It’s a wild place!

„Bevor wir nach Bang­kok fah­ren, müs­sen wir unbe­dingt noch­mal an den Strand“, beschlie­ßen wir in Sin­ga­pur. Dort machen wir zwar einen Tages­aus­flug ans Meer, aber nur ein Tag zählt nicht so rich­tig. Wie die Faust aufs Auge passt da die Nach­richt von Phil­ip­pe und Eva aus Frank­reich, die uns eines Mor­gens erreicht: „If you are loo­king for a gre­at island in Malay­sia, go to Kapas. It’s beau­tiful! It’s a wild place!“ A wild place? Was soll das denn hei­ßen? Gibt es heu­te über­haupt noch „wil­de“ Plät­ze in Süd­ost­asi­en? Unser Inter­es­se ist geweckt und schnell schau­en wir auf der Kar­te, wo die Insel Kapas über­haupt ist. Per­fekt! Sie liegt genau auf unse­rem Weg nach Nor­den an Malay­si­as Ost­küs­te. Damit wis­sen wir genug, um zu ent­schei­den: Dort wer­den wir stop­pen. Ohne gro­ße Eigen­re­cher­che ver­trau­en wir dem Tipp unse­rer Bekann­ten und machen uns auf den Weg zur Pulau Kapas.

Zwei Tage spä­ter ste­hen wir in Marang an der klei­nen Jet­ty, dem Schiffs­an­le­ger, und sehen das grü­ne Eiland schon vor uns im Was­ser lie­gen. Beson­ders weit scheint es nicht weg zu sein. Und das ist beru­hi­gend zu wis­sen, denn die Boo­te, die rüber zur Pulau Kapas fah­ren, sind win­zig.

Auf Goog­le Maps hat­ten wir vor­ab einen Cam­ping­platz ent­deckt und nach einem Tele­fo­nat mit den Besit­zern ent­schie­den wir uns, bei ihnen zu über­nach­ten. Mit einem eige­nen Zelt ist der Auf­ent­halt dort sehr güns­tig und es gibt sogar eine Küche. „Plea­se bring your own food, the­re are no shops!“, gaben uns die Besit­zer noch mit auf den Weg und so ste­hen wir nun voll bela­den mit Nudeln, Reis, Eiern, Gemü­se, Trink­was­ser und ein paar Snacks am Anle­ger und war­ten auf die Abfahrt unse­res Boots.

Als eine malay­si­sche Fami­lie zu uns tritt, sind wir voll­zäh­lig und hie­ven unser Gepäck in das klei­ne Schiff. Die kur­ze Fahrt aus der Mari­na hin­aus ist ent­spannt und wir flie­gen über die ruhi­ge Was­ser­ober­flä­che hin­weg. Doch kaum haben wir die schüt­zen­den Hafen­mau­ern ver­las­sen, wird das Meer unru­hig. Obwohl ich die Insel Kapas schon sehen kann und wir mit ohren­be­täu­ben­dem Krach übers Meer don­nern, kom­men wir ihr nicht schnell genug näher. Von einem so klei­nen Boot aus sehen die Wel­len bedroh­li­cher aus als sie es wahr­schein­lich sind.

Das Schiff scheint zu tan­zen und unser Skip­per lacht zufrie­den auf. Sind wir oben auf der Wel­le ange­kom­men, steht das Schiff einen kur­zen Moment in der Luft, bevor es einen Meter oder mehr auf die Was­ser­ober­flä­che zurück­klatscht und ich einen Schlag in den Rücken krie­ge. Ich klam­me­re mich am Gelän­der fest und hal­te nach den Ret­tungs­wes­ten Aus­schau. Wir haben zwar wel­che an Bord, aber ange­zo­gen hat natür­lich nie­mand eine. Nicht nur ich kann die Fahrt nicht genie­ßen, auch der Sohn der Fami­lie klam­mert sich ver­ängs­tigt an sei­ne Mut­ter. Doch der Skip­per hat sei­nen Spaß und bret­tert unbe­irrt wei­ter über die Wel­len.

Je näher wir Kapas kom­men, des­to ruhi­ger wird das Was­ser. Die Insel ragt aus dem Meer her­aus und abge­se­hen von einem schma­len gel­ben Sand­strei­fen ist sie vor allem dicht bewal­det und tief­grün. Wir ent­de­cken nur weni­ge klei­ne Häu­ser. Der Skip­per fährt uns nicht zum Schiffs­an­le­ger, son­dern steu­ert das Boot mit Schwung eini­ge hun­dert Meter wei­ter rechts in den wei­chen Sand. Mit zitt­ri­gen Bei­nen stei­ge ich aus und wir tra­gen das Gepäck hoch auf den Strand. Wir sind da!

Der Cam­ping­platz ist aus der Nähe betrach­tet zwar immer noch toll am Strand gele­gen, aber er ist um eini­ges rudi­men­tä­rer als wir ihn uns vor­ge­stellt hat­ten. Die Miet­zel­te sind wind­schief, undicht und klein und wir sind froh, dass wir unser eige­nes Zelt dabei haben. Jetzt hat es sich doch mal wie­der gelohnt, dass wir es mit uns her­um­tra­gen! Im Ver­gleich zu den ande­ren Zel­ten ist unse­res der Mer­ce­des auf dem Cam­ping­platz und dass wir jeder eine Luft­ma­trat­ze und einen sau­be­ren Som­mer­schlaf­sack haben, lässt den Neid in den Augen der ande­ren Über­nach­tungs­gäs­te auf­blit­zen.

Auch die Küche ist über­aus pro­vi­so­risch: In einer auf Sand gebau­ten Holz­hüt­te ste­hen auf Bret­tern vier an Gas­fla­schen ange­schlos­se­ne Koch­plat­ten. Jedem Zelt steht eine Sty­ro­por­kis­te zu, in der die Vor­rä­te ver­staut wer­den kön­nen. Das soll Klein­tie­re abhal­ten. Einen Kühl­schrank gibt es nicht. Die sani­tä­ren Anla­gen sind für Män­ner und Frau­en getrennt, es gibt je zwei ver­schließ­ba­re Hock­toi­let­ten und im blick­dicht ein­ge­zäun­ten Hof fünf Duschen, die inner­halb des Hofs aber kei­nen Sicht­schutz mehr bie­ten. Ich füh­le mich an die alten Gemein­schafts­du­schen im Hal­len­bad mei­ner Kind­heit erin­nert.

Doch die rudi­men­tä­re Aus­stat­tung des Cam­ping­plat­zes schlägt uns nicht auf die Stim­mung, denn wir sind nicht wegen einer schö­nen Unter­kunft gekom­men, son­dern wegen des Mee­res und des Stran­des. Und in die­sem Punkt ist die Pulau Kapas traum­haft! End­lich kom­men wir dazu, ein­fach nur faul im Sand zu lie­gen und ein Buch zu lesen. Ich könn­te tage­lang hier blei­ben und nichts machen, doch Sebas­ti­ans Ruhe ist bereits nach einem Tag des Fau­len­zens wie­der dahin.

Am nächs­ten Tag machen wir des­halb einen Spa­zier­gang durch den Dschun­gel, stei­gen über einen klei­nen Berg und lan­den in einer ande­ren Bucht. Am Tag dar­auf lau­fen wir in die ande­re Rich­tung und ent­de­cken vier wei­te­re Buch­ten. Kapas gefällt uns sehr: Es ist eine über­schau­ba­re und klei­ne Insel und außer am Wochen­en­de, wenn die Bewoh­ner des Fest­lands mit ihren Fami­li­en her­kom­men, ist hier wenig los. Wir sehen kei­ne gro­ßen Hotel­klöt­ze, son­dern klei­ne, ein­stö­cki­ge Gebäu­de und es gibt gera­de mal vier Restau­rants auf der gan­zen Insel. Ein Geschäft ist nicht vor­han­den. Gut, dass wir uns selbst Lebens­mit­tel mit­ge­bracht haben.

Wir genie­ßen unse­re Zeit am Meer und sind dank­bar für Evas und Phil­ip­pes Tipp, denn ohne den wären wir nicht hier. Obwohl wir uns Mühe geben, ver­ste­hen wir trotz­dem nicht, wie­so das hier ein „wild place“ sein soll. Für uns ist die Pulau Kapas vor allem ein sehr ent­spann­ter, boden­stän­di­ger Ort, an dem man nicht viel machen kann außer zu schwim­men, zu ent­span­nen und einen Gang zurück­zu­schal­ten.

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