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„Namaste!“ Über ein Jahr ist es nun her, dass wir diese Begrüßung – die frei übersetzt „Ich ehre das Göttliche in dir“ heißt – zum ersten Mal gehört und selbst mehr oder weniger stilsicher ausgesprochen haben. Auch die erste Verwunderung über den allgegenwärtigen Headwobbler, diese zuweilen sehr amüsante Kopfbewegung (die leider alles und nichts heißen kann) ist mittlerweile verflogen. Wir ertappen uns sogar dabei, wie wir selbst mit dem Kopf wackeln. Nicht so gut wie ein Inder, aber der Kopf wackelt!
Man könnte sagen, wir haben uns auf Indien eingelassen! Nicht nur mit dem Kopf – sondern auch mit Haut und Haaren! Rund 16.000 Kilometer sind wir von Nord nach Süd und von West nach Ost gefahren! Nur Varanasi hatten wir bisher immer gemieden – mal freiwillig, mal eher unfreiwillig.
Nach einem langen und unvergesslichen Sommer im indischen Himalaya erreichen wir zunächst wieder Delhi. Wir benötigen ein Visum für Myanmar – die nächste Destination unseres Road Trips – und möchten uns von unseren (mittlerweile) indischen Freunden verabschieden. Wir sind traurig, dass wir all diesen Menschen, die uns in den letzten Monaten begleitet haben, die sich nach uns erkundigt haben, die wissen wollten was wir wieder Lustiges oder Spannendes in ihrem Land erlebt haben … nun „Namaste“ sagen müssen. Der Abschied fällt uns nicht leicht und so fahren wir schweren Herzens Richtung Osten! Richtung Burma. Doch erst einmal Richtung Varanasi! „Dieses Mal geben wir uns das!“ denken wir! Zwei Tage später haben wir einen grandiosen Stellplatz für unseren Truck gefunden – mitten in Varanasi.
Den frühmorgendlichen Besuch der Ghats bei „Mutter Ganges“, den gigantischen Trubel in den Straßen und Gassen der angeblich spirituellsten Stadt Indiens nehmen wir als das wahr was es ist: viel los! Doch Spiritualität durften wir glücklicherweise an vielen anderen Orten Indiens auf unsere eigene Weise entdecken. Varanasi tut aber auch nicht weh! Vielleicht sind wir nach über einem Jahr in Indien nicht mehr so leicht aus der Ruhe zu bringen. Die Stimmung bei Sonnenaufgang ist beeindruckend. Wir genießen vier wunderschöne Tage und beschließen dann, uns nun endgültig auf den Weg nach Osten zu machen. Wir müssen an die burmesische Grenze. Zu einem festen Termin. Da man mit dem eigenen Fahrzeug nicht selbständig durch Burma fahren darf, sind wir zu einem Konvoi mit anderen Reisenden verabredet.
Schon früh morgens sind wir auf dem Highway Richtung Patna unterwegs als uns ein sehr lautes und dumpfes „Klonk“ hochschrecken lässt. Nach einigem Suchen haben wir die Ursache gefunden. Die Vorderachsfeder ist gebrochen. Es kracht fürchterlich beim Fahren. Das Ding muss ausgetauscht werden. Und zwar bevor wir weiterfahren. Ab jetzt haben wir noch 21 Tage Zeit um an die Grenze nach Burma zu gelangen. Die Zeit läuft.
Unsere Feder ist in ganz Indien nicht aufzutreiben – soviel haben wir nach etwa 4 Stunden Recherche dank unserer indischen Freunde schnell herausgefunden. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, bestellen wir den Ersatz in Deutschland. Laut Versender wäre die Feder 7 Tage unterwegs – bis nach Varanasi. Jeder Tag geht von unserer berechneten Fahrtzeit ab. Das Warten beginnt! Und es soll noch so richtig ungemütlich werden. Weil nämlich gerade Diwali (so etwas Ähnliches wie Weihnachten nur viel bunter) herrscht, passiert nur recht wenig in Indien! Wie eben an Weihnachten in anderen Teilen der Welt. Nach gefühlten 45 Emails und 23 Anrufen bei einer internationalen Shipping Company, dem Ausfüllen allerlei unnötiger und vollkommen sinnbefreiter Formulare und weiteren 34 Emails haben wir nach 10 Tagen endlich unsere Feder. Eingebaut ist sie in weniger als 2 Stunden. Es geht also erneut los Richtung Osten – wer hätte das gedacht! Wir verlassen Varanasi nun schon zum zweiten Mal. Nur noch 11 Tage und schlappe 2.200 km bis zur Grenze! Das sollten wir doch schaffen. Oder nicht?
Wir machen richtig Strecke. Mit fliegenden Wechseln am Steuer. Die kurzen Nächte verbringen wir an Indian Oil Tankstellen oder an Truck Terminals. Für Stellplatzsuche nach 10 Stunden Fahrt und Sonnenuntergang um 17 Uhr bleibt keine Zeit. Road Trip Romantik pur!
Die Straßen sind okay, die Beschilderungen mäßig und unser GPS halbwegs brauchbar. An einer nicht eindeutigen Gabelung fragen wir nach. Was folgt: ein normales indisches Chaos. Fünf indische Trucker und so wie es sich anhört: mindestens zwölf Meinungen. Nach etwa einer Stunde haben selbst wir das Problem begriffen. Der Monsun hat viele der Brücken ausgeschwemmt, so dass schwerere Fahrzeuge hier komplett in einer Sackgasse stehen. Wir sollen einen gigantischen Umweg fahren, um irgendwie über „Mutter Ganges“ zu gelangen. Mammamia! Mit Umweg sind hier nicht Stunden sondern Tage gemeint. Wollen uns die Götter nicht gehen lassen?
Zugegebenermaßen haben wir nicht besonders viele Opfergaben dargebracht. Und manchmal haben wir auch sehr über den indischen Verkehr geschimpft. Ist dies nun unsere Strafe?
Auf unserem Umweg brauchen wir allein für eine kurze 5‑Kilometer Offroad-Passage zwei Stunden. Aber wir müssen doch an die burmesische Grenze! Zu unserem Konvoi! Nach sehr zähen anderthalb Tagen haben wir endlich die LKW-gerechte Brücke über den Ganges gefunden. Nun kann uns nichts mehr aufhalten. Das denken wir zumindest. Und wir haben ja immer noch 8 Tage Zeit zur burmesischen Grenze.
Die ersehnte Brücke über den Ganges
An Darjeeling vorbei wirkt Indien sehr anders. Der Nordosten, der auch als Tribal Area bezeichnet wird, empfängt uns mit einem breiten Lächeln und großen Augen. Die Menschen in diesem Teil des Landes müssen noch nicht so viele Touristen ertragen. Sie sind neugierig aber auch höflich und zurückhaltend. Und wir sind erleichtert: Wir werden weder von Kannibalen gejagt noch von wilden Horden überfallen. Wenn man allerdings die Staatsgrenzen von Assam, Nagaland und Manipur durchfährt, bekommt man von den jeweiligen Grenzern einen fast mildtätigen Blick zugeworfen. Jeder verabschiedet uns mit den Worten „Be careful! Over there it’s really dangerous! Don’t drive at night time …“
Um es kurz zu machen … wir hatten keine Probleme. Weder in Assam noch Nagaland oder in Manipur. Wir sind aber auch wie empfohlen niemals in der Nacht gefahren. Vielleicht auch einfach, weil wir zu müde waren. Nur in Imphal, der Hauptstadt des indischen Staates Manipur haben wir uns vorsorglich über die Sicherheitslage beim Manipur Tourist Ministerium erkundigt. Wir hatten tagsüber einfach zu viele Waffen in der Hand von Männern gesehen. Wie sich herausstellen sollte war das Nachfragen ein großer Fehler. Aus dieser Nummer wieder rauszukommen hat geschlagene drei Stunden gedauert.
Also: nach 5 Minuten in diesem Ministerium waren wir uns einig, dass Manipur kein ganz einfacher Staat ist – dass man allerdings außerhalb Imphals nichts zu befürchten hat. Okay, wir schlafen also einfach auf dem Hof des Ministeriums und fahren am nächsten Morgen weiter. Alles klar? Nicht ganz. Leider war diese schnelle Lösung nicht mit dem obersten Ministerialbeamten abgesprochen. Und dieser hatte erhebliche Sicherheitsbedenken. Wir hatten keine – und so nahmen die Diskussionen, die Telefonate und die Platzbesichtigungen ihren Lauf. Wie gesagt, drei Stunden später hatten wir dann alle überzeugt, dass wir auf dem Hof sicher seien. Aber wie immer in Ländern mit verbesserungsfähiger Sicherheitslage … die Offiziellen sind sehr besorgt und würden am liebsten auch noch das Risiko eines Blitzeinschlags eliminieren. Unser Ansprechpartner hat uns an diesem Abend noch zweimal angerufen um nach dem Rechten zu sehen. Hätten wir bloß an der Indian Oil Tankstelle übernachtet!
Mittlerweile sind es nur noch zwei Tage bis zum geplanten Termin unseres Myanmar-Konvois. Es sind aber auch nur noch 110 Kilometer von Imphal nach Moreh, der letzten indischen Grenzstadt vor Burma. Und so träumen wir vor uns hin, denken über Indien und Burma nach, genießen die satte, grüne und ausgesprochen saubere Natur um uns herum, die kleinen authentischen Dörfer Manipurs und um Haaresbreite ignorieren wir den Ebola-Beauftragten in Mao komplett! Er hat uns und unseren Reisepass gesichtet und ist dennoch hochmotiviert, einen Ebola-Check machen zu müssen. Irgendwo in einem Bergdorf mitten in Manipur. Klar! Auf die Frage wie er sich das in seinem winzigen, etwas unaufgeräumten Büro vorstellt, antwortet er mit einer Geste. Er hält uns seine Fieber-Pistole unter die Nase. Einfach nur Temperatur messen? Okay. Und was ist wenn einer von uns beiden einfach nur erkältet ist?
Ich muss an Götter denken und daran, dass wir geschlagene zehn Tage in Varanasi auf unsere Ersatzteile gewartet haben, daran wie wir mehr als zwei Tage gebraucht haben, um mit unserem Truck irgendwie über den Ganges zu gelangen. Und ich muss daran denken, wie lange es wohl in Manipur dauern würde, bis eine moderat ausgerüstete Klinik eine eventuelle Ebola-Erkrankung sicher ausschließen kann und wir hoffentlich noch rechtzeitig zu unserer Gruppe nach Moreh stoßen können!
Der Ebola Checker zieht seine Pistole, entsichert, hält genau auf die Schläfe und drückt ab. Jen ist sauber. Zweiter Schädel. Er drückt ab. In meinem Kopf lege ich mir schon die Argumentation zurecht: der erste Ebola-Fall wurde im Sommer 2014 berichtet. Wir sind aber schon seit November 2013 in Indien. All das ist unseren Reisepässen dokumentiert. Wir können gar kein Ebola haben … Oder? Jen reißt mich am Arm und sagt „Los, raus hier!“
Wir lachen beide, stürmen zum Auto und freuen uns auf Burma!
… dort wird ja hoffentlich wieder alles glatt laufen … mal sehen, ob die Götter wieder besser gelaunt sind …
Antworten
Super geile Trucks 🙂
Erinnert mich stark an die Phils mit ihren buten Jeepnys 🙂
LG KevinAber der ganz links im Titelbild ist und bleibt der Beste!
🙂Beste Grüße!
Ich liebe diese Seite, da kann ich mich regelmäßig in die Ferne träumen. 🙂 Ich war noch nie in Indien, stelle es mir aber sehr magisch und schön vor. Wenn auch natürlich ein Land mit Gegensätzen. Wie so oft.
Lg aus Matrei am Brenner
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