Ukraine: Wie ich mit einem ganzen Dorf zu viel Wodka trank

Als ich drei Din­ge lern­te:

1. Män­ner mit Pis­to­len kön­nen auch echt nett sein
2. Ukrai­ni­scher Wod­ka ist wirk­lich viel bes­ser als der rus­si­sche
3. Auch mit Han­go­ver kann man noch radeln – wenn auch nicht wirk­lich weit

1998 radel­te ich mit mei­nem Rei­se­part­ner Ste­phan von Leip­zig nach Bom­bay. Dabei durch­quer­ten wir auch die Ukrai­ne. Ich war schon ganz auf­ge­regt, wie es wohl sein wür­de und hat­te auch schon diver­se Hor­ror­ge­schich­ten aus dem wil­den Osten gehört. Umso gespann­ter war ich, als wir aus der Slo­wa­kei kom­mend die Gren­ze zur Ukrai­ne bei Usch­ho­rod über­quer­ten. Die Ein­rei­se war pro­blem­los, auch wenn wir eine völ­lig sinn­lo­se Kran­ken­ver­si­che­rung für 10 Dol­lar kau­fen muss­ten, die wirk­lich nur schlecht ver­barg, dass es dabei nur um ein Zusatz­ge­schäft der Gren­zer ging.  Egal, fröh­lich radel­ten wir durch uri­ge Dör­fer, über kaput­te Stra­ßen und genos­sen den Charme eines damals erst aus der Rus­si­schen För­de­ra­ti­on erwa­chen­den Lan­des.

Ukraine Wodka 5 martin moschek

An einem klei­nen Dorf­la­den woll­ten wir unse­re Vor­rä­te auf­sto­cken. Die wirk­lich net­te Bedie­nung kam sehr schnell mit uns ins Gespräch, vor allem um aus­zu­lo­ten, ob wir als Ehe­män­ner in Fra­ge kämen.

Mit­ten ins Gespräch platz­te der Besit­zer des Ladens, mit dem wir recht schnell in eine Dis­kus­si­on über die Qua­li­tät des ukrai­ni­schen Wod­kas kamen. Fazit: Er ist bes­ser als der rus­si­sche und wir soll­ten das gleich mal tes­ten. Natür­lich nicht den aus der Ori­gi­nal­fla­sche, son­dern den guten, selbst­ge­brann­ten. Dazu gab es Schwarz­brot und Tro­cken­fisch und Speck. Ein Glas folg­te auf das ande­re und nach einer Stun­de fühl­ten wir uns beflü­gelt, die nächs­ten Kilo­me­ter in Angriff zu neh­men. Aller­dings bra­chen wir das nach 20 Kilo­me­tern ab und ver­zo­gen uns mit unse­rem Zelt in ein Wäld­chen, wo wir noch den Rest Wod­ka leer­ten und dann schlie­fen. Am nächs­ten Mor­gen kein Han­go­ver und sehen konn­ten wir auch noch! Das Zeug war also wirk­lich gut!

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Frisch und durch die freund­li­chen Men­schen moti­viert star­te­ten wir in den Tag.  Gegen Mit­tag mach­ten wir an einer Brü­cke im Nir­gend­wo Rast. Plötz­lich hiel­ten zwei Autos neben uns. Aus die­sen spran­gen mehr oder weni­ger alko­ho­li­sier­te Män­ner her­aus, die fröh­lich strah­lend auf uns zuka­men. Beson­ders fröh­lich war der Fah­rer des einen Autos, der sei­ner Begeis­te­rung dadurch Aus­druck ver­lieh, indem er mit einem Revol­ver mun­ter rum­fuch­tel­te. Ich hat­te gar kei­ne Zeit, mir Sor­gen zu machen, denn sofort waren wir in ein Gespräch über unse­re Räder und unse­re Rei­se ver­wi­ckelt.

Offen­sicht­lich fan­den sie das so span­nend, dass sie uns spon­tan in ihr nur 3 Kilo­me­ter ent­fern­tes Dorf ein­lu­den. Ange­sichts der Waf­fe gab es da auch kei­ne zwei Mei­nun­gen. Wir erga­ben uns und fuh­ren – gelei­tet durch die Autos – ins Dorf.

Ukraine Wodka 3 martin moschek

Dort kamen auf ein­mal vie­le Men­schen zusam­men. Man war sicht­lich stolz auf unse­ren Besuch und wir wur­den sogleich den Fami­li­en vor­ge­stellt. Das muss­te natür­lich gefei­ert wer­den. Ob wir denn schon von der außer­or­dent­li­chen Qua­li­tät des ukrai­ni­schen Wod­kas gehört hät­ten? Klar, hat­ten wir. Also wur­de fix ein Team zusam­men­ge­stellt, das Wod­ka orga­ni­sie­ren soll­te. Wir lie­ßen uns nicht lum­pen und woll­ten die ers­te Run­de, als Gast­ge­schenk qua­si, über­neh­men. Also sprang ich mit ein paar der Män­ner wie­der ins Auto und ab ging es auf einen Hof im Dorf, bei dem wir einen Kanis­ter kauf­ten. Ja, 5 Liter! Ich hät­te damals schon wis­sen müs­sen, was nun kommt. Aber da war ja noch der Revol­ver. Und noch zwei Geweh­re, die uns stolz gezeigt wur­den.

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So aus­ge­stat­tet ging es wie­der zurück in das Haus unse­res Gast­ge­bers (der Revol­ver­mann) und hier wur­de nun Essen auf­ge­fah­ren. Immer mehr Men­schen kamen zusam­men, die Son­ne ging unter und wir im Wod­ka auf. Es wur­de getanzt, gelacht, gere­det. Ich habe wohl noch nie so gut Rus­sisch gespro­chen wie damals. Da haben sich die 12 Jah­re Rus­sisch-Unter­richt echt bezahlt gemacht.

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Ste­phan ver­such­te gera­de einen rus­si­schen Tanz zu imi­tie­ren, als es bei mir dun­kel wur­de. Ich kann mich noch an ein, zwei Licht­bli­cke erin­nern. Dann war Schluss.

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Am nächs­ten Mor­gen wach­te ich in einem Bett auf. Schrubb-Geräu­sche hat­ten mich geweckt. Die Frau unse­res Gast­ge­bers putz­te vor mei­nem Bett. Das wäre doch nicht nötig gewe­sen. Ein vor­sich­ti­ger Blick zur Sei­te zeig­te mir dann aber, dass es sehr wohl nötig war. Tief beschämt fiel ich wie­der in den Schlaf. Nach ca. einer Stun­de wach­te ich wie­der auf und mach­te mich mit schwe­rem Kopf auf die Suche nach Ste­phan. Und nach­dem ich ihn fried­lich schnar­chend im Nach­bar­zim­mer gefun­den hat­te, such­te ich noch unse­re Räder und unser Gepäck. Die stan­den fried­lich und unan­ge­tas­tet in der Gara­ge, in der wir offen­sicht­lich gefei­ert hat­ten. Nichts fehl­te, nichts war durch­sucht oder ähn­li­ches. Was für ein tol­les Erleb­nis: nix war pas­siert, ganz im Gegen­teil. Als ich aus der Gara­ge zurück­kam, war der Tisch mit Früh­stück gedeckt. Das war so berüh­rend, ich muss­te mich noch mal schä­men.

An Essen war nicht zu den­ken, wenigs­tens eine Tas­se Tee trank ich. Heim­lich schob ich etwas Geld unter mei­ne Unter­tas­se, als Dank sozu­sa­gen, dass die­se offen­sicht­lich armen Men­schen ein­fach nur mit uns fei­ern woll­ten und ich durch mei­ne Wod­ka-Uner­fah­ren­heit auch noch Umstän­de gemacht hat­te. Ein Blick zu Ste­phan genüg­te, um zu sehen, dass auch er noch mäch­tig mit sich kämpf­te. Wir bei­de wuss­ten, dass es nun höchs­te Zeit war auf­zu­bre­chen. Denn wenn unser Gast­ge­ber wach wur­den, bedeu­te­te das wei­ter fei­ern. Und das ging gar nicht, denn wir woll­ten ja noch nach Indi­en.

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Müde und völ­lig zer­stört schwan­gen wir uns auf die Räder und fuh­ren 10 Kilo­me­ter, um uns dann abseits der Stra­ße an einem Fluss wie­der hin­zu­le­gen. Die nächs­ten Tage tran­ken wir nur Milch und Was­ser und erst in Russ­land, wo wir eine Woche auf einer klei­nen Insel inmit­ten der Wol­ga Pau­se mach­ten, begeg­ne­ten wir wie­der dem Wod­ka. Dies­mal aber dem rus­si­schen, der ja der bes­te Wod­ka der Welt ist und über­haupt viel bes­ser als der ukrai­ni­sche …

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Antworten

  1. Avatar von Adrian Mecklov
    Adrian Mecklov

    Ich war vor ein paar Wochen mit mei­ner Frau und mei­nen bei­den klei­nen Töch­tern in der Ukrai­ne geguckt. Ver­be­rei­tung ist das wich­tigs­te, dach­te ich mir. Vor­her schnell die wich­tigs­ten All­tags­flos­keln gelernt (ich hat­te schon öfters gehört, dass man im ehe­ma­li­gen Ost­block mit Eng­lisch nicht weit kommt), auf http://www.reise-stecker.de/ukraine infor­miert, ob wir Steck­do­sen­ad­ap­ter benö­ti­gen (nicht, dass wir am Ende noch ohne Strom sind) und diver­se Off­line Kar­ten aufs Han­dy gela­den zur Ori­en­tie­rung. Als wir ange­kom­men sind haben wir uns am Flug­ha­fen in Odes­sa direkt ein Auto gemie­tet und sind die nächs­te Woche an der Küs­te des schwar­zen Mee­res ent­lang­ge­fah­ren, waren viel baden und spa­zie­ren. Es war eine tol­le Erho­lung, mei­ne Frau und ich haben ab und zu auch mal vom ukrai­ni­schen Vod­ka gekos­tet, aber von Män­nern mit Pis­to­len haben wir zum Glück nur ein paar mal etwas mit­be­kom­men.

  2. Avatar von Petra
    Petra

    Wie nett, ich bin 2001 über Uzhgo­rod , die Kapar­ten, Kiew, Odes­sa und die Krim in den Kau­ka­sus gereist… Und genau­so ist es 🙂 Dan­ke für die Erin­ne­rung! Petra

  3. Avatar von Elisaveta Schadrin-Esse via Facebook
    Elisaveta Schadrin-Esse via Facebook

    Bei Nr.2 kann es sich nur um ein fürch­ter­li­ches Miss­ver­ständ­nis oder Eti­ket­ten­schwin­del han­deln. 😉 Der Rest ist selbst­ver­ständ­lich unbe­strit­ten, tol­ler Bei­trag!

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