Endlich Marokko! Teil 3: Die blaue Stadt.

In den Ber­gen i‑aht ein Esel. Unten im Hof spie­len die Nach­bars­kin­der. Das Kling-Klong eines Glo­cken­spiels bim­melt fröh­lich und viel­leicht höre ich sogar den Wind. Abge­se­hen davon ist es still. Mein neu­er Lieb­lings­platz auf der Ter­ras­se des Riad Dar Dalia liegt direkt vor den Mau­ern der Medi­na am Hang, die blaue Stadt Chef­chaouen unter mir. Von hier oben kann ich alles sehen, aber kei­ner sieht mich. 

* * * * * * * * *

„Non, non, non… Moi… cher­cher… la sta­ti­on de bus de CTM. CTM? Bus sta­ti­on?“

„L’arrêt d’au­to­bus? C’est à la gare rou­tiè­re.“

„Non, non. Pas la gare rou­tiè­re. Je prends l’au­to­bus de CTM. Dif­fe­rent sta­ti­on. Vous savez où?“

Auf dem Rück­sitz des zer­beul­ten Klein­wa­gens sit­ze ich ein­ge­quetscht zwi­schen zwei Was­ser­ka­nis­tern und mei­nem Ruck­sack und ver­su­che ver­zwei­felt, dem Fah­rer zu erklä­ren, wo die Fahrt hin­ge­hen soll. Nach­dem ich end­lich ein Taxi in Tan­ger gefun­den habe, bleibt mir nun nicht mehr viel Zeit, bis der Bus fährt. Was zwi­schen mir und mei­nem Ziel steht, ist die Spra­che: 

Er spricht Fran­zö­sisch.

 Ich den­ke, ich spre­che Fran­zö­sisch. 

„Moi aller à Chef­chaouen.“ sage ich, “aujour­d’hui il y’a seu­le­ment une auto­bus de CTM, à dou­ze heurs. Twel­ve o’clock. Zwölf Uhr.“

Mein Taxi­fah­rer schüt­telt den Kopf. „Pas d’au­to­bus aujour­d’hui! No bus! Seu­le­ment gran­de taxi à la gare rou­tiè­re!“

Das hat­te ich befürch­tet. Der Taxi­fah­rer erzählt mir, dass mein Bus aus­ge­rech­net heu­te nicht fährt – eine Masche, um mich in das Gran­de Taxi irgend­ei­nes Cou­sins zu lot­sen? Oder tat­säch­lich die Wahr­heit?

…Immer­hin, heu­te ist ein Fei­er­tag. Viel­leicht fährt der Bus wirk­lich nicht?

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Von der Ter­ras­se gehe ich die Trep­pen des Riads hin­ab, im Innen­hof plät­schert ein Wunsch­brun­nen, im Wunsch­brun­nen wohnt Frau Schild­krö­te. Chef­chaouen ist alles, was ich mir erhofft hat­te: Ein ent­spann­ter Ein­stieg in die ara­bi­sche Welt, ein klei­ner Fleck mit freund­li­chen Men­schen und ein magi­scher Ort zum Schrei­ben. Die Häu­ser­wän­de sind hier blau gestri­chen, zum Schutz vor dem „bösen Blick“. Der Tages­ab­lauf der Stadt scheint auf den Abend zuzu­lau­fen, so wie alle Gas­sen auf den Markt­platz in der Medi­na. Sobald die Dun­kel­heit küh­le­re Berg­luft bringt, erwacht der Ort zum Leben. Auf dem Markt­platz sam­meln sich die Wahr­sa­ger, Geschich­ten­er­zäh­ler und Hen­na-Male­rin­nen, wäh­rend sich die Loka­le lang­sam mit Gäs­ten fül­len. All das pas­siert hier ganz ohne Hek­tik und folgt einem natür­li­chen Fluss, in den ich ein­tau­che.

* * * * * * * * *

Das Taxi rat­tert durch die Hafen­stadt und ich ver­ste­he zum ers­ten Mal, was es heißt, jeman­dem blind zu ver­trau­en. Habe auch kei­ne ande­re Wahl. Mein Fah­rer sagt jetzt plötz­lich doch, dass er den Weg zu mei­ner Hal­te­stel­le kennt. Ich ken­ne ihn defi­ni­tiv nicht. Und in mei­ner Eile habe ich außer­dem völ­lig ver­ges­sen, vor­her über den Preis für die Fahrt zu ver­han­deln. Jetzt lege ich mir im Kopf zurecht, wie ich auf Fran­zö­sisch danach fra­gen soll. Als ich dann den Mund auf­ma­che, kom­me ich mir vor wie der typi­sche Tou­rist. Betont lang­sam und groß ges­ti­ku­lie­rend spre­che ich mit dem Ein­hei­mi­schen, als sei der doof – dabei bin ich es. Und eine Ant­wort krie­ge ich auch nicht.

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Im ers­ten Stock eines Restau­rants fin­de ich eine klei­ne Dach­ter­ras­se mit bun­ten Tisch­de­cken und guter Aus­sicht auf das Blau. Ich bestel­le fri­schen Minz­tee und eine Taji­ne mit Lamm­fleisch, Cous­cous und Gemü­se. Hier oben füh­le ich mich woh­ler, als unten im Tru­bel. Der Tag war lang. Ich bin müde. Die Taji­ne duf­tet nach Safran. Mit vol­lem Magen schlen­de­re ich zurück zu mei­nem Lieb­lings­platz.

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Der will mich doch ver­ar­schen! Der Fah­rer fährt seit einer Ewig­keit kreuz und quer durch die Gegend, hält meh­re­re Male und fragt Pas­san­ten nach… ja wonach eigent­lich? Nach dem Weg? Nach der Uhr­zeit? Nach dem Wet­ter­be­richt? Ich weiß es nicht. Und stel­le mich men­tal schon drauf ein, dass ich die Nacht in der Stadt ver­brin­gen muss, als ich durch die Wind­schutz­schei­be end­lich einen mir bekann­ten Schrift­zug sehe! 

CTM – la pre­mie­re com­pa­gnie de trans­port au Maroc!

Hal­le­lu­jah, wir sind tat­säch­lich da! 

„Ca fait com­bien?“ fra­ge ich wie­der und zücke unsi­cher mei­nen Geld­beu­tel.

„Cin­quan­te mil­le Dir­ham,“ sagt der Fah­rer bier­ernst und streckt sei­ne Hand aus.

Mein Kopf läuft jetzt auf Hoch­tou­ren. Ich ver­su­che, gleich­zei­tig zu rech­nen und zu über­set­zen. Her­aus kommt ein Preis, der mir das Herz in die Hose rut­schen lässt. Er will knapp 500 Euro für die Fahrt! Herr­je, dass man in Marok­ko han­deln muss, war mir ja klar… dass der Start­preis so hoch sein wür­de wie mei­ne Monats­mie­te aller­dings nicht!

„Non, c’est trop…“ (schei­ße, was heißt noch­mal „zu viel“ auf Fran­zö­sisch?!) „It’s too much! Too much money!… I don’t.. Moi ne veux pas…,« stot­te­re ich und habe den wil­den Gedan­ken, ein­fach die Zeche zu prel­len, als der Fah­rer auf ein­mal schal­lend los­lacht.

 „Je plaisan­te! Je plaisan­te! … Just kid­ding! Ca fait cin­quan­te Dir­ham.“

Ich ver­ste­he kein Wort, lache trotz­dem mit und drü­cke ihm einen Schein in die Hand, von dem ich nicht weiß, wie viel er über­haupt Wert ist. Als ich aus­stei­ge, habe ich die Hosen voll und noch zwan­zig Minu­ten Zeit, bis mein Bus fährt – und ja, am Ende fährt er tat­säch­lich.

 * * * * * * * * *

Es ist Abend. Ich sit­ze unter Ster­nen, lau­sche ein letz­tes Mal dem Muez­zin, der zum Gebet ruft und gehe dann auf mein Zim­mer. Beim Zäh­ne­put­zen betrach­te ich noch mal den Tag. Und mein Spie­gel­bild. Und bei dem Anblick muss ich plötz­lich lachen. Ver­dammt, den­ke ich, Allein­rei­sen ist schon hart! Vor allem in einem ara­bi­schen Land wie Marok­ko. Denn allein in Marok­ko stellst du erst beim Zäh­ne­put­zen fest, dass du die hal­be Por­ti­on dei­nes Cous­cous noch immer im Gesicht hast…

(Der letz­te Teil die­ser Serie folgt in einer Woche… und es geht nach Mar­ra­kesch!)

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Antworten

  1. Avatar von anna maria

    Wir haben eine wun­der­schö­ne Tour für 4 in marok­ko Tage mit unse­rem Rei­se­füh­rer ismail ins Wüs­ten­ge­biet geschafft. Herr­li­che Land­schaft, exzel­len­te Orga­ni­sa­ti­on! Auf unse­ren freund­li­chen und hilf­rei­chen Rei­se­füh­rer kann man sich immer ver­las­sen. Ich wür­de auf jeden Fall mit Moroccodeserttour4x4.com emp­feh­len, wenn ein ganz ein­zig­ar­ti­ges, unver­gess­li­ches Erleb­nis in der Wüs­te in Marok­ko erwar­tet ist.

  2. Avatar von Kilian

    Hey,

    ein wirk­lich schö­ner Bericht. Ich war selbst schon meh­re­re mal dort und ver­lie­be mich jedes mal auf neue in die Stadt. Es gibt nichts schö­ne­res als in Chef­chaouen die See­le bau­meln zu las­sen und dem Trei­ben auf den Stra­ßen zuzu­se­hen. Ins­be­son­de­re im Okto­ber… 🙂

  3. Avatar von Sabine
    Sabine

    Auf der Suche nach Bil­dern von Chef­chau­en habe ich die­sen Rei­se­be­richt gefun­den. Wun­der­schön, auch die Bil­der!
    Ich mag blau-weiß!!! Mein Wohn­zim­mer und Gar­ten­lau­be ist auch blau-weiß, aber nach Marok­ko getraue ich mir nicht zu rei­sen. Dan­ke für so einen tol­len Bericht !
    LG Sabi

  4. Avatar von Steffie Miguel

    Wun­der­vol­ler Bericht! Mar­ra­kesch ist ganz anders ‑mei­ne Stadt der ori­en­ta­li­schen Träu­me-.

  5. Avatar von Felix
    Felix

    Schö­ner Blog… War auch erst da, bin von alge­ci­ras über Ceu­ta nach chaouen, war­noch ein biss­chen exo­ti­scher 😉

  6. Avatar von Niklas

    Ich war letz­ten Monat in Chou­wen. Hat mir deut­lich bes­ser gefal­len als Mar­ra­kesh und Fez. Hat­te aber auch nicht viel Zeit in den grp­ßen Städ­ten und ste­he mehr dar­auf ein­fach mal kurz in die Ber­ge zu lau­fen und zu wan­dern, als mich den gan­zen Tag zum kon­su­mie­ren anstif­ten zu las­sen. War mega ent­täuscht vom Jamal f’na (der Platz mit dem Street Food in Mar­ra­kesh). Nächs­tes mal wür­de ich ger­ne mehr ins Atlas Gebir­ge, ist glau­be ich auch schön… aber das coo­le ist das mar­ra­kesh irgend­wie alles zu bie­ten hat. (Strand, Ber­ge, Wüs­te, Städ­te)

  7. Avatar von Yvonne

    irgend­wann ein­mal in nicht all zu fer­ner zeit. da will ich mit dir rei­sen. ich pass dann auch auf ob du irgend­wo cous­cous hän­gen hast.

    1. Avatar von Gesa

      Und das wird ganz groß!!!

    2. Avatar von F+S
      F+S

      Ist uns neu­lich in einem Restau­rant in Ber­lin pas­siert, aus­ge­rech­net bei einem Kun­den­ter­min war sehr pein­lich. Hier kann man wirk­lich gut marok­ka­nisch essen gehen:

      deutschlandgourmet.info/berlin/marokkanisches-restaurant-cafe-bar/

      VG
      F.

  8. Avatar von Sandra

    Was für ein tol­ler Bericht! Bin ganz begeis­tert und muss dir noch sagen, dass ich es mich nie­mals trau­en wür­de in einem so frem­den Land ganz allei­ne zu rei­sen. Dafür hast du mei­ne Aner­ken­nung!

    Grü­ße
    San­dra

    1. Avatar von Gesa

      Hi San­dra,
      Vie­len Dank für dei­nen Kom­men­tar. Im Nach­hin­ein kommt es mir jetzt alles ganz harm­los vor. Marok­ko ist ein span­nen­des Land und der per­fek­te Ein­stieg in die ara­bi­sche Kul­tur. Auch als Frau allein kann man hier sicher rei­sen.

      Lie­be Grü­ße,
      Gesa

  9. Avatar von Nadja

    Wow, die Stra­ße mit den blau­en Häu­sern schaut ja toll aus! Ich fin­de bun­te Häu­ser soll­te es über­all geben! Bura­no in Ita­li­en hat mir auch sehr gefal­len- jedes Haus in einer ande­ren Far­be!:)
    Lie­be Grü­ße Nad­ja

  10. Avatar von Alex

    Tol­ler Bericht und sehr schö­ne Bil­der! Auf Mar­ra­kesch darfst Du dich so rich­tig freu­en!

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