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Japan durch die Augen einer Ninja-Darstellerin – Ein Gespräch mit Anna Sanner

Anna San­ner stu­dier­te Japa­no­lo­gie in Schott­land und Japa­nisch Dol­met­schen und Über­set­zung in Eng­land. Nach dem Stu­di­um ver­brach­te sie fünf Jah­re als Leh­re­rin, Über­set­ze­rin, Dol­met­sche­rin, Show-Nin­ja und Go-go-Girl in Japan. Neben Wie man in Japan Nin­ja wird erschien 2020 ein Bei­trag von ihr in der Antho­lo­gie Die ers­te Rei­se.

Welche Erfahrungen haben Dich dazu inspiriert, über Reisen zu schreiben? Gab es einen speziellen Moment oder eine bestimmte Reise, die Dich besonders beeinflusst hat?

Ich habe schon immer über alles geschrie­ben, was ich erlebt, gefühlt und gedacht habe. Und ich habe auch früh das Rei­sen als Mög­lich­keit ent­deckt, ande­re Arten von „nor­mal“ ken­nen­zu­ler­nen und mich dadurch auch selbst bes­ser ver­än­dern zu kön­nen. So hat es sich ganz natür­lich erge­ben, dass ich über das rei­sen geschrie­ben habe. Und es war eher Zufall, dass die ers­te Ver­öf­fent­li­chung im Bereich Rei­sen geschah – denn als ich anfing, mich um Ver­öf­fent­li­chung mei­ner vie­len Wer­ke zu bemü­hen, habe ich zufäl­lig bei der Buch­lust in Han­no­ver die bezau­bern­de Mari­an­na Hill­mer mit ihrem bezau­bern­den Ver­lag ken­nen­ge­lernt… 😉

Wie würdest Du deinen Schreibstil beschreiben und wie reflektiert dieser deine persönliche Reiseerfahrung?

Mein eige­ner Stil ist für mich wegen feh­len­der Außen­per­spek­ti­ve schwer zu beschrei­ben. Ich ver­su­che, so zu schrei­ben, dass sowohl ich als auch alle, die es lesen, Spaß dabei haben und idea­ler­wei­se auch noch etwas ler­nen. Dass es leicht ver­ständ­lich ist und auch laut gele­sen gut klingt. Dass es schön ist. Dass man vie­le Asso­zia­ti­ons­mög­lich­kei­ten über das Offen­sicht­li­che hin­aus hat wie bei Gedich­ten. Dass man es gut lesen kann. Da set­ze ich dann auch manch­mal einen Bin­de­strich ein, damit man ein lan­ges deut­sches zusam­men­ge­setz­tes Wort bes­ser lesen kann. So dass ich alle mit­neh­men kann.

Inwiefern glaubst Du, dass Reisen eine transformative Kraft haben kann, sowohl für die Reisenden als auch für diejenigen, die Ihre Bücher oder Ihren Blog lesen?

Wie oben gesagt: Man lernt neue Arten des All­tags und der mensch­li­chen Lebens­wei­se ken­nen und wird dadurch auch selbst in sei­ner Lebens­ge­stal­tung fle­xi­bler und ent­wi­ckelt ein grö­ße­res Ver­ständ­nis für Men­schen, die einen ande­ren Back­ground haben und anders leben, was auch im All­tag zu Hau­se für mehr Frie­den sorgt.

Reisen ist oft mit Herausforderungen verbunden, sei es kulturelle Barrieren, Sprachprobleme oder unerwartete Zwischenfälle. Wie gehst Du mit solchen Herausforderungen um und wie spiegelt sich das in deiner Arbeit wider?

Ich habe Freu­de an sol­chen Her­aus­for­de­run­gen und sehe sie als Mög­lich­keit, zu wach­sen, mei­ne Gren­zen zu tes­ten und dar­über hin­aus­zu­ge­hen. Das glei­che Prin­zip wen­de ich auf mei­ne Arbeit an. Ich ent­de­cke immer wie­der Her­aus­for­de­run­gen, vor Allem im Bereich Spra­che, die ich meis­tern will, und wenn ich etwas schaf­fe, macht es mir immer Freu­de. Man kann bes­ser mit ande­ren kom­mu­ni­zie­ren, man kann mit mehr Men­schen kom­mu­ni­zie­ren und Ver­bin­dun­gen auf­bau­en. Man kann die Schön­heit, die man emp­fin­det, bes­ser aus­drü­cken und tei­len.

Welche Botschaft möchtest Du deinen Leser:innen vermitteln, wenn sie Deine Werke lesen?

Seid offen ande­ren gegen­über und nett zuein­an­der. Wenn ihr ein Ziel habt, geht dafür aus eurer Kom­fort­zo­ne hin­aus – es lohnt sich. Gebt nicht so leicht auf, wenn’s schwie­rig wird, aber hal­tet nicht an Zie­len fest, die nicht mehr zu euch pas­sen. Besinnt euch immer wie­der dar­auf, was euch wich­tig ist und was ihr errei­chen möch­tet. Dann ent­schei­det, was ihr dafür tun müsst und tut es. Und wenn es nur in Baby­schrit­ten geht. 

Wie siehst Du die Zukunft des Reisewritings angesichts der sich ständig verändernden Welt und der zunehmenden Zugänglichkeit von Reiseinformationen online?

Wahr­schein­lich wird es wei­ter­hin vie­le Online-Ver­öf­fent­li­chun­gen geben. Ich per­sön­lich lie­be jedoch Papier-Bücher und den­ke, gera­de wenn sie so wie die Rei­se­de­pe­schen-Bücher auch ein hap­ti­sches und visu­el­les Erleb­nis sind, wie das Rei­sen selbst, wird das auch wei­ter­hin Erfolg haben und Rei­se- und Lese­lieb­ha­ber beglü­cken. 

Warum Japan?

Schick­sals­ver­bin­dung. Zen als Lebens­phi­lo­so­phie, seit ich 14 bin. Kampf­kunst als Lebens­weg ent­deckt. Lee­re Räu­me. Ver­gäng­lich­keits-Mini­ma­lis­mus („Wabi-Sabi“-Ästhetik). Schrift­zei­chen. Was Exo­ti­sches. Genia­les Essen. Zuvor­kom­men­de Men­schen, die sich selbst zurück­neh­men und ande­ren hel­fen und Rück­sicht neh­men. Mensch als Teil der Natur.

Was hat dich dazu inspiriert, deine persönlichen Erfahrungen in Japan in Buchform zu teilen, insbesondere im Hinblick auf deine Liebe zum Land und deine Suche nach dem Verständnis für die japanische Kultur?

Ich selbst ver­ste­he alles bes­ser, wenn ich dar­über schrei­be. Und ich fin­de es all­ge­mein gut, wenn wir als Men­schen ehr­lich unse­re Geschich­ten erar­bei­ten und mit­ein­an­der tei­len. Was Japan angeht, so fin­de ich, wäh­rend es dort auch Din­ge wie über­mä­ßi­ge Selbts­kas­teii­ung und Über­ar­bei­tung und Inef­fi­zi­enz und Leis­tungs­druck etc. gibt, Bereich also, in denen die Japa­ner von uns ler­nen könn­ten, so gibt es dort vie­le Din­ge wie sich selbst zurück­neh­men, höf­lich und respekt­voll sei­nen Mit­men­schen gegen­über sein, auf ande­re Men­schen und die Natur ach­ten, gefun­de­ne Wert­sa­chen zurück­ge­ben, etc. von denen wir ler­nen und pro­fi­tie­ren könn­ten. Daher den­ke ich, über Japan und sei­ne Kul­tur zu erfah­ren ist eine Berei­che­rung für uns Deut­sche.

Du beschreibst in deinem Buch, wie Du versuchst, das Herz Japans zu ergründen. Wie hat sich deine Beziehung zu Japan während Ihres Aufenthalts in Osaka verändert?

Ich habe cir­ca 3 Jah­re gebraucht, um mich ein­zu­le­ben und hei­misch zu füh­len. Dann fühl­te ich mich fast zu Hau­se und habe nach wie vor vie­le Freun­de dort. Teil mei­ner Iden­ti­tät ist jetzt für immer japa­nisch. Vie­le Japa­ner haben zu mir gesagt: „Du warst sicher in einem vori­gen Leben mal Japa­ne­rin.“ Und so ähn­lich fühl­te es sich auch an: ent­we­der, ich hat­te schon immer etwas in mir, das zur japa­ni­schen Kul­tur passt, oder die japa­ni­sche Kul­tur hat einen Teil von mir her­aus­ge­holt, der sonst nicht her­aus­ge­kom­men wäre. Wenn ich lan­ge nicht in Japan bin, ver­mis­se ich es.

Inwiefern spiegelt sich deine eigene Identität in dem Buch wider und wie beeinflusst diese deine Erfahrungen und Wahrnehmungen in Japan?

Mei­ne Iden­ti­tät setzt sich täg­lich neu zusam­men. Das Buch ist ein Aus­schnitt. Viel­leicht zeigt es ein wenig davon, wie die japa­ni­sche See­le auch in mich über­ge­gan­gen ist. Ich glau­be aber eher, dass es noch wäh­rend einer Zeit ent­stan­den ist, in der ich auch teil­wei­se recht zynisch Japan gegen­über war, weil ich mich noch nicht ganz ein­ge­fun­den hat­te. Auch das ist sicher­lich im Buch spür­bar. Ich hof­fe, dass auch mei­ne Lie­be und Ver­bun­den­heit mit Japan dar­in zum Aus­druck kommt. Das wird sicher zuneh­men so sein, umso wei­ter ich schrei­be.

Welchen Herausforderungen bist Du begegnet? 

Ver­schlos­sen­heit, Kom­mu­ni­ka­ti­on um vie­le Ecken, sprach­li­che Kniff­lig­kei­ten, Ras­sis­mus, Frau­en­feind­lich­keit.

Welche Aspekte der Kultur haben dich am meisten fasziniert und warum?

Die gegen­sei­ti­ge Rück­sicht­nah­me. Die selbst­lo­se Streb­sam­keit und der uner­müd­li­che Fleiß, die Hin­ga­be, mit der Men­schen Din­ge wie ihr Hand­werk oder ihre Arbeit oder ihren Gar­ten oder ihr Hob­by oder ihren Lebens­weg (Aiki­do, Tee­ze­re­mo­nie, Blu­men­ar­ran­ge­ment etc.) pfle­gen. Das Essen. Die Spra­che. Kin­der­bü­cher. Man­ga-Kul­tur. Lite­ra­tur. Schrift­zei­chen. Zen. 

Welchen Rat würdest Du anderen geben, die sich für eine Reise nach Japan interessieren oder die sich in eine fremde Kultur vertiefen möchten?

Seid offen, ver­sucht, abseits von Hotels her­um­zu­lau­fen und euch mög­lichst viel mit Ein­hei­mi­schen aus­zu­tau­schen, mit ihnen in Kon­takt zu tre­ten, ihnen Eure Neu­gier mit­zu­tei­len und mit­zu­be­kom­men, wie sie täg­lich leben. Das fin­de ich wesent­lich span­nen­der und berei­chern­der als den Besuch von Sehens­wür­dig­kei­ten.

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