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Knackend bohren sich die metallischen Zacken in das Eis unter meinen Füßen. Mit größerer Anstrengung als üblich, hebe ich meinen Fuß, reiße die Zacken aus ihrer Verankerung und mache den nächsten, knirschenden Schritt. Das laufen mit Steigeisen ist noch etwas ungewohnt. Jeder Schritt eine Konzentrationsfrage.
Auf dem Gletscher Viedma, in der Nähe des kleinen Bergsteigerdorfs El Chaltén, bekommen wir die Gelegenheit zu einem Spaziergang auf ewigem Eis. So staksen wir etwas unbeholfen auf unseren mit metallenen Stacheln ausgestatteten Füßen über den Gletscher und bohren mit jedem Schritt kleine Löcher in seine Oberfläche. Doch schon bald werden unsere Bewegungen mit dem ungewohnten Schuhwerk sicherer.
Wir machen uns auf den Weg über die schmutzige Gletscherzunge. Der Viedma leuchtet keineswegs in strahlendem Blau und Weiß, wir man es von einem Gletscher erwartet. Aus den Anden kommend bringt er jede Menge Gesteinsmaterial mit sich. Kleine Staubkörner, Schotter und faustgroße Steine liegen überall auf seiner Oberfläche verstreut oder sind nur wenige Zentimeter darunter im Eis eingeschlossen. An vielen Stellen ist der Untergrund so schmutzig und grau, dass er kaum als Eis zu erkennen ist.
Lange Risse, deren Tiefen kaum auszumachen sind, ziehen sich über den Gletscher und immer wieder müssen wir die Schneedecke prüfen, um nicht plötzlich in einer Gletscherspalte zu verschwinden. Zerklüftete, scharfkantige Eiswände ragen um uns empor und je weiter wir ins Innere des Gletschers eindringen, desto unwirklicher wird die Umgebung. Wir befinden uns mitten auf hoher stürmischer See. Nur, dass diese eingefroren ist. Riesige Wellen ragen zu beiden Seiten über uns auf und verharren in der Höhe, ohne über unseren Köpfen zusammenzubrechen.
Als wir mit etwas Mühe einen der Wellenberge besteigen, kommt es plötzlich zu einem Wetterumschwung. War der Himmel eben noch strahlend blau, so ziehen jetzt dunkle Wolken auf und in Sekundenstelle stehen wir mitten im Sturzregen. Zunächst fallen nur ein paar Tropfen, doch bald prasselt unangenehmer Eisregen auf uns herab. Wir flüchten in eine kleine Höhle im Eis. Nass und frierend finden wir kurzzeitig Unterschlupf bis wenig später die Sonne ihrer Platz am Himmel zurückerobert.
Auf einer kleinen Anhöhe machen wir unvermittelt Stopp und noch bevor wir die Sicht auf die umliegende, nicht enden wollende Eismasse bewundern können, halten wir jeweils einen Becher Baileys, gekühlt mit Gletschereis, in der Hand.
Der Abschied vom ewigen Eis des Viedma naht. Zum Abschluss schnallen wir die Steigeisen von unseren Füßen und laufen ein paar Minuten über die Felsen, die noch vor wenigen Jahren vom Gletscher bedeckt waren. Im Unterschied zum schroffen, zerklüfteten Eis sind die Felsen ebenmäßig geformt. Weiche Rundungen zeugen von jahrtausendelanger Arbeit der Gletschermasse, von gewaltigem Druck.
Hinter der skurrilen Felslandschaft treffen wir auf den See Viedma, über dessen Fluten wir mit einem kleinen Fährschiff ans gegenüberliegende Ufer schaukeln. Noch einmal fährt uns der Kapitän an der 50 Meter hohen Abbruchkante des Gletschers vorbei, bevor sie, immer kleiner werdend, endgültig am Horizont verschwindet.
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Hey,
das sind aber sehr schöne Bilder. Ich habe Respekt das du dir das getraut hast. Ich glaube das es nicht für mich wäre. Aber ich fand es wohl sehr interessant um deinen Bericht zu lesen. 🙂
…mit dem richtigen Schuhwerk ist alles kein Problem 🙂
Sehr schöne Bilder. Ich damals nur auf dem Moreno Gletscher unterwegs.
Danke Steffen,
auf dem Perito Moreno muss das Ice-Trekking auch atemberaubend sein.
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