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Kongde (4250m) – Lukla (2800m): Aufstieg 600m, Abstieg 1800m.
Der Aufstieg ist geschafft, der höchste Punkt unserer Tour ist erreicht. Die Blicke von hier sind umwerfend. Doch was tut man, wenn sich Mühen bezahlt machen, Hoffnungen erfüllen, und man ein Ziel erreicht? Man packt seine Sachen und geht wieder. Die 1800m nach Lukla steigen wir an einem Tag hinab.
Von Kongde aus hat man die ganze »Prominenz« des Himalaya im Blick.
Kongde liegt auf 4250m Höhe. Die Vegetation ist hier karg, der Boden hart und die Luft dünn. Wenn man hinabblickt ins Tal, erkennt man kleine Sherpasiedlungen. Sie leben weitestgehend von Subsistenzwirtschaft, haben große Kartoffel- und Gemüsefelder um ihre Häuser gezogen. Das geht auf dieser Höhe selbstverständlich nicht mehr, niemand käme auf die Idee, sich in dieser fast menschenfeindlichen Umgebung niederzulassen. Zwei Lodges gibt es in Kongde trotzdem, denn für Trekker gibt es gute Gründe bis hier aufzusteigen.
Wenn kurz nach Sonnenaufgang die Sicht klar ist, laufen die Gäste des Kongde Hotel auf den Rasen hinter dem Hauptgebäude, um ihren Blick auf, ohne Übertreibung, eine der beeindruckendsten Kulissen der Welt zu richten: Die Bergkette um den Mount Everest. Wer seinen Blick von West nach Ost schweifen lässt sieht Pumo Ri (7161m), Nuptse (7861m) und dahinter, verhältnismäßig unscheinbar, das Dach der Welt, den Everest (8848m). Es folgen Lhotse (8516m) und danach ein Berg, der so schön ist, dass sein Genus feminin ist: DIE Ama Dablam (6856m). Es ist ein inspirierendes Gefühl auf den höchsten Punkt der Erde zu blicken. Das Gebirge wirkt, wenig überraschend, unheimlich mächtig und überwältigend. Die Schneeverwehungen an der Spitze lassen die Berge lebendig wirken.
Im Abendlicht sieht das Gebirge aus wie eine Bleistiftzeichnung.
Wie geht man mit so einem Augenblick um? Wenn ein Ausblick vor allem eine Zäsur in der Reise markiert. Wenn man den Moment erlebt, der am Ende eines Weges steht. Wenn der Weg das Ziel ist, ist auch dieser Weg irgendwann beschritten. Nimmt man dann nicht unweigerlich ein Gefühl des Ankommens wahr? Heißt nicht in Paul Watzlawicks »Anleitung zum Unglücklichsein« ein ganzes Kapitel »vor Ankommen wird gewarnt«? Ich beschließe, aller Warnungen Watzlawicks zum Trotz, mich ein wenig abseits der Gruppe zu stellen und den Moment auszukosten. Und tatsächlich: gerade in Momenten, in denen derart gewaltige Naturspektakel die Kleinheit des Menschen demonstrieren, steigt in mir ein seltsames Gefühl der Freiheit auf. Angekommen bin ich noch lange nicht.
Der Wind schneidet einen hier draußen messerscharf und die Kälte durchdringt mich förmlich, also lege ich die philosphischen Gedankenspiele vorerst beiseite und begebe mich zum Frühstück in die Lodge. Es wird ein mächtiger Pfannkuchen serviert, der die Vorahnung befeuert, man wolle uns auf einen langen Abstieg vorbereiten. Und tatsächlich: unser Guide plant mit 9 Stunden. Vor uns liegt ein gehöriger Abstieg von 1800m nach Lukla.
Ein Abstieg ist nüchterner als ein Aufstieg. Im Aufstieg liegen Hoffnung und Erwartung. Man beschäftigt sich mit dem eigenen Körper, geht langsam, probiert zu erfühlen, wie der Höhenanstieg auf den Körper wirkt. Der Abstieg bedeutet, dass die Party vorbei ist.
Als wir loslaufen wird mir unsere Höhe vor allem durch den Perspektivwechsel bewusst. Wir blicken auf Adler und Hubschrauber hinab. Objekte, die man gewöhnlich entdeckt, wenn man hochschaut. Mein Blick bleibt bei farbenfrohen Rhododendren und Blüten von Himalaya-Rosen hängen. Ich bemühe mich, nicht auf die gelben stiellosen Blumen zu treten, deren Farben in der ansonsten kargen Umgebung so intensiv wirken.
Farbenfrohe Blumen auf über 4000m Höhe.
Der Bhote Kosi rauscht durch das Khumbu-Tal.
Zeit für eine Rast. Wir setzen uns auf einen Stein, nehmen einen Schluck purifiziertes Bergwasser zu uns, was ungefähr so schmeckt, als trinke man direkt aus einem Hallenbad. Meine Armbanduhr zeigt 9:15 an: Wahnsinn, denke ich, was man aus einem Morgen so alles rausholen kann. Ich erfreue mich am Optimismus, den man manchmal einfach deshalb spürt, weil man sich an der frischen Luft bewegt. Ich lege die Jacke ab, die Temperaturen steigen spürbar mit abnehmender Höhe.
Der blühende Rhododendron ist allgegenwärtig.
Wir gehen weiter, der Pfad bleibt unerhört steil, das Geröll bietet keinen festen Halt unter der Schuhsohle. Manchmal schlittert man für einen Moment. Einige Wanderer versuchen sich mit Stöcken abzusichern. Wo der Nadelwald etwas lichter ist, werden Blicke auf das Khumbu-Tal freigegeben. Die türkisen Hausdächer von Phakding wecken zwar noch nicht die Hoffnung auf Ankunft, jedoch die Aussicht auf festen Boden unter den Füßen.
Das besondere an Wanderungen im nepalesischen Himalaya-Gebiet: Hinter jeder Böschung, hinter jeder Abzweigung, kann ein Blick auf einen neuen gigantischen Berg warten. 10 der 14 8000er der Erde, befinden sich in diesem Gebirge. Unser Weg führt uns entlang einer Schneise am Rande des Berges. Wir erblicken Thamserku (6608m) und dahinter Kusum Kangoroo (6367m), dieser schwer Bezwingbare, dessen Besteigung jedes Jahr ein paar Teufelskerle wagen, von denen mehr als 50% die Expedition abbrechen müssen.
»Sorry for uncomfortable«
Als wir Phakding (2800m) erreichen, ist die Etappe vom Kopf her überstanden, von hier sind es noch etwa 2 Stunden bis Lukla. Wir laufen wieder auf festem Untergrund, befinden uns auf der Hauptstrecke, die in die andere Richtung über Namche Bazar zum Everest Basislager führt. Im Herbst, wenn der Monsunregen nachlässt und die Luft klar wird, treten sich die Trekker hier gegenseitig auf die Füße, vor Hängebrücken bilden sich dann bisweilen minutenlange Schlangen. Einige nennen die Strecke den Himalaya-Highway.
Jetzt, wo das Ziel vor Augen ist, das Laufen weniger Konzentration erfordert, nehmen handfestere Themen den Raum im Kopf ein. Kurz gesagt: ich spüre die physischen Konsequenzen des Abstiegs: das Kniegelenk, den Hunger, die Müdigkeit.
Dann die Ankunft in Lukla (2800m). Der Ortseingang ist unverkennbar: man läuft durch ein Tor, über dem eine Statue von Pasang Lhamu Sherpa thront. Sie war 1992 die erste nepalesische Frau auf dem Mount Everest. Tragischerweise starb sie direkt beim Abstieg in einem Eissturm. Eine Nationalheldin, angeblich kennt jedes nepalesische Kind ihren Namen. Ich laufe hindurch, nehme mir aus Respekt die Kappe vom Kopf und feiere innerlich auch ein wenig den eigenen Triumph: 14 Tage Trekking in der Annapurna und Everest Region gemeistert. Es war fantastisch.
Vielen Dank an Wikingerreisen für die Einladung auf ihre Trekkingtour „Panoramablicke am Annapurna und Everest“. Es war ein Erlebnis!
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Ein super Bericht. Ich möchte auch noch nach Nepal. So viel zu tun, so wenig Zeit :-/
Danke! Ein Trip in den Himalaya würde doch ganz gut zum Wanderdude passen 😉 Ich kann es nur empfehlen!
Klasse Bericht und superschöne Fotos von einer atemberaubend schönen Landschaft. Da kommt man schon ins philosophieren, als »sooo kleines Menschlein«. 😉
Hey Ute,
vielen Dank! Selbst bei sehr langen Reisen gibt es einzelne Momente, die irgendwie als besonders hervorstechen und auch nachhaltig in Erinnerung bleiben. Dieser unglaubliche Ausblick war für mich ganz bestimmt so einer!
Liebe Grüße!
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