In Flipflops, Turnschuhen und Wanderstiefeln – auf dem Himalaya Highway von Lukla nach Monjo

1. Etap­pe: Luk­la – Mon­jo • Höhe Start­ort: 2860 Meter • Höhe Ziel­ort: 2850 Meter • Distanz: ca. 12 Kilo­me­ter • Geh­zeit: ca. 5 Stun­den • Beson­der­hei­ten: viel Ver­kehr auf dem wich­tigs­ten Abschnitt des Hima­la­ya High­ways

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Los geht es am Flug­ha­fen von Luk­la: Eine Trä­ge­rin – mit 48 Litern Cola und 24 Litern Bier – und Tou­ris­ten auf dem Weg

Wie konn­te das pas­sie­ren? Plötz­lich prä­sen­tiert uns unser Gui­de Som einen jun­gen Kerl und erklärt in sei­nem knor­ri­gen, nicht immer leicht ver­ständ­li­chen Eng­lisch: “You. Por­ter.” Es dau­ert eini­ge Momen­te, bis wir kapie­ren: Der Jun­ge, der da vor uns steht und aus­sieht, als wäre er ges­tern 15 gewor­den, wird unse­ren Ruck­sack tra­gen. Susan­ne und ich pro­tes­tie­ren. Wir sind ein erfah­re­nes Paar auf Rei­sen, wir schlep­pen unse­ren Kram selbst. Wir haben extra einen Teil unse­res Gepäcks in Kath­man­du gelas­sen, nur ein klei­ner Day­pack und ein zu etwa zwei Drit­tel gefüll­ter Trek­king­ruck­sack beglei­ten uns in den Hima­la­ya. Am Flug­ha­fen wur­de alles noch gewo­gen, 13 Kilo­gramm sind doch nix. Und haben wir nicht auch eine Ehre?

Doch dann beu­gen wir uns der Erkennt­nis, dass wir a) tat­säch­lich bes­ser foto­gra­fie­ren und notie­ren kön­nen, ohne Gepäck auf den Schul­tern, und dass b) der Jun­ge von dem Geld lebt. Nepal zählt zu den ärms­ten Län­dern der Welt, laut Aus­wär­ti­gem Amt beträgt das jähr­li­che Pro-Kopf-Ein­kom­men 626 US-Dol­lar  – soll hei­ßen, das monat­li­che Durch­schnitts­ein­kom­men liegt bei 40 Euro. Wir wol­len mehr zah­len, aber unser Gui­de sagt: „No“. Was eine absur­de Situa­ti­on. Nor­ma­ler­wei­se ver­sucht man einen Preis run­ter­zu­han­deln. Wir aber wol­len mehr geben. Som akzep­tiert es nicht. Wir dür­fen die Prei­se nicht kaputt machen. Und so ver­stän­di­gen wir uns auf 30 Euro. Für eine Woche Trä­ger­leis­tung. So lan­ge wer­den wir unter­wegs sein bis zu unse­rem Ziel, dem Klos­ter Teng­bo­che. Das ein spi­ri­tu­el­ler Ort sein und einen fan­tas­ti­schen Blick auf den Mount Ever­est bie­ten soll. Bis dahin wer­den wir uns auch an das selt­sa­me Gefühl gewöhnt haben, hin­ter dem eige­nen Ruck­sack her­zutrek­ken.

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Ein­fach, bunt, kon­trast­reich: Durch Luk­la kom­men rei­che Expe­di­tio­nen, ein Mäd­chen badet in einer Schüs­sel

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Unge­wohn­ter Anblick: vor uns unser Ruck­sack und steil auf­ra­gen­de, noch über­ra­schend grü­ne Berg­flan­ken

Aber das passt zu unse­rer Ver­weich­li­chung: Das Zelt haben wir zurück gelas­sen, wir wer­den in Lodges schla­fen. Und weil es gut aus­ge­stat­te­te Lodges sind, lie­gen auch die Dau­nen­schlaf­sä­cke in Kath­man­du. Kom­fort-Trek­king heißt die­se Art in den Ber­gen zu wan­dern im Pro­gramm des Ver­an­stal­ters DAV Sum­mit Club. Es macht den Hima­la­ya zum Aben­teu­er auch für Frei­zeit-Alpi­nis­ten wie uns.

Puris­ten rümp­fen dar­über die Nase, die zel­ten oder woh­nen in einer ein­fa­chen bil­li­gen Unter­kunft. Es gibt vie­le ein­fa­che, bil­li­ge Unter­künf­te im Hima­la­ya. Doch wie wir spä­ter noch erfah­ren wer­den, haben man­che Ein­hei­mi­sche den Ein­druck, die Berg­stei­ger sind an der Land­schaft und den Men­schen kaum inter­es­siert, sie wol­len nur Gip­fel erobern. Wan­de­rer wie wir aber brin­gen Geld, schla­fen in wei­chen Bet­ten, essen gut, und las­sen den inzwi­schen leich­ten Ruck­sack auch noch tra­gen. Und der klei­ne Por­ter schul­tert das schwar­ze Mam­mut-Mons­trum als wäre es ein Brot-Beu­tel für die Schu­le.

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Kon­trol­le und Respekt: Am Orts­aus­gang zei­gen wir unse­re Per­mits. Gebets­müh­len und Manist­ei­ne umgeht man links

Wir gehen durch Luk­la. Das Dorf ist ganz auf Trek­ker aus­ge­rich­tet, es gibt Stän­de und Shops mit Out­door-Gear, Cafés mit frei­em Wifi und Unter­künf­te, die Namen tra­gen wie “North Face Guest­house”. Die Häu­ser sind ein­fach, grau­er Natur­stein und strah­len­de blaue Tür- und Fens­ter­rah­men. Ein Kind badet in einer Schüs­sel auf der Stra­ße. Und Trä­ger buckeln Lebens­mit­tel, Geträn­ke und alles mög­li­che in Rich­tung Ever­est-Gebiet.

Am Kon­troll­punkt, an dem wir die Trek­king-Per­mits vor­zei­gen müs­sen, ver­las­sen wir das bun­te und quir­li­ge Dorf, des­sen Him­mel erfüllt ist vom Heu­len der Pro­pel­ler­ma­schi­nen, die im Minu­ten­takt auf dem Flug­ha­fen lan­den. Jetzt beginnt der Hima­la­ya-High­way. Der Weg aus Stei­nen, Stein­plat­ten und Sand ist leicht zu gehen und ver­langt den­noch vol­le Auf­merk­sam­keit, beson­ders die vie­len Stu­fen, über die es auf den ers­ten Kilo­me­tern stän­dig berg­ab geht. Wenig Gele­gen­heit, die Land­schaft zu genie­ßen. Nur hin und wie­der sehen wir zu den Berg­rie­sen auf, die in den blau­en Him­mel ragen. Oder wir blei­ben auf einer der schwan­ken­den Seil­brü­cken ste­hen, die immer wie­der das Tal mit sei­nem rei­ßen­den Fluss que­ren. Die Son­ne scheint. Ein per­fek­ter Tag.

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Hel­den der Arbeit: Die Por­ter ver­sor­gen die Berg­welt mit Lebens­mit­teln und Bau­ma­te­ri­al. Wir spre­chen mit vie­len Trä­gern, der Jun­ge mit dem Holz buckelt 125 Kilo. An eigens ein­ge­rich­te­ten Hal­te­stel­len wird gedad­delt und geraucht

Auf den ers­ten Kilo­me­tern dann eine ers­te Übung in Demut. Wäh­rend wir hin­ter unse­rem Gui­de Som herstak­sen, der ein ruhi­ges Tem­po ein­schlägt, über­ho­len uns die Por­ter. Wäh­rend unse­re Füße in Top-Wan­der­stie­feln ste­cken, tra­gen die Por­ter aus­ge­latsch­te Turn­schu­he oder gar Flip­flops. Und wäh­rend wir für unse­re 13 Kilo einen Hel­fer haben, buckeln die Por­ter gewal­ti­ge Las­ten an uns vor­bei: Ber­ge von Dosen­bier, Gas­fla­schen, Bau­holz und Säcke voll Knob­lauch.

Im Hima­la­ya wird fast alles von Men­schen getra­gen. Es gibt kei­ne Stra­ßen, Heli­ko­pter sind zu teu­er. Ein Por­ter, so erfah­ren wir, erhält pro Kilo­gramm und Tag 60 Rupi­en, cir­ka 50 Cent. Schon des­halb schlep­pen die Män­ner (es gibt auch eini­ge weni­ge Frau­en in die­sem Beruf) so schwer, bis zu 125 Kilo­gramm hän­gen an ihren Köp­fen, meist wird die Last an einem Stirn-Rie­men fixiert. Por­ter im Tou­ris­mus erhal­ten eine Tages­pau­scha­le von bis zu 1000 Rupi­en. Aus die­sem Grund ist unser Trä­ger auch recht ver­gnügt, hüpft fei­xend neben sei­nen Schlep­per-Kum­pels her. Sie ken­nen sich alle unter­ein­an­der.

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Kei­ne Kon­kur­renz für die Por­ter: Teu­re Last­tie­re – wie die­ses Rind – wer­den höchs­tens von Aus­län­dern gebucht

Die letz­te Stun­de des Trek­kings ist beschwer­lich. Nach­dem uns die Stre­cke lan­ge berg­ab geführt hat, geht es nun ste­tig auf­wärts. Wir müs­sen ganz schön hecheln in der dün­nen Luft. Eine schwer bela­de­ne Yak-Her­de drängt sich an uns vor­bei, ein Schrank auf zwei Bei­nen über­holt uns, an einem Hal­te­punkt steht eine Grup­pe Por­ter, sie hören laut Musik aus einem Han­dy, lachen, rau­chen.

Und dann fängt es an zu reg­nen. Es ist bereits spä­ter Nach­mit­tag, wir haben wohl etwas zu lan­ge gequatscht in Luk­la. Jetzt bricht die Däm­me­rung über uns her­ein. Als wir Mon­jo errei­chen, beginnt es zu reg­nen. Das Berg­dorf liegt im Schat­ten des 6782 Meter hohen Kan­te­ga. Dun­kel­grau zeich­net sich des­sen Sil­hou­et­te gegen den Him­mel ab. Erst mor­gen früh wer­den wir des­sen gan­ze Schön­heit zu sehen bekom­men. Wir errei­chen die Ever­est Sum­mit Lodge. Nach einer war­men Dusche wird das Abend­essen ser­viert: Dal Bhat. Das tra­di­tio­nel­le Gericht besteht aus einer Por­ti­on Reis auf einem gro­ßen Kup­fer­tel­ler, dar­auf ste­hen noch drei klei­ne Schüs­seln mit kräf­tig gewürz­tem Gemü­se, mil­dem Geflü­gel­cur­ry und einer schar­fen Lin­sen­sauce. Man mischt es Bis­sen für Bis­sen neu. Sehr lecker.

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Ein­fach, nahr­haft, scharf: Dal Bhat heißt das Natio­nal­ge­richt aus Reis, Spi­nat, Gemü­se, Lin­sen, Fleisch und Gewürz­pas­te

Um 21 Uhr gehen wir zu Bett und ler­nen eine wei­te­re Eigen­heit der Häu­ser im Hima­la­ya ken­nen – sie haben kei­ne Hei­zung. Abends fal­len die Tem­pe­ra­tu­ren bis auf den Gefrier­punkt. Unser Zim­mer ist kalt, das Bad auch. Nur das Bett nicht. Eine elek­tri­sche Heiz­de­cke macht es zur Insel der Wär­me. Wir kuscheln uns hin­ein und lau­schen in die Berg­welt. Sie ist gleich­zei­tig eng und beklem­mend, weit und groß. Sie ist erha­ben und macht­voll. Sie ist beängs­ti­gend und ermu­ti­gend. Sie hat gro­ße Kraft und ver­mit­telt eine unfass­ba­re Ruhe. Spürst du es?

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Mon­jo am Mor­gen: Der Kan­te­ga ragt hin­ter der Ever­est Sum­mit Lodge auf. Des­sen Team ver­ab­schie­det sich von uns

 

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Antworten

  1. Avatar von carolin
    carolin

    Hal­lo Susanne&Dirk!
    Vie­len Dank für den schö­nen Bericht! Könnt ihr den Ver­an­stal­ter DAV Sum­mit Club emp­feh­len und wel­che Tour hat­tet ihr gebucht? Was für ein Fit­ness­le­vel habt ihr »mit­ge­bracht«? Lie­ben Dank für eure Hil­fe!

    1. Avatar von Susanne & Dirk

      Lie­be Caro­lin,
      sor­ry für die ver­spä­te­te Rück­mel­dung (aber 2014 fängt so stres­sig an wie 2013 auf­ge­hört hat). Du hat­test nach dem DAV Sum­mit Club gefragt. Und wir schul­den dir noch eine Ant­wort:

      Wir kön­nen den Ver­an­stal­ter guten Gewis­sens wei­ter emp­feh­len. Ein deutsch­spra­chi­ger, gut orga­ni­sier­ter Hau­fen ist in einem chao­ti­schen Land wie Nepal schon sehr hilf­reich. Zudem hat der Sum­mit Club viel Erfah­rung, ist seit vie­len Jah­ren am Hima­la­ya prä­sent. Auch das ist von Vor­teil.

      Wir haben eine Rei­se gemacht, die so jetzt nicht mehr ange­bo­ten wird, am ehes­ten ent­spricht ihr die­ses Ange­bot (http://tinyurl.com/oc9lnut); sowohl von der Rei­se­dau­er als auch von der Rou­te in den Ber­gen. Wir hat­ten aller­dings zwei Tage weni­ger Hima­la­ya, dafür drei Tage mehr in Nepals Süden.

      Was die Kon­di­ti­on betrifft. Man muss nicht beson­ders leis­tungs­fä­hig sein, außer dass man selbst­ver­ständ­lich aus­rei­chend Fit­ness mit brin­gen soll­te, meh­re­re Tage hin­ter­ein­an­der meh­re­re Stun­den zu wan­dern. Auf die Höhe kann man sich ohne­hin nicht vor­be­rei­ten, das Sum­mit Club-Team geht aller­dings sehr kon­trol­liert vor, man hat immer genug Zeit, sich zu gewöh­nen.

      Was planst du? Wel­che Rei­se schwebt dir vor? Lass gern von dir hören.
      Viel Spaß jeden­falls wün­schen
      Susanne&Dirk

  2. Avatar von markus

    tol­ler bericht ueber die­se – in jeder hin­sicht – ein­ma­li­gen welt dort oben. ich erin­ne­re mich gut, wie ich auf glei­chem weg hoch zum ever­est bc von sher­pas in flip­flops ueber­holt wur­de… man staunt da nicht schlecht…

    1. Avatar von Dirk

      Schön, dass dir unser Stück gefällt. Und beru­hi­gend, dass es dich auch ein wenig erschüt­tert hat, wenn ein Turm Geträn­ke­do­sen über­hol­te. Dass die Por­ter dann auch noch rauch­ten, wo man sich ohne­hin schon keu­chend hin­auf schlepp­te…
      Gruß Susanne&Dirk

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