Marrakesch – Stadt der Jedi-Ritter

Ich war mir sicher dort alle ori­en­ta­li­schen Kli­schees auf ein­mal in einer 1001 Nacht-Hül­le anzu­tref­fen. Und ja, mein Traum wur­de war. Ver­win­kel­te male­ri­sche Gas­sen, freund­li­che Men­schen, üppi­ge Düf­te und Far­ben, Geschich­ten­er­zäh­ler und Schlan­gen­be­schwö­rer. Aber natür­lich auch Nep­per und Schlep­per, die kamen im Traum zwar nicht vor, aber der Unter­schied zur Rea­li­tät muss ja auch spür­bar sein.

Marrakesch Koutoubia Moschee

Marrakesch

Marrakesch Gewürze

Marrakesch

Marrakesch

Mei­ne Lieb­lings­be­schäf­ti­gung in Mar­ra­kesch: Im Eck-Café gegen­über der Kou­tou­bia-Moschee sit­zen fri­schen Pfef­fer­minz­tee oder Kaf­fee trin­ken – den Kaf­fee dann vor lau­ter Reiz­über­flu­tung mul­ti­l­in­gu­al bestel­len: „Un Espres­so con milk“ – und alles um mich her­um gna­den­los auf­sau­gen.

Marrakesch

Marrakesch Verkehr

Marrakesch Altstadt Kontraste

Das Café liegt an einer ver­kehrs­rei­chen Stra­ßen­ecke, wo sich das Leben der Ein­hei­mi­schen mit dem der Gäs­te mischt. Es kom­men also Film­teams, Tou­ris­ten und eine Men­ge Stamm­gäs­te, die das Flair von marok­ka­ni­scher Bohè­me ver­sprü­hen.
Außer­dem sit­zen hier, also in Mar­ra­kesch all­ge­mein, auch Frau­en in Cafés. In Ägyp­ten hab ich das zum Bei­spiel nicht gese­hen. Frau­en (auch tra­di­tio­nell geklei­det) fah­ren hier auch Mopeds. Eben­so ein neu­es Bild für mich im ara­bi­schen Raum.

Marrakesch Moped fahrende Frau

Nicht neu, aber den­noch immer wie­der ein Spek­ta­kel ist der Ver­kehr in nicht-west­li­chen Län­dern: Esels­kar­ren schie­ben sich vor­bei an Bus­sen, Taxen und Autos, wo immer noch ein Fuss­gän­ger zwi­schen passt, ein paar Mopeds sowie­so und alles dann durch ein Schub­kar­ren-Manö­ver erst­mal völ­lig still steht.
Doch. Was neu­es gibt‘s auch hier: Fahr­rä­der! In Mar­ra­kesch fährt man(n) Fahr­rad.

Fahrrad fahrende Jedi-Ritter

Nach eini­ger Zeit beschleicht mich das Gefühl in einer Film­ku­lis­se zu sit­zen. Die Her­ren tra­gen alle lan­ge Woll­ge­wän­der mit Kapu­ze, die mir unglaub­lich bekannt vor­kom­men.
Jawohl, ich habs. Die Jedi-Rit­ter tra­gen das auch.
Wer hat‘s jetzt wohl wem abge­guckt? Ich bin total baff. Ich wuß­te nicht, dass es die Jedi-Rit­ter Män­tel im rich­ti­gen Leben gibt. Und noch weni­ger wuß­te ich, dass Geor­ge Lucas sich die Jedi-Gewän­der bei den Ber­bern abge­schaut hat. Rei­sen bil­det halt.

Marrakesch Jedi RitterEin Jedi Rit­ter (Foto oben)

Gestärkt und auf­ge­wärmt – im Dezem­ber wird es emp­find­lich kalt in Mar­ra­kesch, ich aber hab Sachen für den Som­mer ein­ge­packt und muss mich in der Son­ne sit­zend wie ein wech­sel­war­mes Tier jeden Tag erst­mal auf Kör­per­tem­pe­ra­tur brin­gen – geht es in die rosa­far­be­nen Gas­sen der Alt­stadt, ohne Plan, ein­fach Trei­ben las­sen.
Und schließ­lich lan­det man so oder so auf dem Jee­ma el Fna, zumal einem wohl­ge­sinn­te und ver­kaufs­tüch­ti­ge Ein­hei­mi­sche stets den Weg in die­se Rich­tung zei­gen.

Marrakesch Basar

Marrakesch-5388

Marrakesch Storch auf der Altstadt Mauer

Marrakesch-5603

Marrakesch-5598

Marrakesch

Marrakesch Friedhof Saadier-Gräber

Marrakesch Friedhof Saadier-Gräber

Fotografieren kostet

Der Jee­ma el Fna, UNESCO Welt­kul­tur­er­be, wo man sich vor Stau­nen und Flucht ste­tig neu ent­schei­den muss. Die Händ­ler, Schlan­gen­be­schwö­rer und Affen­domp­teu­re sind hart­nä­ckig und teils kos­tet schon ein Blick auf den Pam­pas-Affen im Tütü.
Die Obst­stän­de foto­gra­fie­ren? Ent­we­der uner­wünscht oder kos­tet.
Mir ist das mus­li­mi­sche Abbil­dungs­ver­bot für Men­schen bekannt, ich ach­te es, wenn es gewünscht wird. 
Mir ist auch die Pro­ble­ma­tik bewusst, dass west­li­che Foto­gra­fen teils viel Geld mit den ori­en­ta­li­schen Fotos ver­die­nen, was natür­lich nie den Ein­hei­mi­schen zu Gute kommt.
Trotz­dem hab ich noch nie eine sol­che Aggres­si­on und Geld­ma­che­rei mit und gegen Foto­gra­fie erlebt wie tags­über auf dem Jee­ma el Fna. 
Mich hat das schon geär­gert. Denn irgend­wie mei­ne ich, dass ich nicht im Unrecht bin, wenn ich ein UNESCO Welt­kul­tur­er­be foto­gra­fie­ren möch­te, auf dem nicht mal erkenn­ba­re Men­schen zu sehen sind.

Marrakesch Jeema el Fna

Marrakesch Jeema el Fna

Marrakesch Jeema el Fna

Und dann wird es Nachts

Der Jee­ma el Fna macht mit Anbruch der Dun­kel­heit eine kom­plet­te Wand­lung durch. Die Affen, Schlan­gen und Tou­ris­ten ver­schwin­den. Der hal­be Platz wird zu einem rol­len­den Open-Air Restau­rant, der für die nächs­ten Stun­den in duf­ten­de Rauch­schwa­den gehüllt wird. (Das Essen hier ist teu­rer als in umlie­gen­den Gas­sen.)

Marrakesch Jeema el Fna nachts

Und die ande­re Hälf­te bie­tet Unter­hal­tungs­mög­lich­kei­ten aller Art, für Ein­hei­mi­sche. Geschich­ten­er­zäh­ler, klei­ne Thea­ter­par­odien, Gauk­ler­stü­cke und Gesell­schafts­spie­le. Ich bin total begeis­tert. Es ist wie­der wie im Traum. Über­all haben sich klei­ne kreis­för­mi­ge Grup­pen um die ara­bi­schen Geschich­ten­er­zäh­ler und Co gebil­det, man muss auf die Zehen­spit­zen stei­gen, um zu erah­nen, was in der Mit­te vor sich geht. Ich ver­ste­he nichts. Ich kann kein ara­bisch. Und trotz­dem komm ich jeden Abend wie­der.

Marrakesch Jeema el Fna

Ich bin fas­zi­niert, dass die Jahr­hun­der­te alte Tra­di­ti­on des Geschich­ten­er­zäh­lens, die ich gera­de mit 1001 Nacht ver­bin­de, in Mar­ra­kesch auf dem Jee­ma el Fna jeden Abend, auch heu­te, bewahrt wird und Hun­der­te von Ein­hei­mi­schen zum Lau­schen und Amü­sie­ren lockt.

Marrakesch Jeema el Fna nachts

Dan­ke an Hos­tel­boo­kers und das Ley­la Rouge, die uns ein hüb­sches Zim­mer in Mar­ra­kesch zur Ver­fü­gung gestellt haben.

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Astrid Karius

    Hal­lo Mari­an­na,
    schön erzähl­ter Rei­se­be­richt über eine far­ben­fro­he, leben­di­ge Stadt! Es hat rich­tig Spaß gemacht zu lesen 🙂 Bil­der und Text machen einen neu­gie­rig auf Mar­ra­kesch…
    Asrtrid

  2. Avatar von Alex

    Sehr schö­ner Bericht und tol­le Fotos! Marok­ko steht auf mei­ner Lis­te auch noch ganz oben.

    Dein Bild vom Jedi Rit­ter erin­nert mich sogar noch mehr an die Jawas aus Star Wars. Das sind die­se klei­nen Wüs­ten­be­woh­ner, die mit alten Robo­tern han­deln. Die Ähn­lich­keit der Roben sind wirk­lich unheim­lich http://img2.wikia.nocookie.net/__cb20100111172701/starwars/images/7/74/Jawas.jpg 😉

    1. Avatar von Marianna

      Hast du Recht mit Alex!

  3. Avatar von Eric Mozanowski

    wirk­lich schön, vie­len Dank für die tol­len Ein­drü­cke.

    1. Avatar von Marianna

      Immer wie­der gern.

  4. Avatar von Pati
    Pati

    Hi,

    Wie schön. Dein Rei­se­be­richt schil­dert es exakt so, wie auch ich es erleb­te.
    Der Traum, den man als Rei­sen­der davor hat, berück­sich­tigt aber auch nicht die Hen­na-Frau­en, die es schon bei­nah mit Gewalt ver­su­chen ein Hen­na-Tatoo zu ver­pas­sen – die waren übri­gens mein per­sön­li­cher Alp­traum.
    Ganz davon abge­se­hen, erfüllt der Ort jeg­li­ches Kli­schee des Ori­ents, wel­ches man im Kopf hat.
    Zwei Wochen sind es bei mir nun her und ich muss­te zum Ende hin schmun­zeln, weil auch ich zu Gast in Lay­la Rouge war und abso­lut begeis­tert von die­sem Hos­tel. Tee, Kek­se, der unglaub­lich net­te, leicht über­dreh­te Abdul… Herr­lich 🙂

    Ich den­ke viel zurück an die­ser Rei­se, bin mir aber rela­tiv sicher, dass ich in die­ser Stadt nach eini­gen Tagen mit hoher Wahr­schein­lich­keit wahn­sin­nig gewor­den wäre.
    Zwei Tage reich­ten für den »völ­lig Klirre«-Zustand.
    Völ­li­ge Reiz­über­flu­tung.

    Essaoui­ra, die ich danach für meh­re­re Tage besuch­te, glich hin­ge­gen einem Kur­ort.

    Ich möch­te auf jeden Fall noch mal nach Marok­ko rei­sen – jedoch nicht mehr allei­ne und die ruhi­gen Sei­ten des Lan­des ken­nen ler­nen, sofern dies mög­lich ist.

    1. Avatar von Marianna

      Hi Pati,

      stimmt die Hen­na Frau­en sind auch »gefähr­lich«, die haben aber den Vor­teil, dass sie auf sitz­blei­ben und nicht über­ra­schend auf einen zu bzw. hin­ter­her­ren­nen. Im Gegen­satz zu die­sem Was­ser­trä­ger (ich nen­ne ihn wei­ter­hin Bom­mel­pries­ter) oder die Schlan­gen­men­schen.

      Möch­te auch unbe­dingt noch mehr von Marok­ko sehen.
      LG

  5. Avatar von IMAM
    IMAM

    Toll, Mari­an­na, mit dir ein Stück in die Gegen­sät­ze von Licht und Dun­kel die­ser marok­ka­ni­schen Stadt ein­tau­chen zu dür­fen – im beson­dern der 1001- Nacht-Mär­chen-Ambi­en­te…! Die geheim­nis­vol­len, super Fotos unter­strei­chen die­ses Erle­ben! Vie­len Dank!

    1. Avatar von Marianna

      Tau­send Dank, freut mich sehr. LG

  6. Avatar von Frauke
    Frauke

    Hal­lo Mari­an­na,
    Mar­ra­kesch steht auf mei­ner Rei­se­wunsch­lis­te schon seit lan­gen ganz weit oben.
    Mit dei­nem Bericht und den tol­len Fotos hat sie es jetzt unter die ers­ten 3 Wunschrei­sel­zie­le geschafft 🙂
    Wie vie­le Tage wür­dest du emp­feh­len, um die Stadt RICHTIG ken­nen­zu­ler­nen. Kannst du ein Hos­tel oder Hotel emp­feh­len?
    Ich lieb­äu­gel gera­de mit einer Miet­wa­gen­tour durch Marok­ko im Herbst, Start oder Ziel könn­te Mar­ra­kesch sein.
    Vie­le Grü­ße
    Frau­ke

    1. Avatar von Marianna

      Lie­be Frau­ke,

      dan­ke dir! Das freut mich aber sehr.
      Ich war eine knap­pe Woche in Mar­ra­kesch und fand das per­fekt. Wäre auch gern län­ger geblie­ben.
      Ich hab im Ley­la Rouge, einem net­ten klei­nen Hos­tel in der Alt­stadt geschla­fen.

      Eine Miet­wa­gen-Tour durch Marok­ko klingt super! Würd ich auch gern machen. Bis­her hab ich nur Mar­ra­kesch von Marok­ko gese­hen.
      LG
      Mari­an­na

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