zum Son­nen­auf­gang die Vul­kan­spit­ze zu erobern. Nächs­tes Mal.

Auf dem Dach Spa­ni­ens

An die­sem Tag reicht es mir, die Wege ab der Seil­bahn­sta­ti­on zu erkun­den. Schon nach weni­gen Metern mer­ke ich, dass das Atmen schwe­rer wird und sich mein Kopf komisch leicht anfühlt. Irgend­wie so, als wären über­flüs­si­ge Gedan­ken auf dem Weg nach oben raus­ge­pur­zelt. Manch ande­rer klagt über Kopf­schmer­zen. Ich füh­le mich an die Höhen­krank­heit in den Anden in Peru erin­nert, als Luft in den Lun­gen plötz­lich von einer Selbst­ver­ständ­lich­keit zum kost­ba­ren Gut wur­de, um das man stän­dig rin­gen muss­te. Aber wer die schöns­te Aus­sicht will, muss lei­den. Der Tag ist post­kar­ten­klar, nur im Nord­os­ten bedeckt eine wei­ße Wol­ken­schicht sanft das Land. Hier oben scheint sie so weit ent­fernt, als wür­de ich sie aus Flug­hö­he betrach­ten. An man­cher Stel­le steigt ein wenig Rauch aus dem hel­le­ren, zum Teil grün­li­chen Gestein auf, es stinkt nach fau­len Eiern. Dann wie­der rol­len die Berg­ket­ten röt­lich-braun auf den Hori­zont zu, las­sen mich an den Grand Can­yon in den USA den­ken. Vul­kan­land­schaf­ten sind mir schon immer unwirk­lich erschie­nen, als säße ich vor der 3D Lein­wand in einem Sci­ence Fic­tion Film. Nur das schwe­re Atmen und der hoh­le Kopf erin­nern mich an die Wirk­lich­keit. In wei­ter Fer­ne ste­chen ein paar Hügel aus dem Meer – La Gome­ra auf der West- und Gran Cana­ria auf der Süd­ost­sei­te.

Oben auf dem Gip­fel des Tei­de gibt es außer einem Geträn­ke- und einem Snack­au­to­ma­ten sowie einem Infor­ma­ti­ons­tre­sen nichts. „Das hier ist alles Natio­nal­park und steht unter stren­gem Schutz“, erklärt mir der freund­li­che Mit­ar­bei­ter, „des­we­gen dür­fen jeden Tag auch nur etwa 200 Per­so­nen auf den Gip­fel lau­fen. Sonst wür­de alles kaputt­ge­tram­pelt.“ Er fährt fort, dass er schon eini­ge Male hier oben über­nach­tet und jedes Mal ganz komi­sche Geräu­sche gehört habe. „Viel­leicht die Geis­ter der Ver­stor­be­nen“, scherzt er, denn erst vor Kur­zem sei ein insel­be­kann­ter Jog­ger auf dem Tei­de bei Eis und Schnee in einen Abgrund gestürzt und dort erfro­ren. „Auch deut­sche Tou­ris­ten lau­fen oft abseits der Pfa­de, ver­let­zen sich und müs­sen dann geret­tet wer­den!“ Am impo­san­tes­ten sei es, den Son­nen­auf- und unter­gang vom Tei­de zu sein, denn der wer­fe dann einen rie­sig lan­gen Schat­ten bis ins Meer. Jeden Frei­tag­abend wer­de eine Fahrt mit der Gon­del auf den Gip­fel zu Son­nen­un­ter­gang orga­ni­siert mit anschlie­ßen­dem Mahl und Ster­ne­gu­cken. Mei­ne Lis­te, was ich beim nächs­ten Mal auf Tene­rif­fa machen möch­te, wird län­ger. Und das, obwohl die­ser roman­ti­sche Abend mit gut 120€ ins Porte­mon­naie schlägt.

Gra­tis bekom­me ich eine traum­haf­te Rück­fahrt ins Tal. Es pas­siert mir immer wie­der auf Rei­sen: Die aller­schöns­ten Momen­te gibt es voll­kom­men uner­war­tet an einem belie­bi­gen Ort, wäh­rend ich gera­de mit etwas ande­rem beschäf­tigt bin. Auf Tene­rif­fa pas­siert es hin­ter einer Kur­ve, als ich soeben mit Schweiß­per­len auf der Stirn in mei­nem Mini-Miet­wa­gen eini­gen Tou­ris­ten­bus­sen aus­ge­wi­chen bin. Die Stra­ße win­det sich, nur mit einer Leit­plan­ke vom Abgrund getrennt, über dem Wat­te­wol­ken von der lang­sam unter­ge­hen­den Son­ne rosa­rot bemalt wer­den. Im Radio spielt ‚One moment in time‘, einer mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­hits. One moment in time. So schmerz­lich kurz, und doch wer­de ich mich län­ger an die­sen einen Augen­blick erin­nern als an vie­le Stun­den, Tage oder gar Wochen davor.

Den­ke ich mir, wäh­rend ich in Vil­a­flor anhal­te, dem höchst­ge­le­ge­nen Dorf Tene­rif­fas mit eini­gen typi­schen Land­häu­sern und den auf dem Land übli­chen, mit Schnit­ze­rei­en ver­zier­ten Holz­bal­ko­nen. Dort ver­ab­schie­det sich der Tag end­gül­tig mit Pas­tell­tö­nen aus Rosa, Oran­ge und Gelb. Der Him­mel ist nicht wol­ken­frei, doch gera­de die Wol­ken brin­gen die Far­ben des Him­mels so zum Strah­len, wie es kla­re Luft nie­mals schaf­fen könn­te.

Eine Run­de Nackt­schwim­men im Atlan­tik

In bin kein FKK-Anhän­ger, war schon lan­ge nicht mehr an einem rich­ti­gen Nackt­ba­de­strand. Und suche auch kei­nen, als ich am nächs­ten Mor­gen von El Méd­a­no an der Süd­küs­te nach La Teji­ta auf­bre­che, wo sich ein lan­ger schwar­zer Sand­strand die Küs­te genau vor dem Süd­flug­ha­fen ent­lang­zieht. Links davon thront die Mon­ta­ña Roja, der rote Berg. Je län­ger ich mich dort in der Son­ne aale, jeden Strahl auf­sau­ge und noch immer von rosa Wol­ken unter mir träu­me, des­to mehr betag­te, feu­er­ro­te und split­ter­nack­te Tou­ris­ten bemer­ke ich. Erho­be­nen Haup­tes schrei­ten sie den Strand hin­ab, man­che gehen sogar ins Was­ser.

Irgend­wann tue ich es ihnen gleich. Bade im Adams­kos­tüm im noch recht mil­den Atlan­tik, mit­ten im Dezem­ber. Wäh­rend ich dem offe­nen, in der Son­ne fun­keln­den Oze­an ent­ge­gen­schwim­me, sum­me ich ‚One moment in time‘. Egal, was noch kommt, Tene­rif­fa scheint mir jetzt schon so viel­sei­tig und magisch, wie ich es mir nie vor­ge­stellt hät­te. Viel­leicht ein­fach, weil ich immer zur rech­ten Zeit am rech­ten Ort bin. Oder weil ich weiß, wel­che Orte mir gut­tun, egal, wo ich auch bin.

Ren­dez-vous mit Zie­gen, Wein & Sex

Die Kana­ren sind all­ge­mein bekannt für Zie­gen und Zie­gen­kä­se. Die größ­te Pro­duk­ti­on ist nicht ein­mal auf Tene­rif­fa, son­dern auf Fuer­te­ven­tura, aber trotz­dem leben auf Tene­rif­fa etwa 55.000 Zie­gen, dage­gen nur 5000 Kühe. Eine Käse­rei, die ganz oben dabei ist, ist Mon­tes­deo­ca nörd­lich von Ade­je an der West­küs­te. Es ist ein Fami­li­en­be­trieb, der vor drei Gene­ra­tio­nen mit Vieh­züch­tern auf La Pal­ma begann und mitt­ler­wei­le inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung erhält. 1984 ver­such­te sich Leon­cio Gre­go­rio Mon­tes­deo­ca, der Groß­va­ter der Fami­lie, erst­mals in der Kunst der Käse­pro­duk­ti­on. Erst Mit­te der 90er zog der Betrieb von La Pal­ma nach Tene­rif­fa, wo der Sohn über­nahm.  „Beson­ders wich­tig ist die Tren­nung der Tie­re nach Fut­ter­be­darf, der zum Bei­spiel bei Weib­chen, die gera­de Jun­ge bekom­men haben, ganz anders aus­sieht als bei Weib­chen, die erst dem­nächst gepaart wer­den“, erklärt Alber­to, ein Mit­ar­bei­ter, der auch Füh­run­gen durch die Käse­rei mit Kost­pro­ben anbie­tet. Daher wer­den die Tie­re in ver­schie­de­nen Stäl­len gehal­ten.

Wenn die Euter so prall sind, dass sie an frisch auf­ge­pump­te Fuß­bäl­le erin­nern, ist Mel­ken ange­sagt. Die Pum­pen wer­den von Hand ange­legt, dann kann es los­ge­hen mit dem aller­ers­ten Schritt einer lan­gen Käse­pro­duk­ti­on. Mitt­ler­wei­le hat die Käse­rei Mon­tes­deo­ca vie­le Prei­se gewon­nen, dar­un­ter 23 in dem renom­mier­ten World Cheese Award, der ein­mal pro Jahr ver­lie­hen wird.

Doch nicht nur Zie­gen­kä­se wird auf Tene­rif­fa groß­ge­schrie­ben, son­dern auch Wein. Zwar haben die Wei­ne der Kana­ri­schen Inseln kei­ne inter­na­tio­na­le Bedeu­tung, da es nicht genug Anbau­flä­chen auf den ein­zel­nen Inseln gibt. Doch Ein­hei­mi­sche und Besu­cher haben das Glück, kana­ri­schen Wein ver­kös­ti­gen zu dür­fen, des­sen Qua­li­tät vor­züg­lich ist. Auf Tene­rif­fa kom­men die bes­ten Rot­wei­ne aus dem Oro­tava­tal oder Taco­ron­te im Nor­den. Wein­lieb­ha­ber kön­nen Wei­ne auch direkt an der Quel­le pro­bie­ren, bei­spiels­wei­se bei Bode­gas Mon­je.

Die­se hat auch etwas ganz Hei­ßes im Pro­gramm: Wine & Sex, was groß auf einem Pla­kat mit einer halb­nack­ten, las­ziv auf einem Wein­fass aus­ge­streck­ten Frau ange­kün­digt wird. Auf die Fra­ge, was genau es damit auf sich habe, wech­selt die etwas hek­ti­sche Bode­ga-Füh­re­rin schnell das The­ma. Die Web­site hin­ge­gen stellt Wein und Sex als beson­ders sinn­li­che Erfah­run­gen dar und bie­tet ero­ti­sche Wein-Stell­dich­eins an – mit ero­ti­schen Film­ein­la­gen, Aus­stel­lun­gen und Kos­tü­men. Muy inte­res­an­te.

Immer mit der Ruhe

Wie vie­le Inseln mit mehr als zwei Ber­gen inmit­ten eines Oze­ans, eig­net sich auch Tene­rif­fa her­vor­ra­gend zum Wan­dern. Nicht nur im Tei­de-Natio­nal­park auf schwin­del­erre­gen­den Höhen­me­tern. Wan­dern kann man auf der Enten-Insel an fast jeder Ecke. An der Küs­te ent­lang, durch Wäl­der, über Hügel, Schluch­ten rauf und run­ter oder eben auch im Gebir­ge. Eine schö­ne Wan­de­rung führt in der Nähe von Sant­ia­go del Tei­de von der Haupt­stra­ße in Rich­tung Meer, begin­nend mit Blick auf den Tei­de in wei­ter Fer­ne.

Den Weges­rand zie­ren blü­hen­de Kak­teen und Wolfs­milch, die ent­ge­gen mei­ner Annah­me doch nicht zur Kak­teen­fa­mi­lie gehört. Wer nicht auf eige­ne Faust wan­dern möch­te, son­dern mit Gui­de, um auch etwas über die Natur und Umge­bung zu ler­nen, wird kaum einen ein­hei­mi­schen Wan­der­füh­rer tref­fen, dafür aber umso mehr deut­sche oder ande­re aus­län­di­sche Gui­des. „Die Ein­hei­mi­schen wan­dern über­haupt nicht gern“, weiß der deut­sche Arndt Mora­we, von sei­nen spa­ni­schen Kum­pels ein­fach Lolo genannt, der bereits seit mehr als einem Jahr­zehnt auf Tene­rif­fa lebt. Seit eini­gen Jah­ren arbei­tet der pro­fes­sio­nel­le Hand­ball­spie­ler als Rei­se­füh­rer für Wikin­ger Rei­sen, eben­so wie Johan­na Söh­ner, die eben­falls spe­zi­el­le Gesund­heits­wan­de­run­gen mit sport­li­chen Übun­gen an geeig­ne­ter Stel­le ein­baut. Ihre Fröh­lich­keit ist so unge­küns­telt, wie sie nur ein echt zufrie­de­ner Mensch ver­sprü­hen kann.

Die Ein­hei­mi­schen genie­ßen ihre Natur ohne gro­ßen Auf­wand: Sie stel­len den Pick­nick­korb ins Auto, fah­ren an eine geeig­ne­te Stel­le ‚im Grü­nen‘, mög­lichst mit Grill­op­ti­on. Auch wenn sich die­ser grü­ne Fleck an der Haupt­stra­ße von Sant­ia­go del Tei­de befin­det und es gefühl­te 12 Grad sind.

Aber eins muss man den Cana­ri­os las­sen: Sie sind viel­leicht kei­ne gro­ßen Wan­de­rer, dafür aber her­vor­ra­gen­de Auto­fah­rer. Nichts kann sie aus der Ruhe brin­gen, nicht ein­mal die Mas­ca-Schlucht. Und soll­te in einer beson­ders fie­sen Kur­ve nichts mehr gehen und der Miet­wa­gen­fah­rer vor dem gro­ßen Bus regel­recht in die Knie gehen, steigt der Bus­fah­rer auch schon mal aus, fährt den Miet­wa­gen selbst an sei­nem Bus vor­bei und wünscht dem alber­nen Sonn­tags­fah­rer lächelnd eine gute Wei­ter­rei­se.

„Die Cana­ri­os haben immer die Ruhe weg“, erzählt Lolo bei einem ein­fa­chen Mit­tag­essen in einem Guachin­che – ein typisch kana­ri­sches Lokal, wo vor Ort erzeug­te Wei­ne aus­ge­schenkt und ein paar orts­ty­pi­sche, ein­fa­che Gerich­te ser­viert wer­den. Auf dem Tisch ste­hen an die­sem Tag ‚hue­vos a la estam­pi­da‘, gestampf­tes Ei, ‚ropa vie­ja‘, wört­lich alte Kla­mot­ten, was frü­her Essens­res­te waren, eine Mischung aus Rind­fleisch, Kar­tof­feln und Kicher­erb­sen, sowie ‚chul­eta‘, ein ordent­li­ches Stück Kote­lett.

Es ist ein wenig zugig an dem Tisch mit Bier­gar­ten-Bän­ken, doch das scheint die Ein­hei­mi­schen nicht zu stö­ren. „Die stört nicht ein­mal, wenn sich im Laden eine lan­ge Schlan­ge bil­det, weil ein Kun­de einen Schwatz mit dem Ver­käu­fer hält“, plau­dert Lolo aus dem Näh­käst­chen. „Ein­mal stand ich dort über zehn Minu­ten, und alle hör­ten gedul­dig zu, kei­ner sag­te etwas. Die haben sich erst ein­ge­mischt, als sie mit der Mei­nung der bei­den Plau­der­ta­schen über eine Fern­seh­se­rie nicht ein­ver­stan­den waren. Dann ging es heiß her und alle fin­gen an zu dis­ku­tie­ren!“

Über­haupt ist alles auf den Kana­ren ein biss­chen anders als auf dem spa­ni­schen Fest­land. Die Men­schen schei­nen gelas­se­ner, spre­chen aber schnel­ler, Bus­se hei­ßen nicht ‚bus‘ son­dern ‚Gua Gua‘, Zick­lein sind nicht ‚cabri­tos‘ son­dern ‚bai­fos‘ und Deut­sche wer­den gern ‚cabe­z­as quad­ra­das‘ genannt – Qua­drat­köp­fe. Aber im All­ge­mei­nen inter­es­siert man sich weni­ger für die­se und ande­re Qua­drat­köp­fe, was schon beim Auf­schla­gen einer Tages­zei­tung auf Tene­rif­fa ins Auge fällt: loka­le News auf vie­len, vie­len Sei­ten. Dann Nach­rich­ten über die ande­ren kana­ri­schen Inseln. Zuletzt Gran Cana­ria, der Erz­feind Tene­rif­fas, ein biss­chen wie Köln und Düs­sel­dorf. Dann kommt viel­leicht das eine oder ande­re Wort über das spa­ni­sche Fest­land. Und irgend­wo weit hin­ten gibt es auch eine klei­ne Info über den fer­nen Rest der Welt.

Vom Regen ins Para­dies

Es reg­net sel­ten auf Tene­rif­fa. Manch­mal auch nur ein­mal im Jahr. Und das natür­lich, wenn man selbst dort ist und San Cris­tó­bal de La Lagu­na erkun­den möch­te, die ers­te Stadt der Kana­ri­schen Inseln, die mitt­ler­wei­le auch zum UNESCO-Welt­kul­tur­er­be gehört. Doch selbst bei nicht per­fek­tem Wet­ter bezau­bern die kolo­nia­le Archi­tek­tur und unzäh­li­ge Gebäu­de mit traum­haf­ten Hin­ter­hö­fen, wel­che die quir­li­ge Stadt­füh­re­rin Dom­in­ga Rodri­guez Besu­chern lie­bend gern zeigt. „Wisst ihr, was das wirk­lich Beson­de­re an La Lagu­na ist?“, stellt sie ihre Schäf­chen auf die Pro­be. „Die Stra­ßen wur­den im 15. Jahr­hun­dert ohne den Schutz von Stadt­mau­ern ganz gerad­li­nig ange­legt.“ Dies wird nir­gends so deut­lich wie an einem Modell der Stadt in der Kir­che San­to Dom­in­go. „Noch heu­te dient dies als Vor­la­ge für Städ­te in ganz Latein­ame­ri­ka“, erklärt Dom­in­ga stolz. Ich muss an die vie­len latein­ame­ri­ka­ni­schen Städ­te, die ich besucht habe, den­ken, und sie hat recht: Jede von ihnen ist in ‚Cua­dras‘, Häu­ser­blö­cke, auf­ge­teilt, schön qua­dra­tisch, damit Ver­lau­fen fast unmög­lich wird. So viel zu „deut­schen Qua­drat­köp­fen“.

Wer kei­ne Lust hat, im Tene­rif­fa-Urlaub im Regen her­um­zu­lau­fen, kann ganz ein­fach Trick 17 anwen­den – oder genau­er gesagt Trick TF24 oder TF21, denn  das sind die bei­den Stra­ßen, die von den Küs­ten hoch ins Tei­de Gebir­ge füh­ren. „Dort oben ist fast immer Son­ne“, schwört Lolo. Ob er recht hat? Zum zwei­ten Mal geht es für mich hoch und höher hin­auf in die Ber­ge, durch so dich­te Wol­ken und so pras­seln­den Regen, dass kaum der Stra­ßen­rand erkenn­bar ist. Ich den­ke an die Wol­ken, über denen ich vor weni­gen Tagen gefah­ren bin, selbst auf Wol­ke sie­ben. Dies hier ist eine ande­re Welt. Dann plötz­lich, die Hoff­nung ist fast ver­ebbt, drin­gen dün­ne Son­nen­strah­len durch das Grau, die sich Sekun­den spä­ter in strah­len­den Son­nen­schein ver­wan­deln. Unglaub­lich! Grell­blau ist der Him­mel, als es an den Roques de Gar­cía, einer bizar­ren Fels­for­ma­ti­on unter­halb des Tei­de, nach drau­ßen geht. Hier steht der Roque Cin­cha­do, auch Fin­ger Got­tes genannt, ein Fels, der ein wenig wie ein Stin­ke­fin­ger aus dem Boden ragt und eins der Wah­rei­chen Tene­rif­fas ist. Hier war ich noch nicht bei mei­nem letz­ten Tei­de-Besuch. Zwar ist die Tem­pe­ra­tur in den letz­ten Tagen min­des­tens um zehn Grad gefal­len und ein eisi­ger Wind kratzt an mei­ner Wan­ge, doch das ist egal.

Ich ste­he und star­re. In Rich­tung des Tei­de, den eine Schlei­er­wol­ke sach­te streift, als wol­le sie ihn küs­sen. Und auf ein­mal bil­det sich mit­ten aus einer Wol­ken­schicht hin­ter dem Gebir­ge ein hal­ber, schwa­cher Regen­bo­gen, der zuneh­mend an Far­be gewinnt, als wür­de sein Maler den Pin­sel immer zuver­sicht­li­cher schwin­gen. Die meis­ten Besu­cher ver­schwin­den bei dem brau­sen­den Wind schnell im Café des gegen­über gele­ge­nen Para­dor, eines Berg­ho­tels, doch ich kann mich noch nicht lösen. Lau­fe den schma­len Kie­sel­stein­weg hin­ter den Roques de Gar­cía hin­ab, blei­be immer wie­der ste­hen, um das Natur­schau­spiel mit den Augen zu ver­zeh­ren. Der Regen­bo­gen endet stets mit der Wol­ke unter­halb des Ber­ges, traut sich nicht rein ins tie­fe Blau des Him­mels, gönnt sich noch nicht das Aller­schöns­te. Dann, als hät­te er mich gehört und an Mut gewon­nen, streckt er sei­nen Bogen höher und höher gen Him­mel, bis er einen per­fek­ten hal­ben Kreis vom Fuß des Tei­de bis zum nächs­ten Berg geschla­gen hat. Ich hal­te den Atem an. Genie­ße es, wie­der ein­mal sprach­los sein zu dür­fen.

Zum zwei­ten Mal schafft der Tei­de es, mir einen die­ser ganz beson­de­ren ‚Moments in time‘ zu schen­ken. Einen Moment, der für mich allein bestellt scheint – den ich bekom­men habe, ohne dar­auf gewar­tet zu haben, denn das Wun­der­bars­te kommt anschei­nend ganz von selbst. Und hät­te es nicht schon Alex­an­der von Hum­boldt im Jah­re 1799 ver­stan­den, als er auf dem Weg nach Ame­ri­ka eine Woche lang Zwi­schen­sta­ti­on auf Tene­rif­fa mach­te, hät­te ich es wohl ganz ähn­lich aus­ge­drückt: „Ich habe im hei­ßen Erd­gür­tel Land­schaf­ten gese­hen, wo die Natur groß­ar­ti­ger ist, rei­cher in der Ent­wick­lung orga­ni­scher For­men. Aber nach­dem ich die Ufer des Orino­ko, die Cor­dil­le­ren von Peru und die schö­nen Täler Mexi­kos durch­wan­dert, muss ich geste­hen, nir­gends ein so man­nig­fa­ches so anzie­hen­des, durch die Ver­tei­lung von Grün und Fels­mas­sen so har­mo­ni­sches Gemäl­de vor mir gehabt zu haben […]“.

Die Rei­se wur­de unter­stützt von Wikin­ger Rei­sen mit Unter­kunft im Hotel Luz del Mar in Los Silos.

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Antworten

  1. Avatar von Elegant Resorts

    Ein wirk­lich tol­ler Arti­kel, macht wirk­lich Spass die­sen zu lesen und die Bil­der sind ein­fach nur toll!
    Man bekommt wirk­lich das Gefühl direkt vor Ort zu sein!

    Wei­ter so! Ganz lie­be Grüs­se aus der Schweiz

  2. Avatar von Bernadette

    Vie­len Dank, das freut mich 🙂

    LG
    Ber­na­dette

  3. Avatar von Teneriffa

    Wirk­lich schö­ner Arti­kel 🙂

    1. Avatar von Bernadette

      Vie­len Dank 🙂

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