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Wer Kaffee liebt, hat immer einen hervorragenden Grund zu reisen: Es ist faszinierend, sich in den Ursprungsländern direkt anzuschauen, wie eines unserer Lieblingsgetränke angebaut und verarbeitet wird. Natürlich kommt man nicht um ein Land mit den höchsten Kaffee-Erträgen pro Hektar herum: Zwei Coffeelover auf Kaffeereise in Costa Rica.
Fotos: Anja Menzel, Text: Sabine Neddermeyer
Glaub es oder glaub es nicht: Ein Satz, ein kleiner Textschnipsel auf der Rückseite einer Kaffeepackung schafft es. Auch im tendenziell grauen ungastlichen Großstadtgetümmel hat mein Hirn durch diesen einen Satz alles wieder sofort parat: „Über dem karibischen Nebel erhebt sich der Vulkan Turrialba, und an seinen Hängen liegt Aquiares“. Schier endloses Grün in atemberaubender Vegetation, berauschende Soundkulisse der costa-ricanischen Tiervielfalt. Ich will zurück nach … nein, nicht nach Westerland, sondern ins Land zwischen den Flüssen. So heißt der Name der Kaffeeplantage Aquiares in der einheimischen indigenen Sprache der Huetar. Schön, oder? Schön und vielversprechend genug, um diese Location zwischen den Flüssen Aquiraes und Turrialba als Ziel für eine kleine Kaffeereise zu planen.
Interessanterweise wurden erst vor 250 Jahren die ersten Kaffeepflanzen von Kuba nach Costa Rica eingeführt. Mit durchschnittlich 1.600 kg pro Hektar erzielt das zentralamerikanische Land heutzutage die höchsten Ernteerträge im weltweiten Vergleich. Woran es liegt, dass es mit dem Kaffee und diesem Land so flutscht? Schauen wir doch einfach mal ein bisschen.
Zu Besuch auf einer Kaffeeplantage.
Genau an dieser Stelle, an den fruchtbaren Hängen des Vulkans Turrialba in der Provinz Cartago, kamen 1890 ein paar britische Bauern nicht nur auf die schlaue Idee, die satten Böden und das ideale Mikroklima für die Produktion von Kaffee zu nutzen. Sondern auch darauf, die Anbindung der Eisenbahnlinie von Costa Rica zum Hafen von Limón zu nutzen, um ihren Kaffee zu exportieren. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts erwarb erst Familie Lindo die Farm, 1945 dann Familie Figueres. Genau, die Familie von DEM José Figueres Ferrer, dem ehemaligen Präsidenten Costa Ricas, der die Armee abschaffte und die progressiven sozialen Reformen fortsetzte. Ende der 70er wechselte sie in den Besitz dreier eng miteinander verbundener Familien. Und heute? Mit einer Fläche von 990 Hektar stehen wir mitten in der größten Kaffeefarm Costa Ricas in einem zusammenhängenden Areal: 660 Hektar sind Kaffeeplantage, der Rest ist nach den Standards der Rainforest-Alliance-Zertifizierung geschützter Wald in Turrialba.
Turrialba ist übrigens neben Central Valley, West Valley, Tarrazù, Tres Rios, Orosi, Brunca und Guanacaste eine der acht Kaffee-Hauptanbauregionen des Landes. Im Hochland der Zentralregion der Landesmitte konzentriert sich wegen der genialen klimatischen Bedingungen der Kaffeeanbau Costa Ricas: konstant feucht-mild. Auch hier gibt es natürlich Regen- und Trockensaison, doch die Niederschlagsmengen im Bergland schwanken nicht so stark. Dadurch, und weil auch die kühlen Nächte ein langsameres Wachstum der Pflanzen ermöglichen, haben sie mehr Zeit zu reifen. So kann intensiverer Geschmack und größere Aromavielfalt in den Kaffeepflanzen entstehen. Okay, langsam versteht man, dass costa-ricanischer Kaffee zu den besten Kaffees weltweit gehört …
Costa Rica: 5 Millionen Einwohner, 400 Millionen Kaffeepflanzen. Wow.
Doch nicht nur die pure Lage der von zwei Wasserfällen und Flüssen unterbrochenen Kaffeeplantage und die Optik der betörend schönen Hügel mit den hohen, schattenspendenen Ceiba- oder auch Kapokbäumen bietet für Kaffeefans eine große Anziehungskraft. Auch eine andere Sache ist wirklich besonders, wie uns unser Guide Denise während der mehrere Stunden lang dauernden Tour erklärt: Diese Kaffeeplantage ist ein einzigartiges Landwirtschaftsmodell. Es integriert nämliche eine komplette Community mit fast 2.000 Einwohnern.
Diese Community wird nach Kräften unterstützt: Es gibt eine eigene Grundschule, eine Klinik, eine Kita, mehrere Sportplätze und über 200 Häuser. Diese gehörten ehemals der Plantage, aber sie boten den Kaffeebauern in den 90er Jahren über eine Kampagne zur Verbesserung der Wohnverhältnisse an, diese Häuser zu kaufen: Jeder Arbeiter erhielt eine Prämie für seine Dienstjahre und die Farm unterstützte all jene, die staatliche Kredite beantragten. Heute sind 96% der sogenannten Aquiareños, der Angestellten von Aquiares, stolze Hausbesitzer! Diese Idee gab den Familien Sicherheit und Stabilität und erhöhte langfristig das Bildungsniveau sowie auch den allgemeinen sozioökonomischen Status. Die Arbeiter hier identifizieren sich auf eine ganz wundervoll anzusehende Art und Weise mit ihrem Arbeitgeber, erklärt Denise.
Der wahre Eye Catcher der Community ist die 1925 erbaute und im Jahr 1997 von der Regierung als Global Architecture Project geschützte Kirche. Fun Fact: Besitzerfamilie Lindo importierte damals eine Aluminiumkirche aus Belgien und Glasfenster aus Italien. Das hübsche Gebäude mit den kunstfertig verzierten Fenstern ist berühmt dafür, dass sie für Hochzeiten gemietet werden kann. Wie genial bitte wäre eine forever unvergessliche Eheschließung auf einer Kaffeeplantage? Bei dem Gedanken flippt man doch als Coffeelover völlig aus, oder? (Kostet übrigens 80 Dollar – für alle, die gerade spontan drüber anfangen, nachzudenken … #keinwitz #undwarumnichteinbisschenträumen?)
Strictly Arabica-Bohnen
In Costa Rica wird ausschließlich Arabica-Kaffee angebaut. Über 300 verschiedene Arabica-Bohnensorten stammen von hier. Kaffee aus Costa Rica schmeckt typischerweise fein-würzig, hat eine natürliche Säure und einen angenehm süßen Nachklang. Mehr als zwei Drittel des Kaffees aus diesem Land trägt die Auszeichnung für Hochlandkaffee, also Bohnen, die in einer Höhe von über 1.200 m über dem Meeresspiegel wachsen. Die Höhenlage, addiert mit den fruchtbaren Böden, ergibt natürlich beste Bedingungen. Hier auf der Farm bewegen wir uns zwischen 800 bis 1.400 m Höhe. Generell hat sich das zentralamerikanische Land, das sich übrigens auf verschiedensten Ebenen sehr für Nachhaltigkeitsbestrebungen einsetzt – aber das ist wieder eine andere Geschichte – den Ruf als eines der Länder mit dem höchsten Qualitätsanspruch für Kaffee erarbeitet. Strenge Umweltschutz- und Grundwasserversorgungsauflagen stellen beispielsweise sicher, dass in Costa Rica kein Raubbau wie in Brasilien betrieben wird. Selbstverständlich sind in diesem Qualitätsanspruch auch soziale Anforderungen eingeschlossen. Diese Qualitätssicherung liegt in den Händen der Farmer.
Nachhaltigkeit und Umdenken
Diese Kaffeefarm trägt das Rainforest Zertifikat der Rainforest Alliance: Aquiares wurde 2010 als erste Farm ausgezeichnet, die carbonneutral arbeitet. 95% ihres Kaffees gehen in den Export.
Vor einigen Jahren erlebten sie den Albtraum eines jeden Kaffeebauern: Roya, der Kaffeerost, befiel die Pflanzen massiv. Gegen diese Pilzkrankheit gibt es keine Lösung. Dabei wird eine Kaffeepflanze normalerweise bis zu 50 Jahre alt und man rechnet mit ihrem aktiven Arbeitsleben von rund 25 Jahren. Nachdem man also die Auswirkungen der starken Einbußen durch den verheerenden Befall der Pflanzen mit dem Kaffeerost (Roya) verzeichnen musste, stand fest: Wir sollten umdenken! So tüftelten und testeten sie acht bis zehn Jahre lang und holten sich dafür Hilfe vom internationalen Institut für landwirtschaftliche Entwicklung und biologischen Schutz CATIE (Centro Agronómico Tropical de Investigación y Enseñanza). Das Ergebnis: zwei gegen den Kaffeerost sehr widerstandsfähige Hybridsorten.
Handarbeit
Die kleine, sehr gut gelaunte Truppe, die wir auf ihrem Weg in den Feierabend treffen, ist ein Bruchteil von Vielen: 1.200 Kaffeepflücker sind nach acht Monaten Reifezeit damit beschäftigt, drei Millionen Pflanzen zu ernten. Für jeden handgepflückten 20-Liter-Korb mit Kaffeekirschen erhalten sie zwei Dollar in cash. Und Denise erzählt uns, dass es interessanterweise noch VIP-Pflücker gibt: Diese pflücken schneller und nur die roten Kaffeekirschen. Sie verdienen drei Dollar pro 20-Liter-Korb. In einem Monat Erntezeit kommt ein Kaffeepflücker somit auf 600 Dollar, verrät Denise. Im Vergleich zu den 100 Dollar im Monat im Nachbarland Nicaragua für dieselbe Arbeit ziemlich gut.
Hier auf der Farm hat man sich für drei verschiedene Verarbeitungsprozesse entschiedenen. Es gibt nicht nur die nasse Kaffeeaufbereitung, den sogenannten fully washed Prozess, sondern auch honey processed und natural. Bei letzterer Form der Aufbereitung lassen die Kaffeebauern die Kaffeekirschen drei Wochen in der Sonne trocknen. In Anlehnung an die traditionelle afrikanische Methode der Kaffeeverarbeitung werden die Kaffeekirschen zur solaren Trocknung auf einer Terrasse ausgebreitet, ohne die Kaffeekirschen vorher zu entpulpen, also das Fruchtfleisch um die Bohne herum zu entfernen.
Während des langsamen Trocknungsprozesses nehmen die Bohnen Spuren der Alkohole und Zucker auf, aus denen die Frucht der Kirsche besteht. Im Gegensatz dazu funktioniert das Verfahren um die Honey processed Bohnen so, dass die Bohnen zunächst zum Entpulpen in die Nassmühle gebracht werden. Die Mucilage, die Pergamenthaut mit der Pektinschicht, haftet aber noch an der Bohne. In den folgenden zwei Wochen Sonnentrocknung durchlebt die Bohne einen langsamen Trocknungsprozess und erhält dadurch ihren einzigartigen karamellartigen und süßlich-fruchtigen Geschmack. Bei der dritten Methode, dem fully washed Prozess, schließt sich nach dem Waschprozess eine 32-stündige Trocknung in einem Trockner bei 60° Celsius an. Es folgen zwei Monate im Silo.
Natürlich versuchen wir bei der Verkostung am Schluss der Tour die verschiedenen Prozeduren von natural, honey oder fully washed aus der Kaffeetasse selber herauszuschmecken. Im Wettstreit: die Fotografin, die Autorin und der costa-ricanische Guide Isaac. Wir haben beim Cupping geschlürft, gelacht, geprustet und uns gewundert, wie unglaublich unterschiedlich diese Kaffeesorten doch schmecken. Wer costa-ricanischen Specialty Coffee noch nicht probiert hat, sollte dies unbedingt nachholen. Glaub es oder glaub es nicht: Aber unsere europäischen Kaffeegaumen haben beim Wettstreit leider einfach komplett versagt.
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