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Es ist soweit, es geht wieder nach Delhi – oder auch die Stadt des Grauens, wie ich sie liebevoll nenne. Meine Erste Begegnung mit Delhi war zugleich auch meine erste Erfahrung außerhalb Europas (zählt man den asiatischen Teil Istanbuls nicht); quite overwhelming also.
Die Landung
Gelandet um 06.30Uhr in der Früh, und definitiv zu früh, um zum ersten Mal in Indien zu landen – Entschädigung für diese Uhrzeit war der Sonnenaufgang über dem Himalaya – hatte ich beim Verlassen des Flughafens nur folgenden Gedanken: Was für eine Schnapsidee hier drei Monate bleiben zu wollen – ich war zwecks Praktikum angereist. Vor uns tat sich eine Männermenge auf, von denen einige in einer eigenartigen Hockposition da saßen, und alle in unsere Richtung starrten; ein prüfender, unangenehm strenger Blick, der mitnichten Welcome to India meinte.
Die erste Autofahrt in Indien
Die anschließende Fahrt zum Hotel war die packendste Autofahrt unseres Lebens. Mit Tempo 80 düste unser Fahrer durch den indischen Stadtverkehr, der festen Überzeugung, Kühe, Fussgänger und andere Verkehrsteilnehmer würden ihm schon irgendwann weichen. Nach rund 10Minuten hatte ich ein fatalistisches Vertrauen in seine Fahrweise gefasst, weil mir auch keine andere Möglichkeit blieb; Anschnallgurte gabs nicht. Meine heimliche Befürchtung Kühe auf Indiens Strassen seien ein Relikt aus alter Zeit hatte sich aufgelöst, meine neue war: Hoffentlich überfahren wir keine. Irgendwann bog er links ab und auf einmal veränderte sich das Erscheinungsbild der Stadt ganz beträchtlich. Die Dichte der Häuser, Menschen, Tiere landwirtschaflticher Nutzung und deren Unrat hatte schlagartig zugenommen, alles rückte näher. Ich war überzeugt es handelt sich hierbei um eine Abkürzung, die unser kundiger Fahrer nahm, um dem aufkommenden Berufsverkehr auszuweichen. Und im Schutze des Wagens war das auf die Strasse kackende Kind neben, der vom Müll fressenden Kuh auch durchaus irgendwie interessant. Verdutzt registrierten wir dann aber, dass wir gehalten hatten. Wir waren also angekommen an unserem Hotel und in Paharganj.
Paharganj
Paharganj ist im Lonely Planet beschrieben als »nicht jedermanns Sache – durch seine Drogenszene und die vielen zwielichtigen Gestalten hat es einen zweifelhaften Ruf.« Sicher wir waren vorgewarnt, dass wir nicht im Botschaftsviertel residieren würden, aber dennoch würde Paharganj eher folgende Warnung gerecht: »Dieses Viertel können wir nicht guten Gewissens empfehlen, ohne auf die enormen Nachteile wie erdrückende Menschen‑, Tier- und Unratmassen, Scharren von Schleppern und die Überforderung der Geruchsnerven hinzuweisen. Wer allerdings Delhis authentische Seite erleben möchte, ist hier an der richtigen Adresse«. Einbisschen so wie die ehrliche Warnung vor dem islamischen Stadtviertel in Kairo.
Das Hotel
Immerhin entpuppte sich unser Hotel Jyoti Mahal als wahrer Glücksgriff. Freundlicher Service, im Rajasthani-Stil geschmackvoll eingerichtete Zimmer und eine Dachterasse mit guter Küche; die Parathas zum Frühstück sind super! Nur der Balkon erübrigte sich schnell. Den teilt man sich nämlich mit der Klimaanlange und bei 40° im Schatten sind die Ablüfte einer Klimaanlage irgendwie unangenehm.
Old Delhi
Obwohl erschöpft vom Flug und den nervlichen Strapazen unserer Ankunft machten wir uns auf den Weg zu unserer Delhi-Erkundungstour, schließlich war die Zeit knapp und wir neugierig. Völlig indienunerfahren begaben wir uns auf die Strasse und kannten die Hauptregel des Überlebens nicht: Niemals stehen bleiben und schauen. Da wars auch schon passiert, ein freundlicher junger Herr wollte uns unbedingt behilflich sein und uns zum Touristoffice geleiten.
Er sei: Student.
Er brauche: kein Geld. (Zum Beweis zückte er eine Hundertrupien Note.)
Er ist: Ricksha-Fahrer. (Wir traffen ihn später wieder.)
Um Old-Delhi genießen zu können und sich vielleicht sogar darin zu verlieben sollte man unbedingt die Fahrrad-Ricksha als Fortbewegungsmittel wählen. Langsam gleitet das Chaos an einem vorbei, während man leicht erhöht einen guten Blick über das Gewimmel von Händlern, Priestern, Kühen und Schafen hat. Geradezu ekstatisierend kann so eine Fahrt sein.
Spätestens ab dem Roten Fort kann man sich vor Angeboten der Ricksha-Fahrer eine Basar-Tour zu machen kaum noch retten. Mit ein bisschen Glück erwischt man aber einen Fahrer, der einen nicht in den nächsten Laden eines nahen Verwandten schleppt, sondern tatsächlich eine lohnenswerte Route vorschlägt. Unsere Tour ging etwa 2 Stunden: Start bei der Moschee Jama Masjid über den Gewürz- und Hochzeitsbasar hin zu einem der ältesten Jaintempel der Stadt; verborgen in einer Gasse mit wunderschönen traditionellen Havelis, die zu Zeiten der Mongulhauptstadt einst ganz Old-Delhi zierten. Und eintrittfreien Ausblick über die Stadt von einem der unzähligen Dächer Old-Delhis gabs auch.
Neu-Delhi
Den nächsten Tag starteten wir mit dem City Walk von Salaam Balaak Trust. Die Spaziergänge werden geführt von ehemaligen Strassenkindern, die ihre persönliche Geschichte teilen. Brijesh, unser Guide, zeigte uns die Plätze rund um den Bahnhof von Neu-Delhi, an denen die Strassenkinder schlafen, sich waschen und essen; und ermöglichte uns auch durch seine eigene Geschichte einen Einblick in das Überleben und den Alltag der Strassenkinder zu bekommen. Ein wirklich sehr interessanter und lohnenswerter Spaziergang! Brijesh ist mittlerweile nicht mehr dabei, er bekam ein Studienstipendium für die USA, Congratulations!
Nach soviel Old-Delhi war dann auch mal das neue Delhi dran. Am Connaught Place speisten wir unglaublich lecker im Rajdhani Restaurant; serviert wird dort ein typisches Gujarati-Thali zu wirklich moderaten Preisen. Ausprobieren! Eine Warnung sei aber ausgesprochen: Man sollte wirklich extrem großen Hunger mitbringen, die Kellner sind so übereifrig im Nachfüllen der Schällchen, das man mit dem Nein, danke ich bin schon satt gar nicht mehr hinterkommt.
In der prallen Mittagshitze und mit einem zu vollen Magen begaben wir uns zum India Gate, um in den Grünanlagen ein wenig zu flanieren und zu entspannen. Nach kurzer Zeit waren wir scheinbar für Einige die größere Attraktion als das India Gate; eine Erfahrung, die wir auch schon im Roten Fort gemacht hatten. Eine kleine Menschentraube – Jungs gemischten Alters (7–16Jahre alt) – setzten sich im Halbkreis auf die Wiese um uns herum; eine kleine Fangruppe sozusagen. Leider konnte ich meinen eingebildeten Ruhm nicht lange genießen. Meine Begleitung, sichtlich irritiert von dieser Belagerung, ergriff die Flucht. Doch so einfach lassen sich Fans nicht abwimmeln; hinterher. Bis der Mutigste hervortrat und endlich ihr Anliegen preisgab: »Photo, madam, please.« Aus Angst mit jedem einzelnd ein Foto machen zu müssen, und auch einwenig deshalb, weil ich fürchtete die Kinder hinterher um eine Kamera mehr bereichert zu haben, verneinte ich freundlich und verabschiedete mich.
Als wir in unserem gelb-grünem Gefährt an ihnen vorbeifuhren winkten und riefen sie zum Abschied: »Bye madam, bye!« Ein gelungener Abschluss in Delhi.
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Antworten
Sehr interessant, anschaulich und humorvoll dein ausführlicher Bericht!! Danke, Marianna!
Danke zurück!
Ach, wie schön! Die Stadt des Grauens. Ich bin so gespannt auf Indien und ob es wirklich so schlimm und schön gleichzeitig ist, wie alle immer sagen 🙂
PS: In Berlin seh ich auch ständig Menschen, die auf die Straße kacken. Ich kann mich trotzdem nicht so recht daran gewöhnen…Wo siehst du das in Berlin? 😀
Du wirst Indien entweder lieben oder hassen. Was dazwischen gibt’s nicht 😉 Bin gespannt wie es dir gefällt.
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