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Schon etwas befremdlich dieser Raum. Im Keller, ohne Fenster und so klein – nichts für Menschen mit Platzangst, das Podworks Hotel. Das Licht ist künstlich, die Luft kommt aus der Anlage. Egal, das führt uns nur zu ersten Citytrip-Weisheit: Wer viel im Hotelzimmer ist, macht ohnehin etwas falsch.
„Liverpool soll ganz cool sein“
Was fängt man nun an, mit 3 Tagen Liverpool? Viel wissen wir nicht über die Stadt, als wir mit dem Zug in die Liverpool Central einfahren. Auf die Wandertouren in Wales sind wir gut vorbereitet, auf Liverpool weniger. Darf man sich das erlauben? Muss auf einem kurzen Citytrip nicht jeder Schritt vorgezeichnet sein? Oder sollte man die berüchtigte Traveller-Phrase „lass dich einfach mal treiben“, irgendwie mit Taten befüllen? Wir probieren zwangsläufig letzteres. Mal eine andere englische Stadt als London zu bereisen, reicht als Motivation erstmal aus. „Ganz cool“ soll es sein, erfahre ich noch per WhatsApp von einem Kumpel. Na dann kann’s ja losgehen.
Vom Bahnhof aus stolpern wir direkt ins „Liverpool One“, das kann man als Ortsunkundiger kaum vermeiden. Ein Einkaufsareal wie ein Stadtteil für sich. Man kennt dieses Bild mittlerweile zu gut: Die üblichen Ladenketten, Kinos, Systemgastronomiefilialen und der Bordstein immer schön gefegt. Hier ist alles wie überall. Ganz im Stile pseudomondäner Citytripper empören wir uns kurz über die globale Vereinheitlichung der Innenstädte. Das „eigentliche“ Liverpool muss woanders sein.
Hipstersymbolik
Nicht weit davon, vor allem in der Bold Street, sieht es schon ganz anders aus. So urban stylisch. Der traditionell britische Baustil, also diese flachen dunkelroten Backsteinhäuser, werden mit ein paar modern-architektonischen Finessen kombiniert. Ganz minimalistisch, so wie es offenbar gerade modern ist. Es gibt auch viele Restaurants und Bars, die diesen Industrial-Look haben. Also beispielsweise eine unverputzte Wand, offenliegende Rohre und grobe Industrieleuchten. Das East Avenue Bakehouse und das Leaf on Bold Street sind Musterbeispiele. Wir frühstücken in beiden Cafés, weil wir einen Klassiker der Citytrip-Weisheiten beherzigen: iß da, wo’s am vollsten ist.
Was nie fehlen darf in solchen Locations: Sprüche, die irgendeine popkulturelle Referenz herstellen, ökologisches Bewusstsein proklamieren oder sonst irgendwie ein Hipster-Lebensgefühl kolportieren möchten. Sie sind überall angebracht: auf Bildern, Kissen, T‑Shirts. Aus irgendwelchen Gründen halten sich Katzen, Fahrräder, Kameras und Schnurrbärte hartnäckig als angesagte Symbole. Zum Frühstück gibt’s auch in den angesagten Locations bewährte Klassiker, soll heißen „full-english breakfasts“: Würste, Bohnen, Pilze, zwei Eier „any style“ und English Pudding, eine Art Blutwurst-Fladen (ja, wir dachten tatsächlich, dass sei echter Pudding).
Auch Bock auf’n Kaffee?
Tatsächlich sinnieren wir viel um die Fragen, was wir als nächstes Essen und wo es wohl guten Kaffee gibt, was einen Citytrip ja auch irgendwie ausmacht. Liverpool ist wirklich ein Paradies für sogenannte Foodies, was mich positiv überrascht. Ich hatte England in kulinarischer Hinsicht immer als das Land abgespeichert, wo ganz selbstverständlich auch mal ’ne Tüte Chips als Sättigungsbeilage gereicht wird.
Wenn ich neu in einer Stadt bin, will ich nur ganz selten ins Museum. In Liverpool gibt es viele davon und sicher einige, die einen Besuch wert sind: Museum of Liverpool, World Museum und The Beatles Story zum Beispiel. Trotzdem will ich lieber draußen bleiben. Alte Citytrip-Weisheit übrigens: Städte erschließt man sich auf den Straßen, Plätzen und Bars. Oder man geht, wo möglich, zum Hafen. In Liverpool (Achtung unsägliche Reisekatalog-Phrase) lädt der Albert Dock zum flanieren ein: Es gibt ein großes Riesenrad, Fish & Chips Stände, kleine Retro-Eiswägen und den Beatles wurde hier ein Denkmal gesetzt.
Vor allem der Blick zurück auf die Stadt lohnt sich von hier aus, weil die Skyline so bizarr aussieht: moderne Glasfronten wechseln sich mit gotischen Kathedralen ab. Liverpool spielte einst eine entscheidende Rolle für den Aufstieg des British Empire. Wenn man von hier aus über die Water Street zurück ins Zentrum läuft, ist fast jedes Gebäude eine Augenweide. Vor allem die denkmalgeschützte Bauten (India Building, New Zealand House, Cunard Building) zeugen von der historischen Relevanz dieser Stadt.
Kathedralen sind die Aussichtspunkte
Noch so ’ne Citytrip Weisheit, wo wir schon dabei sind: Wenn die Möglichkeit besteht die Stadt von oben zu sehen, nutze sie. In Liverpool gibt es zwei erhabene Kathedralen, die sich hierfür besonders gut eignen: die Liverpool Metropolitan Cathedral, bezeichnenderweise über eine Straße namens Mount Pleasant erreichbar, und die Liverpool Cathedral. Von letzterer aus kann man sogar für ein kleines Entgelt den Sonnenuntergang über der Stadt genießen – allerdings nur donnerstags zum Twilight Thursday. Wir haben das zwar nicht gemacht, ich erwähne es trotzdem einfach mal als Tipp. Außerdem kommt man auf dem Weg dorthin am „Reid of Liverpool“ vorbei. Ein bestens sortierter Second Hand Buchladen mit einem Besitzer, der sein Geschäftsmodell so nobel skizziert, wie es wohl nur Briten können: „we wish to buy and sell books on most subjects“. Es gibt in der Nähe auch ein paar Straßenzüge, die als Chinatown deklariert sind, was für uns vor allem bedeutet, dass wir am letzten Abend hervorragend asiatisch essen.
It ain’t over ›til it’s over
So plätschert dieser Citytrip gemütlich und genüsslich dahin, bis es eines morgens für uns nach Wales geht. Am Bahnsteig hängen sich zwei Trunkenbolde an uns heran, vielleicht weil wir allzu undifferenziert die Citytrip-Weisheit „komme auch mal mit Locals ins Gespräch“ umsetzen. Die Jungs sind hackedicht, harmlos und mögen uns irgendwie. Sie haben schräge Frisuren. Wer hat den schöneren „Hairdo“? Wir sollen entscheiden. Unsere Wahl fällt recht eindeutig auf den Dunkelhaarigen mit dem Oasis-Look. Er freut sich schelmisch und wir kommen so schnell aus der Situation nicht raus.
Heute hier, morgen da: alles möglich
Mal ganz allgemein zu Citytrips: eigentlich sind sie immer Selbstläufer. Wo Menschen sind ist Leben. Die urbanen Kontraste ziehen mich immer wieder in die Großstadt: die Burka-Trägerin neben der Punkerin in der Subway – das sind kraftvolle Bilder menschlicher Heterogenität. Die Großstadt spiegelt auch den Zeitgeist. Was treibt die Menschheit gerade um? Man muss in die großen Städte kommen, um sich großen Fragen zu nähern. Am anderen Ende des Spektrums funktionieren innereuropäische Citytrips als Gipfel hedonistischer Instagram-Mondänität. Heute noch ’n Cortado in Lissabon, morgen schon wieder im Büro. Was 1 Leben! Dann sind Citytrips die Mark Wahlberg-Filme unter den Reisearten: besonders herausfordernd sind sie zwar nicht, aber man weiß was man kriegt und ist für eine Weile gut unterhalten: vielleicht das guilty pleasure eines jeden Reiseliebhabers.
Für uns funktioniert das die 3 Tage in Liverpool wunderbar. Das „sich treiben lassen“ haben wir ganz gut hingekriegt: wir sitzen einen ganzen Nachmittag in einem Buchladen rum, trinken mittags mal spontan ein local brew und verlieren uns öfters in engen Gassen zum Fotografieren. Dann kitzelt es mich in die Natur des Snowdonia Nationalparks zum wandern weiterzuziehen.
Bye, Liverpool – The mountain is calling and I must go.
Antworten
Da sind einpasst schöne Weisheiten dabei! Und obwohl ich bei vielen zustimme, ist mir für Unterkunft doch auch sehr wichtig. Auch wenn es nur ein paar Stunden sind, die man da verbringt… ich fühle mich immer nur wohl, wenn es ein schönes, sauberes Zimmer ist!
Ich muss zugeben, Sauberkeit ist bei mir auch ganz weit oben auf der Prioritätenliste bei Hotelzimmern.
Liebe Grüße!
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