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Das war mein Traum, seit ich „Gorillas im Nebel“ gesehen habe – nun war ich da, im dichten Dschungel Ugandas auf der Suche nach den mächtigen Muskelprotzen mit dem sanften Blick.
„Sieben Meter Abstand“, flüstert Ismael und legt den Finger an den Mund. Unsere achtköpfige Trecking-Gruppe ist mitten in eine Horde Berggorillas geraten. Zwischen Bambus und tropfnassen Farnen hockt ein muskelbepackter Koloss und starrt uns unverwandt mit tiefschwarzen Augen an. Ich habe „Gorillas im Nebel“ gesehen und mache es wie Sigourney Weaver alias Gorilla-Forscherin Dian Fossey: Weggucken, sich ducken und ihn bloß nicht provozieren. „Das ist Bigingo“, höre ich Ismael leise hinter mir erklären, „einer von fünf Silberrücken in der Gruppe. Doch der Boss im Dschungel heißt Mark.“ Als hätte er seinen Namen gehört, bricht der 250-Kilo-Gigant aus dem Gebüsch, knackt einen armdicken Baum um, rempelt Bigingo zur Seite und baut sich vor uns auf. Wir halten den Atem an. Keiner rührt sich, sogar die Kameras pausieren mit ihrem Dauerklicken. Ein leibhaftiger King Kong steht vor mir. Sieben Meter Abstand hatte Ismael gesagt – doch nicht im Traum würde ich auf die Idee kommen, mich näher heranzuwagen. Nur Mark hat von der Sieben-Meter-Regel offenbar noch nichts gehört. Lässig schwenkt er seine behaarten Arme und schiebt seinen massigen Körper auf die Lichtung. Er schickt ein tiefes Grummeln in die Runde und fläzt sich geschmeidig ins Gras. Mit seinen schwarzen, ledrigen Fingern krault er sich durchs dichte Fell und schielt neugierig auf die verzagte Menschengruppe, die dicht gedrängt hinter einem wilden Kaffeebusch kauert. Mein Blick trifft seinen – doch er bleibt ganz der coole Macker. Ich glaube, King Kong mag mich. Auch Ismael atmet erleichtert durch: „Wenn Gorillas grummeln, fühlen sie sich wohl“, erklärt er und freut sich, dass wir auf eine gut gelaunte Gorilla-Familie gestoßen sind.
Schon im Morgengrauen waren drei Fährtenleser aufgebrochen, um die Gruppe Nyakagezi im tropisch grünen Regenwald im äußersten Südwesten Ugandas aufzuspüren. Die zehn Gorillas, darunter fünf männliche Silberrücken, ziehen stets gemeinsam durch den dichten Dschungel, über dem die mächtigen Virunga-Vulkane wie Götter thronen. Wir hatten Glück. Nur eine Stunde Fußmarsch vom Besucher- und Forschungszentrum des Mgahinga Gorilla Nationalparks haben die Ranger die Gruppe entdeckt. Ein Sonntagsspaziergang ist das nicht. Ismael und seine Ranger-Kollegen preschen offensichtlich regelmäßig durchs steile Gelände, denn sie legen ein beachtliches Tempo vor. Wir ächzen im Gänsemarsch hinterher, rutschen über Pfade aus rotem Lehm, kämpfen uns über steinige Pfade nach oben und lassen uns regennasse Farne ins Gesicht klatschen. Mit einer Machete bahnt Ismael den Weg durch dichte Vorhänge aus Flechten, die von den Zweigen und Stämmen hängen und durch Bambuswälder, die sich bis 3000 Meter die Vulkanhänge hochziehen. Doch Ismael hat Mitleid mit den ausländischen Gästen und ihrer Flachlandkondition. Immer wieder macht er Pause, zeigt wilde Feigen oder Waldkürbisse und weist auf den tief in der Ebene liegenden Mutanda-See, der wie eine Fata-Morgana im Morgennebel schimmert. Dann geht es weiter, die Vulkane fest im Blick, den Berg hinauf. Fast alle haben sich einen Träger aus dem nahegelegenen Dorf genommen, der für 15 US-Dollar den Rucksack mit Lunch-Paket und Wasserflasche trägt. Meiner heißt Robert und besteht darauf, meinen Bambusstock zu halten, wenn ich Pause mache. Heute haben die Träger einen leichten Job, denn die Gorillas sind weit unten geblieben. Doch häufig ziehen sie bis auf 3000 Meter den Berg hinauf, soweit, wie sie den begehrten Bambus finden. Dann stampft die Trekking-Gruppe bis zu vier Stunden hinter Ismael hinterher und die Träger schieben und ziehen, wenn das Gelände unwegsam wird und ihre Gäste die Kraft verlässt.
Doch sind die Berggorillas erreicht, ist der mühevolle Aufstieg schnell vergessen. Nur eine Stunde darf jede Menschengruppe bei den mächtigen Primaten bleiben – eine Stunde, die wie im Flug vergeht. Mark rollt sich immer noch genüsslich im Gras und kaut dabei an einer Bambusstange. Baby Mutagamba hat sich ins Dickicht verdrückt, die Weibchen kauern hinter Farnen. Nur der halbstarke Machati ist auf Krawall aus. Er schlemmt ein paar rote Ameisen und will dann zeigen, dass er ein ganzer Kerl ist. Behände eilt er auf die Lichtung und geht in Angriffsstellung – er fletscht die Zähne, rollt mit den Augen, prescht vor und versetzt dem Ranger einen Tritt gegen das Schienbein. Ein echter Flegel – das findet auch Mark. Gemächlich erhebt sich der Chef-Gorilla und dreht sich langsam zu dem Youngster um. Ein mahnender Blick reicht. Machati dreht ab und verschwindet mit gesenktem Kopf in den Büschen.
Die Stunde ist um – Ismael mahnt zum Aufbruch. Es wartet ein steiler und rutschiger Abstieg. Doch alle lächeln vor sich hin und diskutieren das Gorilla-Erlebnis. In der Volcanoes Gahinga Lodge wartet schon ein heißer Kakao am offenen Kamin. Wir sind auf 2.300 Metern Höhe, da kann es empfindlich kalt werden. Nicht alles ist perfekt hier im unwegsamen Südwesten Ugandas. Der Strom fällt regelmäßig aus und die Solarpanels schaffen es nicht, das Wasser für die Dusche zu erwärmen. Doch das stört keinen. Geduscht wird sehr komfortabel mit der Busch-Dusche, einem aufgehängten Sack, in den heißes Wasser gefüllt wird. Das Licht liefern Kerzen und gegessen wird rund um den offenen Kamin. Nur noch knapp 900 Berggorillas gibt es weltweit – 500 in den Nationalparks Mgahinga und Bwindi in Uganda, die anderen in Ruanda und in der Demokratische Republik Kongo. Dian Fossey, deren Leben im Kinohit „Gorillas im Nebel“ verfilmt wurde, hatte in den 1970er-Jahren für den Erhalt ihrer Schützlinge gekämpft. Immerhin: Sie stehen heute in den Nationalparks unter strengem Schutz, so dass Mark, Machati, Baby Mutagmaba und ihre Familienmitglieder eine Chance haben, ihr Leben (fast) unbehelligt von den Menschen und ihrer ausufernden Zivilisation in den immergrünen Regelwäldern Ostafrikas zu verbringen.
Danke an das Uganda Tourism Board für die Einladung.
Antworten
Hallo Jutta,
ein wahnsinnig schöner Beitrag von Dir! Es macht richtig Spaß sich Dein Erlebnis durchzulesen
Darf ich fragen, welches Objektiv Du hier benutzt hast? ‑Aktuell bin ich noch etwas unschlüssig, welches Objektiv ich in drei Wochen am Besten mitnehmen sollte.Vielen Dank
EvaHallo Jutta,
wirklich beeindruckende Bilder die du da gemacht hast. Ich habe vor im nächsten Jahr folgende Rundreise zu machen: chamaeleon-reisen.de/Afrika/Uganda-Ruanda/Gorilla
Besonders gefällt mir an diesem Angebot, dass 50% des Reisepreises im jeweiligen Land bleibt. Ich wollte schon immer eine Safari Afrika machen, aber nicht als Massenevent und mit möglichst wenig Einfluss auf den Lebensraum der Tiere. Ich hoffe, dass Chamäleon-Reisen das versprechen hält.Überteuerte Massentourismus-Nummer, bei der jedes Jahr zigtausend Menschen durchgeschliffen werden. Fällt leicht darauf zu verzichten.
Ähm Guidio, Uganda und Massentourismus? Da verwechselst Du wahrscheinlich etwas oder? Es dürfen nur acht Touristen pro Tag zu den Gorillagruppen…
Nein, ich verwechsle nichts. Es sind insgesamt 80 Menschen, die in dem grenzüberschreitenden Gebiet pro Tag die Gorillas belästigen = 30.000 pro Jahr. Plus Guides, Träger, Ranger, Forscher: Ca. 50.000 Menschen auf eine Handvoll »Gorilla-Familien«…
Und ja ich weiß: Derartiger »Kontakt« zu solchen Tieren ist unheimlich intensiv und ein irre berührendes Erlebnis. Genauso wie Begegnungen mit Löwen, Elefanten und anderen ikonischen Tieren. Nur ist es selten gut für die Tiere und auch kaum ein Beitrag zum Naturschutz. Kommerz und Massentourismus sind die passenderen Etiketten. Natürlich erzählt man den Touristen vor Ort rührselige Stories und gibt ihnen das Gefühl, etwas ganz außerordentlich Sinnvolles zu tun.
ja natürlich ist das auch immer eine Komponente die man betrachten muss und man kann es auch durchaus kritisch sehen. Allerdings ist die größte Bedrohung der Berggorillas die Jagd durch den Mensch und der Verlust von Lebensraum. Wenn es die Einnahmen durch das Gorilla Tracking nicht gäbe, würde es wahrscheinlich auch über kurz oder lang keine Gorillas mehr geben. 20% aller Einnahmen gehen an die umliegenden Dörfer und sorgen somit dafür, dass auch diese die Gorillas schützen wollen, weil sie Arbeitsplätze und Geld bringen. Und ja klar, in einer idealen Welt gäbe es das alles nicht und der Regenwald würde munter weiter wachsen. Aber leider leben wir da schon lange nicht mehr.
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