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Ende Oktober. Was tut man da eigentlich? Zwischen Sommer- und Winterurlaub zwischen Sonne und Schnee, ist der Herbst ein traditionell wenig bereister Monat. Herbstzeit, das ist die Zeit, in der man zu Hause sitzt und es sich gemütlich macht. Tee trinken, Kuchen backen, ein Kaminfeuer und zwischendurch ein herrlicher Herbstspaziergang. Sonnige Herbstnachmittage zwischen sich im Wind wendenden Blättern verbringen und sporadisch eine Kastanie vom Boden auflesen…
Okay, der Text wäre sicherlich in der Neuen Post besser platziert gewesen, weil er doch etwas viel romantischen Pathos trägt, aber wenn es eine Zeit gibt in der romantischer Pathos akzeptabel ist, dann im Herbst. Herbst und Romantik eint die „Sehnsucht nach dem Verlorenen, nach einer verloren Zeit, einer verlorenen Harmonie des Menschen mit der Welt“.
Ende Oktober. Ich schreibe Reisekolumnen über die Schönheit des Herbstes. Aber eigentlich schreibe ich über etwas anderes: Ein Loblied auf die Jahreszeiten.
Jahreszeiten machen das Leben so viel komplexer. Mit jeder Jahreszeit wechseln auch die Erinnerungen. Plötzlich ist es Herbst und man denkt zurück an den Herbst des Vorjahres, vor drei, vor zehn Jahren. Wie man auf dem Bolzplatz stand und die letzten schönen Herbsttage genutzt hat um Fußball zu spielen, an die Herbstluft, die Blätterfärbung und den stürmischen Herbstregen. Aber ich denke auch zurück an Herbsttage die auf fernen Kontinenten verbracht wurden. An den Herbst in Korea, den Indian Summer in New England oder [insert own travel experience].
Die Sinneseindrücke des Herbstanfangs, wie der Beginn einer jeden Jahreszeit, ist gekoppelt mit bestimmten Erlebnissen, Erinnerungen und Tätigkeiten im Leben, die sich genau diesem (einen) Set von Empfindungen der bestimmten Jahreszeit zuordnen lässt.
Mit den vier Jahreszeiten, im Vergleich zur Unterteilung in Trocken- und Regenzeit, gibt es 4 und nicht nur 2 „Speicherplätze“ auf denen wir Informationen assoziativ-strukturiert ablegen. Dinge, die wir im Herbst erleben werden assoziieren wir mit der Laubfärbung, der Herbstluft, dem stürmischen Herbstregen. Und diese Witterungsverhältnisse wiederum können dann in den folgenden Jahren auch wieder bestimmte Erinnerungen und Ereignisse wachrufen. Das ist möglich, weil jede Jahreszeit für sich selbst eine ganz eigene Qualität aufweist.
Mit wachsendem Abstand zur Gegenwart tendieren die Dinge dazu in unserem Gedächtnis eine Unschärfe anzunehmen, zu verwischen und unserem Alltag ganz zu entfliehen. Durch die assoziative Bindung mit einer bestimmten Jahreszeit gibt es aber viele Erinnerungen die zur entsprechenden Zeit wieder aufgefrischt werden – und der Anfang einer jeden Jahreszeit bringt viele dieser Erinnerungen schubhaft in unser Bewusstsein zurück. Dadurch entsteht wieder etwas wie ein zirkuläres Zeitbewusstsein, also ein wiederkehrender Rhythmus, der im Gegensatz steht zu dem historischen Bewusstsein, das ständig linear nach vorne schreitet (Datum, Jahreszahlen, etc.). Hilfreich zu dieser Thematik ist diese Rezension der ZEIT aus dem Jahr 1954 über Ernst Jüngers »Das Sanduhrbuch«.
Es ist noch nicht lange her, da habe ich mir vorgenommen irgendwo hin zu ziehen wo das ganze Jahr die Sonne scheint – bloß keinen deutschen Winter mehr! Heute fällt es mir schwer sich in diese Torheit meines vergangenen Selbst hineinzuversetzen. Die Liste der Dinge die mir fehlen würden ist ellenlang: Nie würde man in Indonesien das erste Eis im Jahr essen können und niemals den ersten Schneeball werfen. Was wäre mit den Kürbissen? Gäbe es sie noch im heimischen Supermarktregal? Die Tage die länger und kürzer werden, die Temperaturen die heißer und kälter werden.
Deshalb sage ich: Jahr zu den Zeiten! Und Nein zu den idealisierten Darstellungen des Digitalen Nomaden, der bei 25°C und Sonnenschein das ganze Jahr in einer südostasiatischen Hängematte liegt. Zeit ist Bewegung und wird für mich erst richtig greifbar durch den Wandel um uns herum – und die Jahreszeiten sind das Aushängeschild des Wandels.
Dankeschön Jahreszeiten, dass es euch gibt.
Und auf die Hängematte freu ich mich dann umso mehr. 😉
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Ha Danke Sabine,
bin auch Herbstkind, vielleicht ist das wichtig. In Korea ist der Herbst übrigens ganz außer Frage die schönste Jahreszeit. September und Oktober. Dann ist der Regen vorbei, die schwüle Luft hinfort und die vielen Berge mit ihren Schreinen und Tempeln sind eingerahmt und rot-goldenes Blätterwerk. 🙂 Ist das in Kambodscha auch so?Lieber Niklas,
eine tolle Liebeserklärung an die Jahreszeiten. Ich selbst genieße alle 4 immer auf ihre ganz eigene Weise und – als Herbstkind – vor allem den intensiven Wandel. Ich möchte dauerhaft keine der vier missen. Umso schöner,ab und an eine etwas andere Jahrezeit in tropischen Gewässern zu erleben und so den sensorischen Horizont auch zu erweitern.
Viele Grüße aus dem warmen, herbstlichen Kambodscha
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