Jenseits von Kibber

Es war bereits Okto­ber, als ich mich auf den Weg ins Spi­tital mach­te. Zuvor hat­te ich drei Mona­te in Lad­akh und Zans­kar ver­bracht und einen wei­te­ren in Mana­li. Noch immer woll­te ein gro­ßer Teil von mir unbe­dingt in den Ber­gen blei­ben und so wähl­te ich eine Rou­te, die mich mög­lichst lang­sam hin­aus aus den Ber­gen füh­ren wür­de.

Die Regi­on Spi­ti war bis 1992 für Aus­län­der unzu­gäng­lich. Die­sem Umstand ver­dankt die sehr dünn besie­del­te Regi­on ein unver­fälsch­tes Kul­tur­er­be. Spi­ti gehört zu den tro­ckens­ten Regio­nen Indi­ens und ist ähn­lich wie Lad­akh und das nord­öst­lich gele­ge­ne Tibet eine Hoch­ge­birgs­wüs­te. Spi­ti bedeu­tet »das mitt­le­re Land« und deu­tet auf sei­ne Lage zwi­schen Tibet und Indi­en hin.

 

Ursprüng­lich hat­te ich geplant, von Mana­li aus durch das für sei­ne ille­ga­len Can­na­bis­pflan­zun­gen berüch­tig­te Par­va­ti- ins Pin-Tal zu wan­dern, das bereits zu Spi­ti gehört. Doch nach­dem sich der erhoff­te Füh­rer als for­mi­da­bler Alko­ho­li­ker ent­puppt hat­te, ent­schied ich mich dazu, mit einem der letz­ten Bus­se über den Roh­tang und den Kunz­um-Pass nach Spi­ti vor­zu­sto­ßen. In der Nähe des Kunz­um befin­det sich der Zusam­men­fluss drei­er Quell­flüs­se, die den Spi­ti bil­den, der nach 200 Kilo­me­tern in den Sat­luj mün­det. Der Fluss­ver­lauf führt süd­öst­lich, win­det sich ent­lang der Gren­ze zu Tibet (in Nako tren­nen den Rei­sen­den nur zwei Kilo­me­ter) und führt durch ein mäch­ti­ges Tal bis in die Regi­on Kinn­aur, die wesent­lich grü­ner ist, weil sie im Gegen­satz zu Spi­ti vom Mon­sun erreicht wird.

 

Doch zunächst steu­er­te ich die eher schmuck­lo­se Pro­vinz­haupt­stadt Kaza an. Bei den land­schaft­li­chen Sen­sa­tio­nen­rund­her­um, war das aller­dings völ­lig neben­säch­lich. Der Ort eig­ne­te sich für Besor­gun­gen und von hier aus konn­te man alle ande­ren Orte in Spi­ti errei­chen. Der Tou­ris­mus war ange­kom­men, aber im Ver­gleich mit den Mas­sen in Mana­li oder Leh ging es beschau­lich zu.

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Die wei­te­ren Ein­drü­cke stam­men von der Fahrt nach Spi­ti und mei­nem spä­te­ren Ziel Tabo:

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Jenseits von Kibber

 

Doch mein eigent­li­ches Ziel war das Dorf Kib­ber, im Nord­wes­ten von Kaza gele­gen. Für die gut 20 Kilo­me­ter Fahrt brauch­te der Bus über eine Stun­de.

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Unter­wegs pas­sier­ten wir das Klos­ter Kye, das auf einem Fel­sen über dem Tal trohnt. Das Klos­ter ist der Sitz des Lochen Trül­ku, der als Reinkar­na­ti­on von Rin­chen Sang­po gilt. Die­ser, auch »Gro­ßer Über­set­zer« genannt, war einer der gro­ßen Mis­sio­na­re des Bud­dhis­mus zwi­schen Kasch­mir, Spi­ti, Lad­akh, der Gan­ges­ebe­ne und dem König­reich Guge in West­ti­bet.

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Kib­ber war einer der iso­lier­tes­ten Orte, die ich je besucht habe. Wie eini­ge ande­re Dör­fer im Hima­la­ya erhob es den Anspruch, die höchst­ge­le­ge­ne Sied­lung mit Stra­ßen­an­schluss, Post und Elek­tri­zi­tät welt­weit zu sein. Das Dorf  lag in einem Sei­ten­tal des mäch­ti­gen Can­yons, den der Spi­ti geschaf­fen hat.

Ohne den Strom wäre ein Über­le­ben in die­ser Regi­on unmög­lich. Auf knapp 4200 Metern, hoch über dem Spi­ti, liegt Kib­ber in einer extrem kar­gen Land­schaft. Den­noch betrei­ben die Men­schen Acker­bau und Vieh­zucht, von denen die abge­ern­te­ten Gers­ten­fel­der und eine staat­li­che Anzahl von Yaks zeug­ten. Kanä­le führ­ten das Was­ser aus den Berg­quel­len ins Dorf. Inzwi­schen kom­men statt­des­sen Was­ser­schläu­che zum Ein­satz. Die meis­ten Häu­ser in Kib­ber sind aus Stein und Stampf­lehm in tibe­ti­scher Bau­wei­se errich­tet.

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Kib­ber war bis auf zwei Gast­häu­ser wie aus­ge­stor­ben. Ein klei­ner Laden öff­ne­te spo­ra­disch und hielt ein mini­ma­les Waren­an­ge­bot bereit. In der Umge­bung lie­gen noch die Dör­fer Comic, Gete und Tashi­gang. Jen­seits von Comic geht die Land­schaft lang­sam in die noch kär­ge­re Regi­on Rups­hu über.

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Eine beschwer­li­che Wan­de­rung über zahl­rei­che hohe Päs­se führt nach Nor­den durch unbe­sie­del­tes Gebiet bis zum Hoch­ge­birgs­see Tso Mor­i­ri. Frü­her ver­lief eine wich­ti­ge Salz­rou­te wei­ter bis zum Bazaar in Lad­akhs Haupt­stadt Leh und dar­über­hin­aus bis nach Tibet.

Zunächst prä­sen­tier­te sich die Land­schaft reich­lich neb­lig.

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Mit­te Okto­ber war es nachts eisig in mei­nem unge­heiz­ten Raum.

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Abends ließ es sich am Feu­er des Wohn­be­reichs und der Küche hin­ge­gen gut aus­hal­ten. Mei­ne Gast­fa­mi­lie wür­de noch bis Ende Novem­ber blei­ben, bevor sie – wie die meis­ten Bewoh­ner Kib­bers – in tie­fe­ren Gefil­den wie dem Kul­lutal über­win­tern wür­den. Da sich in die­ser Höhe kaum Bäu­me fin­den, ist Feu­er­holz ein rares Gut. Doch noch herrsch­ten bei Son­nen­schein vom Vor­mit­tag bis zum frü­hen Abend ange­neh­me Tem­pe­ra­tu­ren.

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Eine schö­ne Wan­de­rung führ­te mich auf den nahe­ge­le­ge­nen Gip­fel des Dang­ma­chan auf knapp 5000 Metern. Viel­leicht wür­de ich irgend­wann wei­ter nach Nor­den vor­sto­ßen kön­nen.

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