Mit Country-Musik über die Crooked Road

Wenn ein Geburts­tag ordent­lich gefei­ert wird, dann mit Musik – und hier beson­ders mit Coun­try-Musik. Eine Ein­la­dung zum 50. Geburts­tag der Kul­tur­re­gi­on der »Croo­ked Road of Coun­try Music« in Vir­gi­nia.

Wem jetzt schon beim Lesen des Titels der Song »Take Me Home, Coun­try Roads« in den Sinn gekom­men ist, der befin­det sich gleich mit­ten in einer Kon­tro­ver­se. Besun­gen wird hier West Vir­gi­nia, und es ist seit 2014 die Hym­ne von West Vir­gi­nia – also der fal­sche Bun­des­staat. Aber irgend­wie doch nicht ganz so falsch. Besun­gen wer­den auch die Blue Ridge Moun­ta­ins und der Shen­an­do­ah River – also eigent­lich genau rich­tig. Hier bin ich unter­wegs – in Vir­gi­nia, und um es etwas genau­er zu neh­men, im Süd­wes­ten von Vir­gi­nia.

Virginia und seine Regionen - Wir sind unterwegs im Südwesten auf der Crooked Road
Vir­gi­nia und sei­ne Regio­nen – Wir sind unter­wegs im Süd­wes­ten

Hier schlän­gelt sich die »Croo­ked Road« über 333 Mei­len durch die Ber­ge und ver­bin­det die Musik­kul­tur der Regi­on mit­ein­an­der. Die Musik strahl­te 1927 von Bris­tol aus, erst in die USA und dann welt­weit mit der »Geburt« der Coun­try-Musik. Die »Croo­ked Road« über­setzt sich als »geschwun­ge­ne Stra­ße«, und das ist sie wirk­lich. Sie folgt zu gro­ßen Tei­len der U.S. Rou­te 58 und schlän­gelt sich durch die Gebirgs­zü­ge der Appa­la­chen. Ja, es macht wirk­lich Spaß, hin­ter dem Lenk­rad zu sit­zen. Ich sit­ze in mei­nem Miet­wa­gen und genie­ße die abwechs­lungs­rei­chen Momen­te auf der Stra­ße.

Mit Schallplatten am Bett

Mei­ne Rei­se beginnt in Roano­ke, nur unge­fähr 50 Minu­ten Flug­zeit von Washing­ton, DC ent­fernt. Es ist schön warm, die Son­ne scheint, und am Schal­ter der Miet­wa­gen­fir­ma stel­le ich vie­le Fra­gen. Doch erst im Auto fällt mir auf, dass ich ver­ges­sen habe, nach der Geschwin­dig­keits­be­gren­zung zu fra­gen. Der Rück­spie­gel lässt alles etwas grö­ßer erschei­nen, und die Stra­ßen sind – typisch ame­ri­ka­nisch – sehr breit. Die Geschwin­dig­keits­be­gren­zung fin­de ich schnell her­aus, aber an den Rück­spie­gel gewöh­ne ich mich erst Tage spä­ter. Doch der Blick nach vor­ne ist auch viel schö­ner.

Der Roanoke Star trohnt über der Stadt
Der Roano­ke Star trohnt über der Stadt

Ich bin froh, mein Auto am Hotel Roano­ke schnell wie­der abstel­len zu kön­nen. Vom Hotel aus erkun­de ich die Innen­stadt zu Fuß. Mein ers­ter Stopp nach dem lan­gen Flug: eine klei­ne Braue­rei mit einem klei­nen Musik-Jam. Schnel­ler, als ich schau­en kann, bin ich mit Essen ver­sorgt und im Gespräch mit Musi­kern und Zuschau­ern. Als lang­sam Ruhe ein­kehrt, wer­de ich ein­ge­la­den, zum nächs­ten Live-Kon­zert in einer Bar wei­ter­zu­zie­hen.

Golden Cactus Brewing in Roanoke, Virginia
Gol­den Cac­tus Bre­wing in Roano­ke, Vir­gi­nia

Am nächs­ten Tag tref­fe ich im »Sou­thwest Vir­gi­nia Cul­tu­ral Cen­ter« in Abing­don Tylor Hug­hes. Er ist selbst ein bekann­ter Coun­try-Musi­ker und führt mich durch das Kul­tur­zen­trum, das sich den Regio­nen rund um das Herz der Coun­try-Musik gewid­met hat. Als ich ihm von mei­nem ers­ten Abend erzäh­le, lächelt er nur und bestä­tigt mir, dass eigent­lich kein Abend ver­geht, ohne ein Live-Kon­zert oder eine Ver­an­stal­tung. Ich freue mich schon auf die nächs­ten Tage. Als ich dann spä­ter im Ses­si­ons Hotel in Bris­tol an der Gren­ze zu Ten­nes­see ankom­me, füh­le ich noch mehr die Schwin­gun­gen der Regi­on. Im Zim­mer emp­fängt mich ein Schall­plat­ten­spie­ler, und an der Rezep­ti­on kann ich mir so ziem­lich jede Coun­try-Musik-Plat­te aus­lei­hen, die ich möch­te. Vor der Nach­mit­tags­hit­ze ver­ste­cke ich mich im Zim­mer und ent­span­ne bei einer leicht kräch­zen­den Plat­te von John­ny Cash.

Schallplattenspieler im Sessions Hotel
Schall­plat­ten­spie­ler im Ses­si­ons Hotel

Geburt der Country Musik

In Bris­tol fan­den 1927 die soge­nann­ten Bris­tol Ses­si­ons statt. Davor muss­ten die meis­ten Musi­ker aus den länd­li­chen Gebie­ten, um bekannt zu wer­den, in Städ­te wie New York gehen. Da sich das aber kaum jemand leis­ten konn­te, blieb die loka­le Art der Musik bis 1927 eher unbe­kannt. Mit dem Auf­kom­men von elek­tri­schen Mikro­fo­nen wur­de nicht nur die Klang­qua­li­tät bei Auf­nah­men bes­ser, son­dern auch die Auf­nah­me­ge­rä­te selbst leich­ter. So reis­te Ralph Peer für die Vic­tor Tal­king Machi­ne Com­pa­ny nach Bris­tol und lud vie­le Musi­ker und Grup­pen ein. Schon 1922 gab es Auf­nah­men, aber die von 1927 brach­ten den Durch­bruch. Vie­le der Coun­try-Musik-Grup­pen wur­den schlag­ar­tig bekannt, was somit die »Geburts­stun­de« der popu­lä­ren Coun­try-Musik ein­läu­te­te. Im »Birth­place of Coun­try Music Muse­um« in Bris­tol wird die­se Geschich­te im Detail auf­ge­ar­bei­tet. Dabei darf auch nie ver­ges­sen wer­den, dass die schwar­ze Gemein­schaft und ihre Musik­in­stru­men­te einen star­ken Ein­fluss auf die Musik hat­ten.

Birthplace of Country Music Museum
Birth­place of Coun­try Music Muse­um

Zum 50. Geburts­tag lädt weni­ge Tage spä­ter auch das »Car­ter Fami­ly Fold«. Mit dem Auto fah­re ich knap­pe 45 Minu­ten über die Croo­ked Road von Bris­tol und lan­de mit­ten in den länd­li­chen Berg­ge­bie­ten. Die Car­ter Fami­ly war eine der Fami­li­en, die mit den Bris­tol Ses­si­ons berühmt wur­den. Zur Fort­füh­rung der Kul­tur und Musik wur­de die fast 800 Plät­ze fas­sen­de »Car­ter Fami­ly Fold« gebaut und von Rita For­res­ter, einer Nach­fah­rin, und vie­len Ehren­amt­li­chen betrie­ben.

Konzert der Del McCoury Band im Carter Family Fold
Kon­zert der Del McCou­ry Band im Car­ter Fami­ly Fold

Wie an vie­len Orten ent­lang der Croo­ked Road, fin­den hier jedes Wochen­en­de Kon­zer­te statt. Eins ler­ne ich schnell: Die Kon­zer­te hier sind sehr inter­ak­tiv. Die Flä­che vor der Büh­ne füllt sich beim Kon­zert der Del McCou­ry Band schnell mit Kin­dern, Eltern und Groß­el­tern, und alle tan­zen. Selbst John­ny Cash kam einst hier­her und spiel­te auf der Büh­ne, die eher nach einem gro­ßen Muse­um aus­sieht – mit all den Bil­dern der Musik­grö­ßen, die hier einst spiel­ten.

Klänge in den Bergen

So auch eini­ge Tage spä­ter im Floyd Coun­try Store, einem klei­nen Gemischt­wa­ren­la­den in der wirk­lich klei­nen Stadt Floyd. Nicht nur super Eis, Snacks und die gewöhn­li­chen Din­ge eines klei­nen Dorf­la­dens sind hier zu fin­den, son­dern auch eine mitt­ler­wei­le ziem­lich bekann­te Büh­ne. Und auch hier lau­sche ich einem schö­nen Kon­zert in einer sehr ange­nehm klei­nen Run­de.

Floyd Country Store
Floyd Coun­try Store

Nicht weit von Floyd ent­fernt wid­met sich das »Blue Ridge Music Cen­ter« eben­falls der Geschich­te der Coun­try-Musik, und hier schließt sich fast wie­der der Kreis zu dem Song »Take Me Home, Coun­try Roads«. Auch wenn er nicht nach Vir­gi­nia gehört, so bin ich ab jetzt in den Blue Ridge Moun­ta­ins unter­wegs. Ich fol­ge den Stra­ßen nach Nor­den, zurück nach Roano­ke und dann wei­ter durch das Shen­an­do­ah-Tal in den Shen­an­do­ah-Natio­nal­park.

Ein Abstecher von der Crooked Road in den Shenandoah-Nationalpark
Shen­an­do­ah-Natio­nal­park

Aus mei­nem Auto­ra­dio rie­selt lei­se zeit­ge­nös­si­sche Coun­try-Musik auf mich ein, wäh­rend ich dem Sky­line Dri­ve durch die Ber­ge fol­ge und an jeder neu­en Kur­ve einen klei­nen Aha-Moment erle­be. An einem Rast­platz hal­te ich an und star­te eine klei­ne Wan­der­tour durch die Natur. Hier endet für mich die Croo­ked Road und lei­der auch lang­sam die Rei­se nach Vir­gi­nia. Zum Son­nen­un­ter­gang sit­ze ich schließ­lich an einem Aus­sichts­punkt und bli­cke ins wei­te Tal in dem einst die neu­en Sied­ler die Coun­try Musik zum Leben erweck­ten.

Vie­len Dank an Vir­gi­nia Tou­rism für die Ein­la­dung auf die Croo­ked Road!

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