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Um es gleich zu Anfang zu sagen: Eine Woche ist für Kuba viel zu wenig. Tatsächlich ist eine Woche für so gut wie jeden Ort auf der Welt zu wenig (von Bochum vielleicht einmal abgesehen), aber für Kuba stimmt es ganz besonders. Spät abends kommen wir am Flughafen in La Habana an, dem Aeropuerto Internacional José Martí, benannt nach einem eher glücklosen Revolutionär, der gleich in seiner ersten Schlacht gefallen ist und deshalb ähnlich wie Che als eine Art Märtyrer verehrt wird. Der Flug von Cancún aus dauert 45 Minuten und kostet rund 200 Euro – in Kuba gibt es ein einzigartiges Preisgefälle zwischen den Angeboten für Touristen und denen für Einheimische. Dafür stellen sich die Gruselgeschichten über CubanaAir glücklicherweise als freie Erfindung heraus – die Maschine ruckelt nicht und zumindest mir fällt nicht auf, dass irgendwelche Teile während des Fluges verloren gehen.
Ein Taxi bringt uns nach Vedado, dem Stadtviertel von La Habana, in dem sich unser casa particular befindet. Kubanern ist es, so viel habe ich auf CouchSurfing zuvor in Erfahrung bringen können, verboten, ausländische Gäste kostenfrei bei sich aufzunehmen – für 25 CUC (entspricht etwa 23 Euro) kommen wir allerdings in einem komfortablen Zimmer unter. In dem großen Apartment wohnt unsere Gastgeberin Eva mit ihren zwei Kindern in einem Raum, die drei restlichen Zimmer vermietet sie an Gäste aus aller Welt. Was dem Apartment einen gewissen Hostel-Flair verleiht – neben uns wohnen dort im Laufe der Woche noch eine Kanadierin, eine Tchechoslowakin, eine weitere Deutsche, ein Italiener und eine Holländerin – und das sind nur die, mit denen wir uns unterhalten haben. Eva selbst wohnt zwar seit Jahren auf Kuba, kommt aber eigentlich aus Madrid – eine sehr internationale Gemeinschaft also, die sich im dritten Stock des eher heruntergekommen Hauses zusammengefunden hat.
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg nach La Habana Vieja, dem historischen Stadtkern von Havanna – auch wenn in Kuba vor allem dank des Handelsembargos der USA ohnehin so gut wie alles historisch wirkt. Seit der Revolution Ende der 50er in Kraft, hat das Handelsembargo de facto dafür gesorgt, dass auf Kuba die Zeit stehen geblieben ist: Die Architektur der Häuser erinnert an Bilder aus den Sechzigern. wofür es keine Ersatzteile gibt, das wird nicht repariert und moderne Errungenschaften wie W‑LAN und mobiles Internet sind spurlos an Kuba vorbei gegangen. Und natürlich stammt ein Großteil der Autos aus dieser Zeit: Unser Taxi, ein taxi colectivo, das man im Grunde wie einen Bus benutzen kann, stammt aus Mitte der 50er, wie mir der Fahrer stolz erzählt, und mir bedeutet, dass ich das Armaturenbrett mit dem Chevrolet-Schriftzug fotografieren soll.
Havanna ist das laut schlagende Herz von Kuba und in La Habana Vieja kann man beobachten, wie das Blut durch die Kammern strömt. Das Viertel ist voller Leben, aber Leben auf kubanisch. Während in New York, der Hauptstadt des Kapitalismus, am Times Square in New York im Sekundenrhythmus gestresste Broker und telefonierende Frauen im Business-Kostüm an einem vorbeihasten, geht in La Habana, der letzten Hauptstadt des Sozialismus, alles etwas ruhiger zu. Allerdings: nicht viel weniger touristisch. Bewegt man sich in Richtung des Capitols, wird man von allen Seiten zu einer Fahrt in einem Taxi, zum Kauf kubanischer Zigarren (überraschenderweise gibt es jeden Tag gerade heute ein Sonderangebot) und zur Wahrnehmung ähnlicher Angebote gedrängt. Mit dem Besuch einer leer stehenden Zigarrenfabrik entkommen wir dem Trubel und haben die Gelegenheit, durchzuatmen und die vielen Eindrücke zu verarbeiten.
Am nächsten Tag streifen wir durch Vedado, dort ist es um einiges ruhiger und auf eine ganz andere Art und Weise schön. Da unsere Kreditkarte auf Kuba nicht funktioniert, müssen wir Geld wechseln und erleben in der Schlange für die Wechselstube erneut ein schönes Beispiel für die kubanische Ruhe. Denn Kubaner sind viel zu gemütlich um wirklich Schlange zu stehen. Vermuten Kubaner irgendwo eine Schlange, fragen sie einfach mit „Último?“ laut in die Runde, wer zuletzt gekommen ist. Hat sich diese Person gemeldet, setzen sie sich in aller Ruhe in den Schatten und warten darauf, nach ihm oder ihr an die Reihe zu kommen. Ein wunderbares System, das in der überwiegend von Touristen dominierten Busstation von Viazul leider nicht funktioniert: Dort warten wir rund zwei Stunden auf unser Ticket nach Trinidad.
Die Fahrt nach Trinidad dauert etwa sechs Stunden – was mich allein schon aus dem Grund überrascht, dass mir nicht klar war, dass auf Kuba überhaupt Orte existieren, die sechs Stunden voneinander entfernt sind. Dafür dürfen wir auf dem Weg die kubanische Landschaft bewundern, was allein schon die Reise wert ist. Als Erdkunde-Abwähler bin ich beeindruckt, wie bergig und grün die Insel ist. Um die Unterbringung in Trinidad hat sich mangels Internet Eva gekümmert („Ich kenne dort gute Menschen. Ich schreibe ihnen. Alles wird funktionieren.“) und tatsächlich: Alles funktioniert. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich eine von den Personen, die mit einem Namensschild am Zielort abgeholt werden. Glücklicherweise ist er falsch geschrieben, so dass ich mir nicht so abgehoben vorkomme.
Trinidad ist genauso touristisch wie Havanna, aber auf weniger Raum, so dass es stärker auffällt. Aber wie überall auf der Welt retten die Nebenstraßen vor der Menschenmenge. Trinidad hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die unter anderem die Suche nach Gold, Sklavenhandel, Piraterie und Schmuggel beinhaltet. Durch diese eher fragwürdigen Einnahmequellen hat Trinidad eine Blütezeit erlebt, die bis weit ins 19. Jahrhundert reicht. Übrig ist davon eine UNESCO-geschützte Stadt mit zahlreichen Gebäuden aus der Kolonialzeit, zu denen auch unser Hostel gehört.
Doch wie gesagt: Unsere Zeit in Kuba ist viel zu kurz. Schon am nächsten Tag geht es wieder nach La Habana, wo uns ein wolkenbruchartiger Regenfall die Nachmittagsplanung im wahrsten Sinne des Wortes verhagelt. Um vier Uhr morgens bringt uns ein Freund von Eva in seinem stark nach Benzin riechenden Lada zum Flughafen, wo wir uns mangels funktionierender Kreditkarte die Flughafengebühr von 25 Dollar pro Kopf bei Mitreisenden erbetteln. Das Geld ist alle, aber die Eindrücke bleiben. Eindrücke von einem Ort, in dem die Zeit stehen geblieben ist, in dem das Leben anders läuft, als man es gewohnt ist, in dem man nicht ständig auf sein Smartphone blickt. Ein Ort, der sich in den nächsten Jahren wandeln wird, aber an den man irgendwann zurückkehren möchte.
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Danke für deine Artikel. Kuba ist wahrlich eine Reise wert. In den nächsten Jahren wird sich Kuba mit fallendem Handelsembargo schnell verändern. Und das was uns so fasziniert wird immer mehr verblassen.
Vedado-Eva hat sich nicht aus Freundlichkeit um eine Unterkunft in Trinidad gekümmert, sondern weil sie dafür von dem Vermieter dort 5 CUC (entspricht ca. 5 US$) comisión (also Vermittlungs-Provision) pro Nacht erhält.
Die Fotos sind toll, Respekt!!Hey! Wirklich sehr cooler Artikel mit beeindruckenden Bildern. Kuba ist eins dieser Länder, die ich unbedingt in den nächsten Jahren mal besuchen wollte. Von daher vielen Dank für den Beitrag und beste Grüße aus meinem Urlaub im Meran Hotel!
Das mit Bochum wird sofort zurückgenommen!!!
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