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Tag 12: Stille im Raum

Gele­gent­lich kann ich in der Frem­de fin­den, wonach der Rei­sen­de sich sehnt. Sie ist da, ver­birgt sich dort, tap­fer, beherzt. Wenn alles unver­ständ­lich wird, ver­wir­rend und brei­ig. Wenn man sich ret­ten muss. Dann braucht es ein Zim­mer, des­sen Besitz man mit nie­man­dem teilt, das man rest­los bean­sprucht. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Blatt und Stift. Nicht mehr. Kein Fern­se­her, kein Netz, nichts emp­fan­gen. Wer jetzt eine Aus­sicht zuge­teilt bekommt – kei­ne, die auf die Stras­se geht –, einer Him­mels­rich­tung ent­ge­gen, aus der kei­ne Lau­te drin­gen, nie­mand dich sehen kann, der wird von beson­de­rem Glück umspült. Zum Allein­sein: die Stil­le, das Abna­beln von der Welt, mit­ten in ihr. Von dort, wo bis eben sich noch hun­der­te Gesich­ter her­um­trie­ben. Ver­sin­ken, hin­ab­tau­chen zu den Gedan­ken, das Los­las­sen von der soge­nann­ten Wirk­lich­keit. Die Ruhe des Raums ein­zie­hen und die tröst­li­che Küh­le spü­ren. Auch die des Biers. Nach­tan­ken.

Noch in der Kulis­se der Wirk­lich­keit war­tend, emp­fing mich der Mann an der Rezep­ti­on mei­nes Hotels in Hanoi. Er ahn­te von mei­ner Sehn­sucht und teil­te ein Zim­mer im obers­ten Stock­werk zu, das – sei­ner Erzäh­lung nach – allem Ver­lan­gen eines Rei­sen­den am Aus­gang die­ses Tages genüg­te. Es gelang, den Mann um ein paar tau­send Dong run­ter­zu­han­deln, die ich spä­ter an der Bar inves­tier­te. Wer die Stra­ßen von Viet­nam bereist und ankommt, der hat ein Recht auf einen Raum. Auch Aus­blick ver­sprach das Zim­mer. Als ich oben ange­kom­men die Gar­di­nen zur Sei­te schob, um mich mit Fern­sicht auf­zu­mun­tern, schlug ich jäh auf dem Boden viet­na­me­si­scher Tat­sa­chen auf. Ich wuss­te um die Par­al­le­len in der Geschich­te Viet­nams und mei­ner Hei­mat. Doch die­ser Anblick leg­te einen ande­ren Schluss nahe: Das Fens­ter­ver­spre­chen war eine Fin­te. Es war wohl da und ließ sich öff­nen, doch gleich hin­ter dem Glas setz­ten Zie­gel­stei­ne mei­nen gie­ri­gen Schweif­bli­cken einen abrup­ten Hori­zont. Und so kam ich mir vor, wie in einem Ber­li­ner Wohn­haus der Ber­nau­er Stra­ße vor der Wen­de, und sog – zufrie­den, mit blin­dem Blick, mit­ten in Hanoi – die Stil­le die­ses Raums ein.

hanoi-fensterlos

 

 

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In 14 Texten um die Welt!

Tag 1: Im Bal­kan
Tag 2: Damas­kus, Syri­en
Tag 3: Petra, Jor­da­ni­en
Tag 4: Sier­ra Leo­ne
Tag 5: Kap­stadt, Süd­afri­ka
Tag 6: Decep­ti­on Island, Ant­ark­tis
Tag 7: La Paz, Boli­vi­en
Tag 8: Havan­na, Cuba
Tag 9: Tijua­na, Mexi­ko
Tag 10: Mel­bourne, Aus­tra­li­en
Tag 11: Sula­we­si, Indo­ne­si­en
Tag 12: Hanoi, Viet­nam
Tag 13: Don Det, Laos
Tag 14: Bhu­tan

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Gabi
    Gabi

    Lie­ber Mar­kus!

    Schön, von Dir zu lesen. Hof­fent­lich geht es Dir gut, Du bist gesund und hast immer wie­der ein stil­les Zim­mer, inmit­ten der vie­len lau­ten und bun­ten Rei­se­ein­drü­cke. Wo steckst Du im Moment?
    Lass es Dir gut gehen und pass auf Dich auf!!!

    Gabi (von den Tage­buch­schwes­tern)

    1. Avatar von markus

      stil­le raeu­me sind in mar­ra­kesch rar. dafuer gibt es umso mehr geschich­ten zu erzaeh­len. bald. bis dahin, gabi!

  2. Avatar von Mah

    lach. so gings mir auch. aber das Bad in dem ich eine Stun­de lang ein­ge­sperrt war.. das hat­te Aus­sicht. Und Ruhe =)

  3. Avatar von Tommes
    Tommes

    Hal­lo Mar­kus,
    je län­ger man auf etwas schaut, um so mehr sieht man. 🙂
    Ich hät­te viel­leicht ein Bild gekauft und ange­bracht. Oder die Wand bemalt.
    Viel­leicht kann ich das ja bei mei­nem nächs­ten Besuch in Hanoi für dich machen. 😀

    1. Avatar von markus

      tom­mes, ich habe wirk­lich sehr lang hin­ge­se­hen.
      bit­te, schick mir dein foto aus hanoi!

  4. Avatar von Nina

    Solan­ge die Tür noch auf­geht und nicht plötz­lich zuge­mau­ert ist, ist ja alles in Ord­nung 😉

    http://alongsunnymoon.blogspot.com

    1. Avatar von markus

      da hast du wohl recht, nina, alles gut also…

  5. Avatar von Alex

    Ja, genau das ist Hanoi´s Charme…

    1. Avatar von markus

      …und man will sich kaum dage­gen weh­ren. ich mag ihn.

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