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Der Herbst macht alles still. Wie das Laub auf den Gehwegen liegt er dumpf über der Welt, und verdeckt alle Worte, die es doch galt, aufzuschreiben.
Es ist Oktober. Und ich sitze zwischen Stühlen.
In nur drei Monaten breche ich wieder auf, ziehe ich wieder los, gehe ich wieder auf Reisen.
Wieder ein neues Jahr.
Wieder ein neues Abenteuer.
Wieder weg von zu Hause.
Zu Hause. Ja, ich weiß noch, wo das ist.
Zu Hause ist einer der beiden Stühle, zwischen denen ich sitze.
Zu Hause ist Geborgenheit; mein Bett, von dem aus ich hier schreibe; der Kaffeemann an der Ecke, der weiß wie ich meinen Kaffee mag; der Park direkt vor meiner Tür; meine Schreibmaschine Klick-Klick-Ding; Freunde, neue und alte, die mir fehlen werden; Familie, die ich am liebsten einpacken würde.
Manches Mal dachte ich in den letzten Jahren, ich sei wie die Schnecke, die einfach auf dem Rücken trägt, was sie zu Hause nennt.
Mit Rucksack in die Welt und zu Hause im Herzen.
Aber ich bin nicht wie die Schnecke. Mir werden Dinge, Menschen! fehlen, wenn ich bald wieder gehe. Und irgendwo in diesem Satz liegt unermesslich großes Glück.
Und gäbe es nicht den zweiten Stuhl, ja dann säße ich auch nicht dazwischen, dann säße ich ganz fest im Sattel und würde baden in dem Glück.
…Oder würde ich nicht?
Der zweite Stuhl ist schließlich Abenteuer! Freiheit! Neue Ufer und Gesichter, die ich noch nicht kenne!
Ja, verdammt. Es zieht mich wieder raus in die Welt. Mein Kopf arbeitet erst richtig, wenn ich nicht mehr weiß, wo er mir steht. Ich möchte Dinge sehen; Orte besuchen; neues lernen und besser verstehen; ich möchte stillschweigend zuhören und lauthals mitlachen; ich möchte so viel von all dem sehen, was Mark Twain in seinen Büchern schrieb und vielleicht noch ein bisschen mehr.
Ich wollte immer alles sein.
Niemals konnte ich mich für eine Sache entscheiden. Ich fand Gefallen an so vielen Dingen, Berufen, Orten, Menschen. Ich wollte alles wissen, alles machen, alles sehen.
Und sie sagten mir, das ginge nicht. Das sei nicht möglich, sagten sie. Ich hätte schließlich nur das eine Leben. Ich müsse mich entscheiden für nur einen Bonbon aus dem bunten Bonbonglas.
Es bliebe keine Zeit, um all die Leben zu leben, die sich theoretisch leben ließen.
Und das stimmt, das ist tatsächlich wahr. Ich kann nicht australische Schafe in einem Berliner Hinterhof züchten, während ich Ukulele-Konzerte am Strand von Sibirien gebe. Oder zumindest wäre es äußerst schwierig.
Aber es gibt ein Hintertürchen. Ja, es gibt da einen Weg: Ich kann all die Menschen treffen, die all die Dinge tun, die ich gern tun würde, wenn ich mehr Zeit hätte als nur ein Leben lang.
Ich kann ihre Geschichten hören, sie einpacken und mitnehmen und aus meiner Sicht erzählen.
Dafür brennt mein kleines Herz.
Und so sitze ich nun, zwischen Geborgenheit und Abenteuer.
Im Herbst vor neuen Reisen.
Noch nicht ganz weg, aber auch nicht mehr ganz da.
Hungrig nach Geschichten. Und durstig nach Heimkehr.
Erschienen am
Antworten
Auch mich plagt das Fernweh. Zwar weiß ich, dass das Fernweh bei mir kein Heimweh im Grunde ist, nichtsdestotrotz bin ich doch immer unruhig, wenn die nächste Reise nicht greifbar oder noch zu weit weg ist. Und auch die Stunden im Büro, während draußen das Leben passiert und ich in dieser winzigen, abgeschotteten Welt existiere, ist mir der schlimmste Graus. Was können wir dagegen nur tun…!?
Herzliche Grüße 🙂
Wunderbar geschrieben. Ohne in der Situation zu sein, kann ich sie durch deinen Beitrag nachfühlen.:-)
Ich kann dieses sitzen zwischen zwei Stühlen gut verstehen. Liebe neue Plätze zu besuchen aber auch altbekannte. Aber auch zuhause lässt es sich gut aushalten
Sehr gelungener Blog!! Wir bauen uns auch gerade einen Reiseblog auf und merken wie viel Arbeit das ist! Gratulation, gute Arbeit! Viel Erfolg, weiterhin!
Ganz große Literatur…
Ganz großes Kompliment. Danke, Jan.
Wunderschön wie du dieses Gefühl beschreibst! Und so vertraut…
Danke auch dir, Heike.
Ich danke euch. Schön, dass der Text euch gefällt 🙂
Lieben Gruß,
Gesahaaaaach jaaaaa.… du sprichst mir aus der seele.
herbst in deutschland ist irgendwie etwas ganz schönes, das wirdmir gerade diesen herbst erst bewusst.
ich sitze gerade etwas mehr auf dem einen stuhl, aber es fühlt sich komisch an, weil der andere dann weiter weg erscheint, obwohl er doch irgendwie so greifbar nah ist…Einer der schönsten Gedanken, die ich zu diesem Leben zwischen Fern- und Heimweh bisher gelesen habe. Richtig toll geschrieben! Kann ich sehr gut nachvollziehen. Schreib weiter! Du kannst was! Sonnige Grüße aus Buenos Aires, Alexander 🙂
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