Koloniale Relikte

Ent­lang der tan­sa­ni­schen Küs­te lie­gen abseits der Tou­ris­ten­pfa­de ver­träum­te Städ­te mit deut­scher Kolo­ni­al­ge­schich­te. Eher ein Zufall und ein klei­ner Tipp, um Tou­ris­ten aus­zu­wei­chen, haben mich dazu gebracht, den Strei­fen ent­lang der Küs­te nörd­lich von Dar-es-Salaam zu berei­sen.

Es ist an der Zeit San­si­bar zu ver­las­sen und Tschüss zu sagen. Ich habe gera­de erst ein schö­nes Zim­mer in einer WG gefun­den und mich ein­ge­lebt, die Insel »ver­stan­den« und die Ori­en­tie­rung in Stone­town nur noch im Detail ver­lo­ren, da treibt mich das Fern­weh übers Was­ser nach Dar-es-Salaam.

Verabschiedung von Stonetown auf der Fähre

Dar-es-Salaam hält mich nur kurz und sogleich bre­che ich nach Baga­moyo auf. Die Stadt liegt 75 Kilo­me­ter nörd­lich von Dar. Trotz­dem füh­len sich die 1 1/​2 Stun­den, ein­ge­quetscht von mei­nem Ruck­sack, wie eine Ewig­keit an.

Bagamoyo – Einst groß, heute nicht schön

Mein Urteil über die Stadt fäl­le ich schnell und ist ver­hee­rend. Die­ses Mal hat es nichts mit der Geschich­te zu tun. Fast. Die Stadt ist ein­fach nur Tou­ris­ten­un­freund­lich. Jede »geschich­li­che Attrak­ti­on«, wel­che in unter 30 Minu­ten besich­tigt wer­den kann, ver­langt jeweils zwi­schen 10 und 15 USD Ein­tritt. Damit ist der Spass dahin und die Besof­fe­nen am Strand geben der Stadt den Todes­stoß für mei­nen tou­ris­ti­schen Ein­druck.

Festung in Bagamoyo

Dabei hat die Stadt eine lan­ge Geschich­te, die sich auch in den Gebäu­den wie­der­spie­gelt und die man hier und dort auch noch spü­ren kann. Die Geschich­te reicht dabei bis in das 8. Jahr­hun­dert zurück, als die Per­ser und Ara­ber ihre Han­dels­rou­ten ent­wi­ckel­ten und mit der Zeit Baga­moyo zu einem Umschlag­punkt für Waren und Skla­ven wur­de. Selbst der Name lässt sich auf die Skla­ven­zeit zurück- füh­ren; die Skla­ven die hier »ihr Herz in Afri­ka nie­der­leg­ten«, weil sie den Kon­ti­nent nie wie­der sehen wür­den.

Arabisches Teehaus in Bagamoyo

Als Haupt­stadt der deut­schen Ost-Afri­ka-Kolo­nie von 1888 bis 1891 hat die Stadt vie­le Gebäu­de aus deut­scher Zeit, wie zum Bei­spiel die Boma, der Ver­wal­tungs­haupt­sitz. Lei­der gera­de umzäunt und in Restau­ra­ti­on, lädt es viel­leicht in eini­gen Jah­ren wie­der zum Träu­men ein.

Ein­zig als sehr sehens­wert emp­fin­de ich den Kunst­markt von Baga­moyo. Hier kann man den Künst­lern über die Schul­ter schau­en, wäh­rend sie wun­der­ba­re Holz­fi­gu­ren her­stel­len. Ger­ne zei­gen sie auch ihre Küns­te und leh­ren den inter­es­sier­ten Tou­ris­ten.

Afrikanisches Zeitgefühl gepaart mit Sprachhochsprung

Dass die­ser Tag eine klei­ne Irr­fahrt durch Tan­sa­nia wer­den wür­de, zeich­net sich mit dem Öff­nen mei­ner Augen noch nicht ab. Mein Plan beim Auf­ste­hen ist es, nach Pan­gani zu fah­ren.

Am Früh­stücks­tisch wer­de ich aber von zwei Spa­ni­ern »bear­bei­tet«. Ihre Mei­nung zu Tan­ga und Pan­gani ist nicht gera­de berau­schend. Mei­ne Mei­nung von Baga­moyo auch nicht. Also ent­schei­de ich mich, nach Aru­sha auf­zu­bre­chen.

An der Bus­hal­te­stel­le kom­me ich aber erst­mal nicht weit…ich wer­de als ers­tes auf die Ersatz­bank abge­scho­ben. Mei­ne Rei­se­rou­te ist doch etwas exo­tisch und die Sprach­bar­rie­ren zu hoch. Mein nächs­ter Bus soll erst um 16 Uhr fah­ren. Plötz­lich heißt es 10 Uhr. Zu ver­wir­rend für mich; so sprin­ge ich in einen Bus zurück nach Dar-es-Salaam. Dort schnup­pe­re ich erst­mal Stau­luft, bevor ich über­haupt an der gro­ßen Bus­hal­te­stel­le ankom­me. Ein freund­li­cher Mit­fah­rer aus Baga­moyo über­gibt mich schlu­ßend­lich an einen nicht so freund­li­chen Schlep­per, der mich zwar in den rich­ti­gen Bus setzt, dafür mich erst­mal übers Ohr hau­en will. So sehr, dass ich ihm ger­ne eins hin­ters Ohr geben wür­de. Da ich aber eigent­lich fried­fer­tig bin, zei­ge ich ihm nur einen Vogel und zah­le den offi­zi­el­len Preis.
Jetzt sit­ze ich doch im Bus nach Tan­ga. Aru­sha ist mir um 11 Uhr mit­tags mit 10 bis 11 Stun­den Fahr­zeit etwas weit. Sechs Stun­den Fahrt sind defin­tiv bes­ser. Im Bus übe ich ein wenig Sua­he­li und fra­ge aus Jux, wann wir den ankom­men wer­den. Drei­mal höre ich 23 oder 24 Uhr. Ver­wirrt gebe ich auf und lese ein­fach mein Buch.

Busankunft in Pangani

Komi­scher­wei­se muss ich um 17 Uhr zusam­men­pa­cken. Der Bus ist kurz vor Tan­ga. Ich ver­ste­he die Zeit­rech­nung nicht. Aber egal. Ich bin in Tan­ga und habe noch etwas Zeit, bevor die Son­ne unter­geht. Spon­tan setz­te ich mich in einen Bus nach Pan­gani.

Die Fahrt dau­ert ent­we­der län­ger als ich gehofft habe oder afri­ka­ni­sche Näch­te sind schnel­ler dun­kel als ich es gewöhnt bin. Auf jeden Fall ste­he ich am Ende der Fahrt im Dun­keln. Die Stra­ßen­be­leuch­tung besteht eigent­lich nur aus mei­ner Kopf­lam­pe und den Schein­wer­fern des Bus­ses, der mich gera­de abge­setzt hat. Ein freund­li­cher Mann, ver­mut­lich Poli­zist, schüch­tert einen Moto-Taxi-Fah­rer für mich ein und so wer­de ich im Hotel mit den Wor­ten »Nehmt ihn gut auf, die Poli­zei schickt ihn« ange­kün­digt. So wird es mir zumin­dest in der Kurz­fas­sung über­setzt.

Mei­ne Irr­fahrt hat hier zumin­dest ein Ende und hung­rig bin ich auch: Die Piz­za ist drin­gend nötig.

Pangani – Idylisch und Sympatisch

Mein Gui­de für den Tag in Pan­gani ist der Lei­ter des Tou­ris­ten­bü­ros: Ema­nu­el Pedro. Von allen Sei­ten schallt es aber nur »Hothot«. Der Spitz­na­me stammt aus sei­ner Zeit als Hotel­ma­na­ger, als ihn die Gäs­te nach hei­ßem Essen frag­ten. Das The­ma ken­ne ich nur zu gut. Ich habe hier in Tan­sa­nia schon öfters kal­tes Essen zurück­ge­hen las­sen. Jetzt bekom­me ich aber Geschich­te heiß ser­viert.

»Hothot« führt mich durch die 3000-Ein­woh­ner-Stadt Pan­gani; am deut­schen Fried­hof vor­bei zur loka­len Kokus­nuss-Ver­ar­bei­tung, der Ein­nah­me­quel­le Num­mer 1 der Stadt. Tou­ris­mus ist selbst nur auf Platz 6. Das erklärt auch die fast tota­le Abwe­sen­heit von west­li­chen Tou­ris­ten.

Hothot vor der Boma in Pangani

Völ­lig unver­ständ­lich, denn die Stadt bie­tet mit sei­nem länd­li­chem Charme ein schö­nes Ambi­en­te. Vom deut­schen kolo­nia­len Kran­ken­haus wer­den heu­te nur noch die Sei­ten­flü­gel als Katas­ter- und Fische­rei­bü­ro genutzt. Die Boma, die schon unter ara­bi­scher Herr­schaft gebaut wur­de, beher­bergt klei­ne­re Büros, aber die Land­kreis­ver­wal­tung ist erst kürz­lich umge­zo­gen und das Gebäu­de wird nun viel­leicht Muse­um.
Ent­lang des Hafens steht noch das Zoll­ge­bäu­de. Das Skla­ven­ge­fäng­nis dane­ben ist nur noch eine Rui­ne. Der Hafen selbst ist noch geschäf­tig, obwohl die Hoch­zeit hin­ter ihm liegt. Den­noch, Dhaus ver­las­sen den Hafen immer noch Rich­tung San­si­bar.

Indian Street in Pangani

Nörd­lich von Pan­gani erstreckt sich ein lan­ger Sand­strand und bei Ebbe kann man fast bis zu einem deut­schen Wrack lau­fen, wel­ches 1914 von den Bri­ten ver­senkt wur­de.
Die Stadt zu ver­las­sen, fällt mir doch etwas schwer. Die Sorg­lo­sig­keit, die Ent­spannt­heit und der Umgang mit der Geschich­te bie­ten mir ein schö­nes Umfeld zum Abschal­ten und zum Ent­de­cken.

Tanga – die übersehene Farm

Mein Rei­se­füh­rer und das Inter­net haben nicht viel zu Tan­ga aus­ge­spuckt. Also pla­ne ich nur einen hal­ben Tag. Schon auf dem Weg von Pan­gani nach Tan­ga ver­pas­se ich die ers­te Attrak­ti­on: die Ton­go­ni Rui­nen.
Eine alte Moschee, die von den Ara­bern gebaut wur­de, die Tan­ga auch ihren Namen gab. Die Ara­ber frag­ten damals in ein­fa­chem Sua­he­li Kin­der, wo ihre Eltern wären. Die­se ant­wor­te­ten: Sie sind auf der Farm. Lei­der ver­stan­den die Ara­ber nicht das Wort Tan­ga, was Farm bedeu­tet, und so blieb der Name.
Kolonialgebäude in Tanga

Etwas außer­halb (8km) lie­gen die Ambo­ni Höh­len. Ein frei­wil­li­ger Füh­rer zeigt mir dort die Höh­len und mit viel Phan­ta­sie erra­te ich Tie­re, Land­schaf­ten und Figu­ren. Es gibt defi­ni­tiv schö­ne­re Höh­len, die 13 USD Ein­tritt zu zah­len gerecht wären.

Amboni Höhle bei Tanga

Amboni Höhle bei Tanga

Zurück in der Stadt gehe ich auf Ent­de­ckungs­tour und fin­de über­all ent­lang der Hafen­sei­te der Stadt kolo­nia­le Gebäu­de aus deut­scher und bri­ti­scher Zeit.
Mei­ne »High­lights« sind der Clock­tower von 1901, der Sol­da­ten­fried­hof am Ende der Mar­ket Street sowie das Uri­thi Tan­ga Muse­um in der neu­en Boma. Die alte Boma direkt neben­an ist nur noch eine Rui­ne und lässt den­noch die Geschich­te erle­ben.

Uhrturm in Tanga

Ich tref­fe Joel aus dem Muse­ums­bü­ro. Er nimmt sich für mich Zeit und erzählt über sei­ne Stadt und das Muse­um. Die Geschich­te liegt ihm sehr am Her­zen und auch des­halb setzt er sich für den Erhalt von Gebäu­den und Plät­zen ein.
Ruine der ersten Boma in Tanga

Joel emp­fielt mir noch Tot­ten Island, aber das Boot dort­hin ist mal wie­der Abzo­cke. Ich genie­ße dafür aus dem Wach­turm-Fens­ter des Muse­ums den wun­der­ba­ren Aus­blick auf die Insel.

Urithi Tanga Museum – Geschichtsmuseum

Ein wenig ärge­re ich mich schon, dass ich Joel erst am Ende mei­nes Tages getrof­fen habe. Die deut­sche Geschich­te Tan­sa­ni­as und sei­ne Erzäh­lun­gen spor­nen mich aber an, wei­ter auf den Spu­ren zu blei­ben.

Mal schaun, was ich als Nächs­tes aus­gra­be.

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Antworten

  1. Avatar von JJ
    JJ

    Hal­lo Domi­nik,
    kann es sein dass dei­ne Mit­fah­rer im Bus dir die Ankunfts­zeit in Sua­he­li-Zeit gesagt haben?? Dann wäre näm­lich 11/​12: 17/​18 Uhr!
    vie­le grüs­se und viel spass noch in tan­sa­nia!

    1. Avatar von Dominik Mohr

      Hal­lo JJ,
      ja, haben sie. Ich bin nur eine gan­ze Wei­le drauf rein­ge­fal­len. Wer kommt schon auf die Idee, dass da jemand an der Zeit gespielt hat?
      Vie­le Grü­ße,
      Domi­nik

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