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Gelegentlich kann ich in der Fremde finden, wonach der Reisende sich sehnt. Sie ist da, verbirgt sich dort, tapfer, beherzt. Wenn alles unverständlich wird, verwirrend und breiig. Wenn man sich retten muss. Dann braucht es ein Zimmer, dessen Besitz man mit niemandem teilt, das man restlos beansprucht. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Blatt und Stift. Nicht mehr. Kein Fernseher, kein Netz, nichts empfangen. Wer jetzt eine Aussicht zugeteilt bekommt – keine, die auf die Strasse geht –, einer Himmelsrichtung entgegen, aus der keine Laute dringen, niemand dich sehen kann, der wird von besonderem Glück umspült. Zum Alleinsein: die Stille, das Abnabeln von der Welt, mitten in ihr. Von dort, wo bis eben sich noch hunderte Gesichter herumtrieben. Versinken, hinabtauchen zu den Gedanken, das Loslassen von der sogenannten Wirklichkeit. Die Ruhe des Raums einziehen und die tröstliche Kühle spüren. Auch die des Biers. Nachtanken.
Noch in der Kulisse der Wirklichkeit wartend, empfing mich der Mann an der Rezeption meines Hotels in Hanoi. Er ahnte von meiner Sehnsucht und teilte ein Zimmer im obersten Stockwerk zu, das – seiner Erzählung nach – allem Verlangen eines Reisenden am Ausgang dieses Tages genügte. Es gelang, den Mann um ein paar tausend Dong runterzuhandeln, die ich später an der Bar investierte. Wer die Straßen von Vietnam bereist und ankommt, der hat ein Recht auf einen Raum. Auch Ausblick versprach das Zimmer. Als ich oben angekommen die Gardinen zur Seite schob, um mich mit Fernsicht aufzumuntern, schlug ich jäh auf dem Boden vietnamesischer Tatsachen auf. Ich wusste um die Parallelen in der Geschichte Vietnams und meiner Heimat. Doch dieser Anblick legte einen anderen Schluss nahe: Das Fensterversprechen war eine Finte. Es war wohl da und ließ sich öffnen, doch gleich hinter dem Glas setzten Ziegelsteine meinen gierigen Schweifblicken einen abrupten Horizont. Und so kam ich mir vor, wie in einem Berliner Wohnhaus der Bernauer Straße vor der Wende, und sog – zufrieden, mit blindem Blick, mitten in Hanoi – die Stille dieses Raums ein.
In 14 Texten um die Welt!
Tag 1: Im Balkan
Tag 2: Damaskus, Syrien
Tag 3: Petra, Jordanien
Tag 4: Sierra Leone
Tag 5: Kapstadt, Südafrika
Tag 6: Deception Island, Antarktis
Tag 7: La Paz, Bolivien
Tag 8: Havanna, Cuba
Tag 9: Tijuana, Mexiko
Tag 10: Melbourne, Australien
Tag 11: Sulawesi, Indonesien
Tag 12: Hanoi, Vietnam
Tag 13: Don Det, Laos
Tag 14: Bhutan
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Antworten
Lieber Markus!
Schön, von Dir zu lesen. Hoffentlich geht es Dir gut, Du bist gesund und hast immer wieder ein stilles Zimmer, inmitten der vielen lauten und bunten Reiseeindrücke. Wo steckst Du im Moment?
Lass es Dir gut gehen und pass auf Dich auf!!!Gabi (von den Tagebuchschwestern)
stille raeume sind in marrakesch rar. dafuer gibt es umso mehr geschichten zu erzaehlen. bald. bis dahin, gabi!
lach. so gings mir auch. aber das Bad in dem ich eine Stunde lang eingesperrt war.. das hatte Aussicht. Und Ruhe =)
Hallo Markus,
je länger man auf etwas schaut, um so mehr sieht man. 🙂
Ich hätte vielleicht ein Bild gekauft und angebracht. Oder die Wand bemalt.
Vielleicht kann ich das ja bei meinem nächsten Besuch in Hanoi für dich machen. 😀tommes, ich habe wirklich sehr lang hingesehen.
bitte, schick mir dein foto aus hanoi!
Solange die Tür noch aufgeht und nicht plötzlich zugemauert ist, ist ja alles in Ordnung 😉
da hast du wohl recht, nina, alles gut also…
Ja, genau das ist Hanoi´s Charme…
…und man will sich kaum dagegen wehren. ich mag ihn.
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