Norwegen – Eine Familienreise

Fünf Wochen lang haben wir eine Fami­li­en­rei­se durch Nor­we­gen unter­nom­men. Welt­un­ter­gangs­stim­mung, Dau­er­re­gen und Tris­tesse waren unse­re stän­di­gen Beglei­ter und ein schwe­res Los für mich als Foto­gra­fen. Den­noch war es ein gro­ßes Erleb­nis, in dem Land der Fjor­de, Glet­scher und Was­ser­fäl­le unter­wegs zu sein.

Nor­we­gen emp­fängt uns in Natio­nal­tracht, mit bun­ten Umzü­gen und einem rot-weiß-blau­en Fah­nen­meer. Es ist der 17. Mai: Natio­nal­fei­er­tag! Aber trotz Son­nen­schein und ange­neh­men Früh­lings­tem­pe­ra­tu­ren zieht das Spek­ta­kel an uns vor­über, ohne dass ich die Kame­ra zücke. Von der Fähr­fahrt nach Kris­ti­an­sand ist mir spei­übel – erst nach ein paar Stun­den an Land geht es wie­der bes­ser.

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Wir ste­hen am Anfang einer Rei­se, die uns durch den Süden des Lan­des füh­ren soll. Ent­lang der Küs­te, vor­bei an Fjor­den und hin­ein in die Glet­scher­welt. Dabei sind wir beson­ders gespannt, ob unse­re Toch­ter Sel­ma alles pro­blem­los mit­ma­chen wird. Sie ist noch nicht ein­mal ein Jahr alt. Wie wird es sein, jeden Tag an einem ande­ren Ort im Zelt zu über­nach­ten und immer wei­ter­zu­zie­hen?

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Bereits die ers­ten Tage sind eine har­te Pro­be. Vor­bei am Kap Lin­des­nes, der süd­li­chen Spit­ze des nor­we­gi­schen Fest­lan­des, gelan­gen wir bei dunk­lem Regen­wet­ter nach Flek­kefjord. Die Natur ist wild und bedrü­ckend. In die engen, dicht bewal­de­ten Täler fällt zwi­schen kah­len Berg­rü­cken kaum Licht. Umso mehr genie­ßen wir andern­tags eine klei­ne Wan­de­rung zum Eigerøy Fyr bei Eger­sund. Weit schweift dort unser Blick vom Leucht­turm über das Meer.

Auf den Prei­ke­sto­len

Auf dem Weg zum Lys­efjord durch­que­ren wir die Regi­on Jæren. 600 Grab­hü­gel zeu­gen vom ältes­ten Sied­lungs­ge­biet des Lan­des. Uns lockt jedoch der Prei­ke­sto­len, eine gut 600 Meter hohe scharf­kan­ti­ge Fels­kan­zel, wel­che atem­be­rau­bend über dem Fjord­ufer auf­ragt. Zahl­lo­se Wan­de­rer neh­men den stei­ni­gen Pfad hin­auf auf den „Pre­digt­stuhl“ Jahr für Jahr in Angriff, um einen küh­nen Blick hin­ab zu wagen. Auch wir rei­hen uns ein – Nina trägt Sel­ma in der Kindertra­ge auf dem Rücken und ich schlep­pe die Foto­aus­rüs­tung und unse­re Ver­pfle­gung für den Tag. Dabei lässt der Lys­efjord bei der trü­ben Wet­ter­la­ge jeg­li­chen Lieb­reiz ver­mis­sen. Ein­tö­nig und dun­kel liegt der schma­le Mee­res­arm tief unter uns. Ich bin ent­täuscht und grum­me­lig. Doch als wir schon wie­der dabei sind abzu­stei­gen, sehe ich aus dem Augen­win­kel, wie jemand an der Fels­kan­te aus­ge­las­sen in die Luft springt. Schnell grei­fe ich nach der Kame­ra und mache ein paar Fotos. Ein Bild ist okay – die Wan­de­rung hat sich doch noch gelohnt!

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Nach zwei Licht­bli­cken in Sta­van­ger und dem beschau­li­chen Sku­den­es­havn – in Form eines lie­be­voll ein­ge­rich­te­ten Cafés und eines son­ni­gen Bum­mels durch das mit blitz­wei­ßen Fas­sa­den beein­dru­cken­de Fischer­dorf – erwischt es uns am Hardang­erfjord mit aller Macht: Es schüt­tet wie aus Kübeln. Tage­lang. Nach einer unru­hi­gen Nacht auf einer mit Pfüt­zen über­sä­ten Cam­ping­plat­z­wie­se bezie­hen wir eine win­zi­ge Hüt­te direkt am Ufer des Fjords. Wol­ken­schwa­den hül­len die Ber­ge ein, Wind kräu­selt das Was­ser. Sobald ich in frei­er Wild­bahn ein Foto machen will, sam­meln sich ruck­zuck unzäh­li­ge Regen­trop­fen auf der Lin­se. Eigent­lich woll­te ich vie­le Lang­zeit­be­lich­tun­gen von Was­ser­fäl­len und der Mee­res­küs­te machen, doch das Wet­ter zwingt mich dazu, sol­che Ambi­tio­nen zu begra­ben und ein­fach zu neh­men, was kommt.

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Viel brau­ne Haut

Und es kommt noch viel. Auch wenn unse­re Hoff­nung, dass es in fünf Wochen doch irgend­wann mal bes­ser wer­den müss­te, immer wie­der ent­täuscht wird, sehen und erle­ben wir das Land in sei­ner gan­zen Viel­falt – Super­la­ti­ve ein­ge­schlos­sen. Unse­re wei­te­re Rou­te gen Nor­den säu­men die blau schim­mern­den Zun­gen des größ­ten euro­päi­schen Fest­lands­glet­schers Jos­tedals­breen oder auch die höchs­te See­klip­pe Skan­di­na­vi­ens, Hor­ne­len. Mit der Zeit arran­gie­ren wir uns auch mit dem Regen. Etwas Nie­sel neh­men wir kaum mehr wahr, freu­en uns aber natür­lich über jeden Son­nen­strahl, der die Nor­we­ge­rin­nen selbst bei mäßi­gen zehn Grad Plus dazu ver­führt, nur mit Hot­pants beklei­det über­ra­schend viel brau­ne Haut zu zei­gen.

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Die klei­ne Sel­ma stört das mie­se Wet­ter am wenigs­ten. Nicht nur im Zelt ist sie in ihrem Ele­ment und wir immer auf Augen­hö­he. Das gefällt ihr. Wir müs­sen als Klet­ter­ge­rüst her­hal­ten und unse­re Früh­stücks­bro­te vor ihr ver­tei­di­gen. Am nebel­ver­han­ge­nen Ves­t­kapp strahlt sie über bei­de Ohren, wäh­rend wir mal wie­der ungläu­bi­ge Bli­cke ern­ten, als wir mit ihr bei Schmud­del­wet­ter und ein­stel­li­gen Tem­pe­ra­tu­ren aus dem Auto stei­gen und kom­fort­ver­wöhn­ten Hüt­ten­ur­lau­bern begeg­nen.

Der Ist-Zustand

Im Lau­fe der Zeit bleibt mir als Foto­graf nur die Mög­lich­keit, den Ist-Zustand zu doku­men­tie­ren und mich auf die Suche nach ganz ande­ren als den vor­ge­stell­ten Moti­ven zu machen. Mit jedem wei­te­ren trü­ben Tag, der mir zu Beginn der Rei­se aufs Gemüt schlug, wer­de ich gelas­se­ner und neh­me die Lage als gege­ben hin – ob nun an der Schä­ren über­span­nen­den Atlan­tik­stra­ße, den engen Ser­pen­ti­nen des Troll­sti­gen oder all den vie­len wei­te­ren Mosa­ik­stei­nen, wel­che unse­re Rei­se zu einem beson­de­ren Erleb­nis machen.

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Ein letz­tes Mal set­zen uns die Wet­ter­ka­prio­len bei der Rück­rei­se in den Süden zu. Nor­we­gens Haupt­ver­kehrs­ader, die E6, ist über­flu­tet und gesperrt. Die Nach­richt schafft es sogar in deut­sche Medi­en und wir müs­sen uns einen alter­na­ti­ven Weg über rum­pe­li­ge Schot­ter­pis­ten bah­nen.

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Antworten

  1. Avatar von Michael Blahm

    ein schö­ner Bericht, ich hof­fe das wir alle bald wie­der rei­sen kön­nen und dann geht es nach Kenia.

  2. Avatar von Bilderbummler

    Toll­toll­toll! Da möch­ten wir direkt schon wie­der los! Aber wir müs­sen lei­der noch sie­ben Mona­te war­ten 😉 Dann geht’s zum zwei­ten Mal mit dem Auto los. Eine Woche mit dem Zelt durch schwe­disch Lapp­land auf die Lofo­ten und dann drei Wochen Angel­ur­laub auf Sen­ja. Die glei­che Tour hat­ten wir letz­tes Jahr im Mai schon mal gemacht und sind nun ange­fixt. Dies­mal ohne Mit­ter­nachts­son­ne, aber viel­leicht mit ganz­ganz­ganz viel Glück mit Polar­licht am Ende der Tour 🙂 Wei­ter­hin viel Spaß!!!

  3. Avatar von Michael Blahm

    ein sehr schö­nes Foto da auf der Klip­pe, das gefällt mir am Bes­ten. Aber auch die ande­ren machen Neu­gie­rig auf mehr.

  4. Avatar von Nordic Team Travel

    Hej,

    ein tol­ler Bei­trag… Und die Bil­der erst.
    Kom­me gern wie­der! 😉

    Vie­le Grü­ße

  5. Avatar von Torben

    Fas­zi­nie­ren­de Bil­der – direkt Fern­weh bekom­men. =) Ich bin mal im Okto­ber mit der Bahn von Oslo nach Ber­gen gefah­ren und hab ent­lang der Stre­cke (die gera­de an den höchs­ten Stel­len unglaub­lich spek­ta­ku­lär ist) so unge­fähr alle Wet­ter­la­gen mit­be­kom­men: von strah­len­dem Son­nen­schein über Nebel, Böen, Regen in den unter­schied­lichs­ten For­men, Hagel und tiefs­ten Schnee. Die »regen­reichs­te Groß­stadt Euro­pas« (Ber­gen) hat nicht ent­täuscht und mit Dau­er­re­gen begrüßt, war nichts­des­to­trotz abso­lut sehens­wert. Nor­we­gen muss man ein­fach selbst erlebt haben.

    Lg, Tor­ben

  6. Avatar von Sebastian

    Sehr schö­ner Bericht. Wir haben auch eine Rund­rei­se durch Nor­we­gen unter­nom­men. Auf unse­rer 3‑wöchigen Rei­se haben wir viel erlebt in Nor­we­gen. Ob am Gei­rang­erfjord, in Lil­le­ham­mer oder Ber­gen. Nor­we­gen hat echt vie­le schö­ne Ecken und die Natur ist ein­fach nur wun­der­schön!

    Gruß

  7. Avatar von Maria-Bettina Eich

    Wun­der­ba­re Fotos! Habe bis jetzt als Nord­land-Fan Nor­we­gen wei­tes­tens aus­ge­las­sen, aber die­se Sto­ry macht Lust auf das Land – trotz der unge­schmink­ten Wet­ter­schil­de­rung.

  8. Avatar von Steffen
    Steffen

    Moin Mar­tin,
    mal ehr­lich – Nor­we­gen ohne Wet­ter ist eigent­lich nur halb so schön… Stellt euch mal die Fotos ohne Wol­ken und Regen vor… Und auch das bezau­bern­de »Kapu­zen­fo­to« wäre ohne Wet­ter ja nicht ent­stan­den! Klar, man braucht auch mal ein wenig Son­ne und wär­me­re Tem­pe­ra­tu­ren, aber wir fin­den es in Ord­nung im Som­mer­ur­laub auf den Lofo­ten oben­rum im lan­gen Shirt (und even­tu­ell sogar mit Wet­ter­ja­cke!!) und unten­rum in kur­zer Hose rum­zu­lau­fen.
    Bis bald viel­leicht auf den Lofo­ten!

  9. Avatar von peter frauchiger

    Hal­lo Mar­tin
    Auch ich, wir, sind vom Nor­we­gen­vi­rus infi­ziert. Wenn ich Berich­te lese und Fotos wie jene von dir sehe, bekom­men ich rich­tig »Heim­weh«. Unse­re nächs­te Rei­se, bereits gebucht wird wie­der in die Lofo­ten sein – es wird nicht die letz­te sein.

  10. Avatar von Boris

    Tja, Nor­we­gen ist nicht Süd­spa­ni­en, aber Skand­in­vi­en­freu­de kann so eine Klei­nig­keit wie das Wet­ter nicht von einen ein­zig­ar­ti­gen Urlaub abhal­ten. Die Bil­der sind trotz des Wet­ters echt toll gewor­den. Hut ab.

  11. Avatar von Nina

    Wow, ein fei­ner Rei­se­be­richt mit tol­len Fotos! Der Regen wirkt (zumin­dest aus der war­men Stu­be her­aus betrach­tet) sogar recht roman­tisch 😉 – und die wil­de Natur ein­fach nur gigan­tisch.

  12. Avatar von Markus

    Beein­dru­ckend schö­ne Bil­der! Wet­ter ist immer rela­tiv, bei Son­ne kann schließ­lich jeder auf Rei­se gehen 😉 Macht mir irgend­wie gera­de wie­der Lust auf die Lofo­ten…

  13. Avatar von Bernd Hoinkis
    Bernd Hoinkis

    Ein sehr schö­ner Bericht. Mei­ner Mei­nung nach ist das Wet­ter in Nor­we­gen abso­lu­te Neben­sa­che. Man muss sich nur rich­tig anzie­hen. Die Natur ent­schä­digt doch für Alles.

  14. Avatar von Martin

    Tol­ler Bericht. War selbst im Juli 4 Wochen in Nor­we­gen. Habe es bis zum Nord­kapp geschafft. Vom Wet­ter hat­ten wir fast alles. Von 25 Grad und Son­ne bis 0 Grad und Nie­sel­re­gen.
    Mar­tin

  15. Avatar von Monika

    Ein schö­ner Rei­se­be­richt und ganz ehr­lich, wenn ich mir die Bil­der so anse­he, dann hab ich Lust gleich los­zu­fah­ren! Doch wie war das mit dem Regen? Ein­fach nur Pech gehabt oder ist Mai für Nor­we­gen ein­fach noch nicht die bes­te Rei­se­zeit? LG Moni­ka

    1. Avatar von Martin Hülle - Blog

      Wir hat­ten in dem Jahr ein­fach gro­ßes Pech. Zu der Zeit war es z. B. in Nord-Nor­we­gen rich­tig gut – viel wär­mer und mit viel Son­nen­schein. Aber der Weg dort­hin wäre zu lang gewe­sen …

  16. Avatar von Anita

    Ich kann dei­nen Wor­ten zum Wet­ter nach­füh­len – wir hat­ten auf den letz­ten Rei­sen auch ziem­li­ches Wet­ter­pech und irgend­wie muss man das Auge zuerst schu­len »Gars­ti­ges« schön ein­zu­fan­gen… dei­ne Bil­der sind aber alle ganz gros­se Klas­se!

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