Geisterstadt, Hollywood-Kulisse oder doch das Paradies?

Als der klei­ne Bus japa­ni­schen Fabri­kats die Stra­ße Rich­tung Dana Vil­la­ge hin­un­ter fuhr, war ich mir nicht sicher, ob ich die­se jemals wie­der hin­auf käme, so steil war die Pis­te. Heu­te weiß ich, dass nicht die Stra­ße, das Pro­blem ist, son­dern viel­mehr das jor­da­ni­sche Dorf selbst. Denn wer dort im Tower Hotel ein­checkt, möch­te am liebs­ten für immer dort blei­ben.

Lang­sam schlän­gelt sich die holp­ri­ge Stra­ße den stei­len Abhang hin­un­ter und gibt immer mehr von dem rie­si­gen Can­yon preis. Ein Atem­be­rau­ben­des Pan­ora­ma bie­tet sich mir am Weges­rand, wäh­rend sich der Bus mit quit­schen­den Brem­sen die Kur­ven hin­un­ter­quält. Wenn ich es nicht bes­ser wüss­te, wür­de ich glau­ben, dass vor mir der Grand Can­yon liegt. Doch da ich erst am mor­gen im Wadi Rum unter Ster­nen auf­ge­wacht war, ist das aus­zu­schlie­ßen. Das Dorf Dana ist das Ziel. Laut Rei­se­füh­rer eine der Top-Desti­na­tio­nen zum Wan­dern in Jor­da­ni­en. Doch was ich von den wild durch­ein­an­der gewür­fel­ten osma­ni­schen Bau­ern­häu­sern inmit­ten wil­der Ber­ge hal­ten soll, wird mir im ers­ten Moment nicht so rich­tig klar.

Roadtrip Jordan - DanaDana Village

Auf einem klei­nen Pla­teau, kaum grö­ßer als zwei Fuß­ball­fel­der, liegt das Geis­ter­dorf und scheint sich an den hohen Fels­wän­den drum­her­um gera­de­zu fest­zu­klam­mern. War­um die Men­schen hier ihre Häu­ser errich­tet haben, scheint gera­de­zu para­dox. Die vie­len zer­fal­le­nen Häu­ser­rui­nen schei­nen dem recht zu geben – auf der stau­bi­gen und holp­ri­gen Pis­te, die die Haupt­stra­ße zu sein scheint, ist kaum eine Men­schen­see­le zu sehen. „Die leben wohl inzwi­schen alle in moder­nen Woh­nun­gen in der nächst grö­ße­ren Stadt, schießt es mir durch den Kopf. „Hof­fent­lich ist zumin­dest die Hotel­re­zep­ti­on besetzt“, den­ke ich wei­ter, wäh­rend sich der Bus mit quit­schen­den Brem­sen von einem Schlag­loch ins nächs­te quält.

Ganz falsch kann ich jeden­falls nicht sein, denn an den brö­ckeln­den Haus­ecken sind moder­ne Schil­der zu sehen, die zu den ein­zel­nen Hotels füh­ren. Und es scheint tat­säch­lich meh­re­re davon zu geben. „Dana Tower Hotel“ ist der ver­hei­ßungs­vol­le Name mei­ner Unter­kunft. „Wer­de ich etwa wie Rapun­zel in einem Turm woh­nen?“ Wohl nicht, denn gro­ße Tür­me sehe ich weit und breit nicht.

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Eine klei­ne asia­tisch aus­se­hen­de Frau steht schließ­lich vor mir. Zuge­ge­ben: Damit hat­te ich hier nun auch nicht gerech­net. „You made reser­va­ti­on“, fragt sie lächelnd und ich beja­he, wäh­rend sie das Was­ser abstellt, das gera­de noch in einem brei­ten Strahl aus dem Schlauch spritz­te um den Staub aus dem stei­ner­nen Gang zu spü­len. „Wo kommt nur das gan­ze Was­ser her?, schießt es mir unwill­kür­lich durch den Kopf. Doch die Frau ist schon hin­ter der nächs­ten Ecke, des ver­schach­tel­ten Hau­ses ver­schwun­den und deu­tet mir, ihr zu fol­gen.

Ich muss auf­pas­sen, dass ich die klei­ne Frau nicht ver­lie­re. Um immer noch eine Ecke bie­gen wir, immer noch eine ver­win­kel­te Trep­pe erklim­men wir, vor­bei an gemüt­li­chen Sitz­ecken und asia­tisch-kit­schi­gem Blu­men­schmuck, bis wir plötz­lich ganz oben ange­kom­men sind. Und da erschließt sich mir plötz­lich, war­um die Her­ber­ge Tower Hotel heißt. Aus dem Bus her­aus ist mir nicht auf­ge­fal­len, dass das Hotel das größ­te Haus im

Dorf ist. Das Zim­mer ganz oben, genau­er gesagt die Honey Moon Suite, ist also für mich reser­viert.

Aber nicht nur der Blick über den Can­yon ist in dem Zim­mer flit­ter­wo­chen­ver­däch­tig, auch das Dorf­le­ben lässt sich von hier oben wun­der­bar beob­ach­ten. Es sind näm­lich doch Men­schen in den Gas­sen zu sehen.

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Aber es sieht nicht so aus als wür­den sie dort auch leben. Der eine schleppt Was­ser­ka­nis­ter, der ande­re ein Schub­kar­re mit Fels­bro­cken. Sie bau­en das Dorf wie­der auf. 4. Mil­lio­nen Dol­lar hat eine ame­ri­ka­ni­sche Stif­tung dafür an das Dorf gezahlt und für eine eigen­ar­ti­ge Mischung aus Geis­ter­stadt und Hol­ly­wood­ku­lis­se gesorgt. Auf der einen Sei­te: Zer­fal­le­ne Häu­ser und Rui­nen, auf der ande­ren Sei­te: Neu­er Putz und neue Fens­ter in den alten Mau­ern.

Als schließ­lich die Son­ne in einem Far­ben­spek­ta­kel am ande­ren Ende des Can­yons ver­schwin­det kehrt lang­sam Ruhe ein. Zumin­dest was die Bau­ar­bei­ten angeht, denn die Arbei­ter haben sich in ihren Decken auf den Dächern der alten Häu­ser zusam­men­ge­rollt. An schla­fen ist für mich aber nicht zu den­ken. Denn Ruhe gibt es in dem ver­las­se­nen Tal, das nur von Ster­nen beleuch­tet wird, ent­ge­gen aller Erwar­tun­gen nicht. Kaum dass die letz­ten Son­nen­strah­len hin­ter den Ber­gen ver­schwun­den waren, haben Hun­de die Herr­schaft in dem Dorf über­nom­men. Oder bes­ser gesagt in der nahe gele­ge­nen Oase. Ein wil­des Gebell hallt durch das Tal, wird von den Fels­wän­den gegen­über zurück­ge­wor­fen und rollt erneut über das Dorf.

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Ob das wirk­lich nur Hun­de sind? Immer­hin soll es auch Stein­bö­cke, Füch­se und sogar Wöl­fe in dem Natur­re­ser­vat geben. Streu­nen die nachts etwas durch die Rui­nen des Dor­fes? Mir läuft ein Schau­er über den Rücken. Kann es sein, dass in dem para­die­si­schen Gar­ten, durch den ich am Nach­mit­tag noch gewan­delt war, sol­che Krea­tu­ren gibt? Dort, wo Gra­nat­äp­fel, Oli­ven und sogar wil­der Wein wächst? Hier könn­te ich für ewig blei­ben hat­te ich noch gedacht. Hier im Para­dies. Aber jedes Para­dies hat wohl sei­nen Haken.

 

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