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Alaska-Fieber: Und irgendwann zieht es jeden into the wild…

“Sit­zen drei Män­ner in Indi­en in einem Zug. Ein Ame­ri­ka­ner, ein Bri­te und ein Deut­scher…” Dus­tin, sei­nes Zei­chens eben die­ser Ame­ri­ka­ner, erzählt uns gera­de kei­nen Witz, son­dern eine sei­ner Rei­se-Geschich­ten. Von denen gibt es Zahl­rei­che. “Schrei­ben kann ich über mei­ne Erleb­nis­se nicht, aber dar­über berich­ten”, so hat er sich heu­te Mor­gen ange­prie­sen und uns die Idee schmack­haft gemacht, mit uns im Miet­wa­gen in den Dena­li Natio­nal­park mit­zu­fah­ren. Er hät­te sich gar nicht so anstren­gen müs­sen, wir hät­ten ihn auch so an Bord genom­men. Und schon hat Dus­tin wohl wie­der eine Rei­se­ge­schich­te, dies­mal mit dem Anfang: Sit­zen drei Men­schen in Alas­ka in einem Auto. Ein Ame­ri­ka­ner, ein Deut­scher und eine Öster­rei­che­rin.

Für uns drei ist es nicht nur der Beginn einer sie­ben­stün­di­gen Auto­fahrt, son­dern einer gan­zen Rei­se. Durch Alas­ka näm­lich, die­sen abseits gele­ge­nen Bun­des­staat der USA, der vor allem für sei­ne Käl­te und Wild­nis bekannt ist. Von ers­te­rer spü­ren wir im Moment noch gar nichts: Ende August haben wir die wohl letz­ten schö­nen Tage mit strah­len­dem Son­nen­schein erwischt. Wie viel Glück wir damit haben, stel­len wir vor allem beim Anblick des höchs­ten Ber­ges der USA, dem Mount McKin­ley, fest, der mit sei­ner schnee­be­deck­ten Spit­ze beein­dru­ckend aus den umlie­gen­den Ber­gen und Glet­schern des Natio­nal­parks Dena­li empor­ragt.

MountMcKinley-bei-Schönwetter-(Foto-Doris)

Ja, der Natio­nal­park ist für uns alle das ers­te Ziel der Rei­se. Von Ancho­ra­ge, dem Lan­de­platz unse­rer Flie­ger ein­mal abge­se­hen. “Ich will das rich­ti­ge Alas­ka sehen”, schwärmt Dus­tin, der anders als wir im Park cam­pen möch­te, und die Auf­re­gung in sei­ner Stim­me straft sei­nen bedenk­li­chen Blick Lügen. Wobei ich Letz­te­ren ver­ste­hen kann: Von Aus­rüs­tung kann man näm­lich bei sei­nem spär­li­chen Gepäck kaum spre­chen. Ein bil­li­ges Super­markt-Zelt, ein war­mer, aber löch­ri­ger Pul­li, eine Trek­king­ho­se, Feu­er­zeug. Gut, dass ihn unser Couch­Sur­fing-Host müt­ter­lich-für­sorg­lich noch vor dem Abschied mit Bären­spray und einem klei­nen Cam­ping­grill aus­ge­stat­tet hat. Der kur­ze Stopp im Safe­ways, der in Alas­ka trotz Über­nah­me durch den US-Kon­zern noch immer den alten Fami­li­en­na­men des Vor­gän­ger­markts Carrs trägt (Illu­si­on ist alles), hat ihm auch jede Men­ge Tüten­sup­pen ein­ge­bracht. Na immer­hin.

Das rich­ti­ge Alas­ka also. Das mit wil­den Bären, dem Kampf gegen Natur­ge­wal­ten, dem des Jagens nach Ess­ba­rem, dem des Daseins ohne Warm­was­ser oder jeg­li­chen Kom­fort, indem das Ich gegen den Rest Stand hal­ten muss… Er ist nicht der Ein­zi­ge, den die­se Sehn­sucht plagt. Alas­ka-Fie­ber, so lau­tet die Dia­gno­se, und gegen das ist kei­ne® gefeit.

Achtung-Wildlife-(Foto-Doris)

Sie hat auch Olaf gepackt, die­se extre­me Anzie­hungs­kraft des Lan­des. Groß und breit, mit Holz­ha­cker­hemd und Kap­pe, ein Bier in der einen Hand, Ziga­ret­te in der ande­ren steht der gebür­ti­ge Deut­sche vor mir und könn­te optisch kaum alas­ki­scher sein. Der blon­de Rau­sche­bart ver­hüllt Tei­le des Gesichts, das mir gleich unglaub­lich ver­traut ist. Nein, die Ähn­lich­kei­ten zu sei­nem Bru­der, mei­nem ehe­ma­li­gen Chef, kann er nicht leug­nen – auch wenn die Unter­schie­de zum glatt­ra­sier­ten, kahl­köp­fi­gen Anzug­trä­ger in Öster­reich kaum grö­ßer sein könn­ten. 1998 ist Olaf mit dem Fie­ber ange­steckt wor­den, damals, als er mit einem Kanu den Yukon ent­lang gepad­delt ist. Seit sie­ben Jah­ren lebt er jetzt in einer „Cold Cabin“ nahe Fair­banks, einer die­ser Holz­hüt­ten, die ohne flie­ßen­des Was­ser aus­kom­men und in denen fast jeder in Alas­ka ein­mal gelebt hat. Sogar die Tou­ris­mus-Che­fin der Stadt hat es Jah­re in so einer beschei­de­nen Blei­be aus­ge­hal­ten. Hei­me­lig hat er sein „Haus“ ein­ge­rich­tet: An einer Wand hän­gen Har­ley David­son-Sti­cker, die ande­re ist vol­ler Kap­pen, die drit­te wie­der­um voll­ge­stopft mit Büchern. Fast könn­te man ob der gemüt­li­chen Atmo­sphä­re ver­ges­sen, dass sich das Plumps­klo drau­ßen befin­det und die nächs­te Dusch­ge­le­gen­heit im fünf Minu­ten ent­fern­ten Pub war­tet.

Doch wer braucht schon ein Bad, wenn es Inter­net gibt? Wir trin­ken das zwei­te Bier und erzäh­len uns Geschich­ten. Über Alas­ka. Über die Wild­nis. Über das Fie­ber, das man­che zeit­le­bens nicht los­lässt und mit dem Ver­lust des­sel­ben enden kann. Eine Tat­sa­che, von der „Into The Wild“, die Ver­fil­mung des Lebens von Chris­to­pher McCand­less roman­ti­sier­tes Zeug­nis ablegt.

Into-the-Wild-Film-Bus-in-der-49th-Brewery-(Foto-Doris)-(2)

Es ist der Mythos rund um den jun­gen US-Ame­ri­ka­ner, der 1992 im Natio­nal­park Dena­li in einem ver­las­se­nen Lini­en­bus der „Fair­banks City Tran­sit Sys­tem“ gestor­ben ist, der auch jetzt noch unzäh­li­ge Men­schen infi­ziert. So sehr, dass sie sich auf des­sen Spu­ren bege­ben. Die 49th Bre­wery im Natio­nal­park hat einen regel­rech­ten Besu­cher­schwung erlebt, seit­dem der Film-Bus von „Into The Wild“ auf ihrem Gelän­de steht, und fin­di­ge Ver­an­stal­ter bie­ten McCand­less-Tou­ren im Hub­schrau­ber oder Gelän­de­fahr­zeug an. Die Meis­ten jedoch pil­gern zu Fuß auf dem Stam­pe­de Trail hin zu die­sem „Magic Bus“.

Dustin-im-Nationalpark-Denali-(Foto-Dustin)

Der alte Lini­en­bus 142 steht näm­lich noch immer an der Stel­le, an der „Alex­an­der Super­tramp“ ali­as Chris tot auf­ge­fun­den wor­den ist. Ein Abtrans­port?! Zu teu­er, zu umständ­lich, kei­ner fühlt sich zustän­dig – auch wenn immer wie­der gera­de in den Medi­en die For­de­rung danach ertönt. Schließ­lich müs­sen Jahr für Jahr zahl­rei­che Pil­ger gebor­gen wer­den, die sich ähn­lich schlecht aus­ge­rüs­tet und vor­be­rei­tet wie ihr „Held“ auf die Suche nach Chris Ver­mächt­nis bege­ben. Wie drei Deut­sche, die am 27. Mai die­sen Jah­res per Heli­ko­pter geret­tet wer­den muss­ten: Sie hat­ten Glück, dass sie mit ihrem Leben davon gekom­men sind… ein Glück, das eine 29-jäh­ri­ge Schwei­ze­rin 2010 nicht hat­te.

Und Dus­tin?! Er hat sein “rich­ti­ges Alas­ka” bekom­men: “Was für ein irres Aben­teu­er. Am Tag, nach­dem wir uns ver­ab­schie­det haben, habe ich 80% mei­nes Zeugs in eine Lager gege­ben und bin ins Hin­ter­land. Allein. Ich habe eis­kal­te Tem­pe­ra­tu­ren erlebt, hef­ti­gen Regen, Nord­lich­ter, und habe mich vor Schreck fast in die Hose gemacht, als ich zwei Grizz­ly­bä­ren in 40 Meter Ent­fer­nung von mei­nem Schlaf­platz ent­deckt habe. Wow, unglaub­lich. Ich lie­be Alas­ka!!!” All das schreibt er mir spä­ter in einer Mail, und ich weiß: Wie­der einer, den wir ver­lo­ren haben – ans Alas­ka-Fie­ber!

 

Foto Dus­tin mit Zelt: Dus­tin Homic­ki
Offen­le­gung: Herz­li­chen Dank an Con­dor für die Unter­stüt­zung bei den Flü­gen, an Airbnb und Best Wes­tern für Über­nach­tungs-Gut­schei­ne sowie an die Regio­nen Ancho­ra­ge und Fair­banks für den Sup­port.

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Antworten

  1. Avatar von Stefan

    Ein wirk­lich wun­der­bar Bericht.
    Ja, Alas­ka ist noch ein Aben­teu­er! Wir ver­brach­ten da den letz­ten Som­mer mit unse­rem Rei­se­mo­bil .Eigent­lich sind wir Unter­wegs von Kana­da nach Chi­le, da liegt Alas­ka ja fast auf dem Weg!

    Lie­be Grüs­se

    Ste­fan

  2. Avatar von Gerd-L.Hienz

    Ich habe die schöns­ten Erin­ne­run­gen an Alas­ka im Jahr 2007. (s. Home­page)

  3. Avatar von Mauritius Expertin

    Hey,

    das hört sich ja wirk­lich aben­teu­rer­lich an. Das du kei­ne Angst hat­test. Ich glau­be, ich hät­te richtg Angst. Was hat dir den an Alas­ka am bes­ten gefal­len?

  4. Avatar von Alex

    Tol­le Land­schaft und super Auf­nah­men!

    LG

    Alex

    1. Avatar von Doris Neubauer

      Dan­ke, Alex. Ja, die Land­schaft ist echt unglaublich1

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