Kumasi: Zeit zur Rückkehr

Es ist früh am Mor­gen, noch ist die Nacht schwarz in Den­ky­e­mou­so, dem klei­nen Vor­ort des gro­ßen Kuma­si, in dem ich sechs Mona­te lang als Vol­un­teer an der Seni­or High School als Leh­rer ver­brin­ge. Ich neh­me mir ein Taxi in die Haupt­stadt Aschan­tis und bezah­le 10 Cedis, umge­rech­net 4 Euro. Mein Ziel ist Keje­tia. Die­ser Stadt­teil beher­bergt den „Cen­tral Mar­ket“, der größ­te Stra­ßen­markt West­afri­kas. Noch sind in dem spin­nen­netz­för­mi­gen Laby­rinth aus dre­cki­gen, leh­mi­gen Gän­gen nur ver­ein­zel­te Gestal­ten zu erken­nen, doch mit dem ers­ten Licht beginnt die Geschäf­tig­keit: Wie ein Amei­sen­schwarm strö­men Men­schen aus allen Rich­tun­gen in die Gas­sen, bis kein Durch­kom­men mehr ist. Wer sich ohne Plan in die­ses Getüm­mel stürzt, ver­liert schnell die Ori­en­tie­rung: Selbst die Son­ne ist an vie­len Stel­len von den sich anein­an­der quet­schen­den Markt­stän­den ver­deckt.

Trotz die­ser Hin­der­nis­se bege­be ich mich in die Men­schen­flu­ten mit einer Mis­si­on: Eine Luft­pum­pe für mein kürz­lich erwor­be­nes Fahr­rad und ein Paar neue Shorts.

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Kuma­si ist nach Accra die zweit­größ­te Stadt Gha­nas und behei­ma­tet etwa zwei Mil­lio­nen stol­ze Ashan­te­ne. Die Metro­po­le ist in wei­ten Tei­len von der west­li­chen Welt nur wenig beein­flusst und das afri­ka­ni­sche Flair ist deut­lich spür­bar.

Ich drän­ge mich durch die schwar­zen Kör­per und schme­cke die unter­schied­lichs­ten Gerü­che. Wer hier lang­läuft, merkt, dass Wei­ße immer noch eine Sel­ten­heit sind: „Obruni bra! White man, come here, you want new pho­ne?“, schallt es von über­all. Die Klein­kin­der machen gro­ße Augen und win­ken, und eini­ge Minu­ten spä­ter will ich hier nur noch raus. Nach vier Mona­ten in Gha­na habe ich genug von der stän­di­gen Auf­merk­sam­keit, von den immer-glei­chen Gesprä­chen über Reli­gi­on und die all­ge­gen­wär­ti­ge Fra­ge, ob ich mei­nen net­ten Gesprächs­part­ner mit nach Deutsch­land neh­me. Ich mache mich auf zu mei­nem nächs­ten Ziel.

Adum liegt neben Keje­tia, hier ist es deut­lich über­sicht­li­cher, sau­be­rer und es gibt Super­märk­te, in denen ich mei­ne west­li­chen Bedürf­nis­se teil­wei­se befrie­di­gen kann. Stu­den­ti­sche Grund­nah­rungs­mit­tel wie Brot, Milch oder Tief­kühl­piz­za feh­len, aber dafür gibt es Nudeln, Nutel­la und Bier. Neben dem Geschäft befin­det sich ein klei­ner Stra­ßen­stand, in dem loka­le Ras­ta­fa­ris die unter­schied­lichs­ten kul­tu­rel­len Erzeug­nis­se anbie­ten: Neben Tuch­be­ma­lun­gen mit typi­schen regio­na­len Moti­ven und Arm­bän­dern in den Natio­nal­far­ben kann man aus Holz geschnitz­te Tie­re und Sta­tu­et­ten aller Art erwer­ben.

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Ich besu­che hier mei­nen Freund Pinot, auch er ist ein Ras­ta­fa­ri. Wir gehen gemüt­lich ein Hir­se­bier schlür­fen, das aber warm ser­viert wird und noch dazu sau­er schmeckt. Nach einem erfri­schen­den Gespräch und einem weni­ger erfri­schen­den Getränk will ich zu mei­ner Schu­le und schnap­pe mir ein Tro-Tro. Tro-Tros sind Klein­bus­se, oft­mals noch mit euro­päi­schen Wer­be­slo­gans bedruckt, die hier in Gha­na eine zwei­te Chan­ce als Mas­sen­trans­port­mit­tel bekom­men. Benannt sind sie angeb­lich nach dem ursprüng­li­chen Fahr­preis von drei Pese­was.

Zurück über die holp­ri­ge Stra­ße geht es nach Den­ky­e­mou­so, um mei­ne Ein­käu­fe zu ver­stau­en. Glück­li­cher­wei­se gewin­ne ich heu­te das Rou­lette­spiel um die Elek­tri­zi­tät, sodass ich mich mit einem küh­len Star-Bier bewaff­net auf dem Weg zur Bar Vien­na City mache, wo ich mich mit mei­nem wali­si­schen Freund Dani­el tref­fen will.

Das Nacht­le­ben Kuma­sis beschränkt sich auf ein klei­nes Vier­tel rund um den Ahod­wo Round­about. Hier fin­det man Chi­ne­si­sche Casi­nos, liba­ne­si­sche Restau­rants, über­teu­er­te Nacht­clubs und Bil­lard­ca­fés. Anders als in Deutsch­land sind nor­ma­le ein­hei­mi­sche Frau­en nur sel­ten in die­sen Loka­li­tä­ten zu fin­den, sodass die meis­ten Damen, die man hier antrifft, Pro­sti­tu­ier­te sind, die sich dem­entspre­chend ver­hal­ten: Mit hoch­ha­cki­gen Stö­ckel­schu­hen, die Busen im Dekol­le­te eng zusam­men­ge­presst, set­zen sie sich ohne Getränk an die Bar und war­ten auf zah­lungs­wil­li­ge Frei­er. Ich ent­schei­de mich, ihren unwi­der­steh­li­chen Rei­zen heu­te aus dem Weg zu gehen und gebe mich statt­des­sen den Freu­den des Bil­lard­spiels hin. Match für Match tre­te ich gegen neue Her­aus­for­de­rer an, das arhyth­mi­sche Kla­ckern der Kugeln takt­bre­chend mit dem rhyth­mi­schen Bass der Musik, die Nacht ver­geht wie ein Rausch.

Nach unzähl­ba­ren Sie­gen, zähl­ba­ren Nie­der­la­gen und vie­len alko­ho­li­schen Geträn­ken ver­las­se ich das Vien­nas auf der Suche nach einer Heim­fahrt. Noch ist Kuma­si bedeckt vom Nacht­him­mel, doch lang­sam wird das Schwarz zu Blau, kommt Leben in den Zen­tral­markt, wer­den die Stra­ßen bevöl­kert von Tro-Tros und Taxis. Und ich spü­re, dass es an der Zeit ist, heim­zu­keh­ren. Nach Deutsch­land.

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Antwort

  1. Avatar von Freiwilligendienst im Ausland

    Kuma­si. Ja, das muss man wirk­lich wol­len. Wer nicht damit umge­hen kann als wei­ße Frau jeden Tag ein Dut­zend Hei­rats­an­trä­ge von wild­frem­den Män­nern zu bekom­men, könn­te es hier schwer haben.

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