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Natur pur, historische Städte und bester Wein – von Santiago de Compostela nach Porto – Part 2
Nach erholsamem Schlaf in des Grafens Gemächern (siehe Part 1) packe auch ich meinen Pilgerstab und versuche mich auf einem Teil des Caminho Português, dem portugiesischen Jakobsweg, allerdings in entgegengesetzte Richtung. Entlang prächtiger Hortensien und Weinberge führt mich der Weg nach Ponte de Lima, der ältesten Stadt Portugals, über die namensgebende und sagenumwobene Brücke. Wie einst der römische Prokonsul Decimus Iunius Brutus Callaicu, der seine verängstigten Legionäre einzeln per Namen über den Fluss rief, schreite ich über die imposante Steinbrücke Richtung Altstadt. Die Römer erkannten im Lima den mythischen Fluss Lethe, die Pforte zum Totenreich, die direkt ins Vergessen und in Hades Unterwelt führt, was ihr Zaudern verständlich macht. Dennoch vertrauten sie ihrem General und wagten sich tapfer voran. Ein Heer Römerstatuen in Flussnähe erinnert heute noch an die denkwürdige Begebenheit vor mehr als 2000 Jahren.
Der Norden Portugals ist nicht nur besonders grün, sondern auch sehr katholisch, was sich leicht an der hohen Dichte von Kirchen erkennen lässt, die alle gut besucht sind, vor allem sonntags. Traditionen sind hier wichtig, so tragen Witwen bis zum Lebensende schwarz. Auf der anderen Seite gilt das Minho-Tal als besonders feierfreudig und ausgehlustig. Gegessen wird viel und gut, der tolle Vinho Verde tut das seinige.
Folgt man dem Lima Richtung seiner Mündung in den atlantischen Ozean, landet man in der malerischen Stadt Viana do Castello mit ihrer berühmten Eisenbrücke, die von Gustave Eiffel entworfen wurde. Das Herz der Stadt ist der Praça da República, auf dem das alte Rathaus Pacos do Concelho und das Misericórdia-Gebäude stehen. Von hier lässt sich entspannt durch farbenfrohe Gassen schlendern, die mit raffinierten Grafittis, Pflanzen, Bändern und Regenschirmen geschmückt sind. Auch hier gibt es viele Kirchen zu entdecken, nebst prächtigen Palästen und Klöstern. Überregional bekannt ist Viana do Castello für den filigranen Goldschmuck, der hier aus winzigen Spiralen gefertigt wird. Das Herz von Viana wird vor allem von jungen Mädchen gerne an Kette oder Ohrringen getragen. Es ist ein Symbol für Großzügigkeit und Ehrlichkeit. Goldschmuck galt im Minho-Tal schon lange als wichtige Geldanlage, vor allem zur finanzielle Absicherung von Frauen. So bekommen bereits Einjährige von ihrer Großmutter goldene Ohrringe geschenkt.
Nächster Halt Barcelos, die Heimat des bekannten portugiesischen Hahns, dem „Galo de Barcelos“, einem beliebten Mitbringsel, das hier in den schönsten Variationen zu bestaunen und erwerben ist. Ein ganzes Museum ist dem sagenumwobenen Gockel gewidmet. Wer möchte kann selbst zu Farbe und Pinsel greifen und einen eigenen Galo kreieren. Der Legende nach rettete besagter Hahn einem dem Tode geweihten Jakobspilger das Leben. Jener Bauer wurde des Silberdiebstahls beschuldigt und zum Tode durch den Strang verurteilt. Vor seiner Hinrichtung bat der Unglückliche um ein letztes Gespräch mit dem Richter, der gerade dabei war, einen gebratenen Hahn zu essen. Der Bauer verkündete, dass der Hahn zum Zeichen seiner Unschuld vom Teller hüpfen und während seiner Hinrichtung krähen würde. Als der Moment der Strangulierung gekommen war, hüpfte und krähte der Hahn wie prophezeit, und der Pilger entkam seinem sicheren Tod. Wenige Jahre später kehrte dieser nach Barcelos zurück und errichtete ein Denkmal für den Heiligen Jakobus und die Jungfrau Maria.
Weiter geht es gen Süden, direkt in das erzkatholische Zentrum des Landes, nach Braga, das auch als „portugiesisches Rom“ bezeichnet wird. Vor allem in der Semana Santa, der Karwoche, ist Braga das Ziel portugiesischer Katholiken. Doch der erste biedere Anblick trügt. Neben barocken Kirchen und Palästen wartet eine äußerst lebendige Studentenstadt darauf, entdeckt zu werden. Dank ihrer großen renommierten Universität ist Braga, bezogen auf den Altersschnitt, Portugals jüngste Stadt mit einer hohen Dichte an Start-ups und einer veritablen Kultur- und Gastronomieszene. Top Sehenswürdigkeiten bleiben dennoch die stilvollen Gärten und Parkanlagen und die älteste Kathedrale der Reconquista, in der auch heute noch die Lieblingsheiligen mit Blumen, Gaben und Spenden bedacht werden, um dem Glück in der Liebe, Erfolg im Beruf oder einer schnellen Gesundung mit göttlichem Beistand nachzuhelfen. Besonders beliebt ist die Statue des Apostel Judas Thaddäus, dem Heiligen der hoffnungslosen Fälle, der in schwierigen und ausweglosen Situationen angerufen wird.
Am östlichen Stadtrand auf dem Monte Espinho thront eine der schönsten Wallfahrtskirchen Portugals und Weltkulturerbe der UNESCO, das „Santuário do Bom Jesus do Monte“, inmitten einer bezaubernden Parkanlage. Von der Bergterrasse aus habe ich einen traumhaften Blick auf Braga. Hier oben herrscht reger Betrieb, die Anlage ist ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Einheimische, und auch bei Hochzeitspaaren schwer im Kurs. Das eigentliche Heiligtum ist jedoch nicht die Kirche, sondern die barocke Treppenanlage „Via Sacra“: knapp 600 Stufen, die im Zickzack über 17 Stockwerke hinweg auf den Berg führen. Sie eignet sich auch ganz profan für ein Workout, was eine Vielzahl von Joggern beweist. Wem der Aufstieg zu beschwerlich ist, oder wer einmal ein besonderes Gefährt ausprobieren möchte, nimmt den „Elevador do Bom Jesus“, die älteste funktionstüchtige Wasserballastbahn der Welt.
Auf dem Weg Richtung Richtung Guimarães machen wir zum Mittagessen einen besonderen Stopp im „Casa de Sezim“, einem Manor House aus dem 18. Jahrhundert, mit waschechtem weinanbauenden Grafen und einer ganz besonderen Sammlung von Tapeten der exklusiven elsässischen Firma Zuber et Cie. Das Casa de Sezim ist eine von drei Locations weltweit, wo sich diese aufwändig maßgefertigten Wallpaintings betrachten lassen. Die Tapeten haben verschiedene Themen, wie etwa „Dom Quixote“, „Indien“ oder die Geschichte der Eroberung der Neuen Welt, die eins zu eins auch im Empfangsraum des Weißen Hauses von Jacky Kennedy angebracht wurde.
Obwohl Ponte de Lima die älteste Stadt Portugals ist, gilt das stolze Guimarães als die Wiege der Nation. Hier soll der erste König Portugals, Alfons I. geboren worden sein. Als Kulturhauptstadt Europas 2016 wartet die betriebsame mittelalterliche Altstadt mit zahllosen Kirchen, schiefen Gassen und farbenfrohen Azulejos, den bunt bemalten und glasierten Keramikfliesen auf. Auf dem Largo de Oliveira, dem „Ölbaumplatz“ im Zentrum der Altstadt laden zahlreiche Cafés zu einer kurzen Rast bei einem Galão oder einem Porto Tonico.
Das Ziel der Reise ist erreicht, das lebensfrohe Porto. Portugals zweitgrößte Stadt thront auf einem Hügel, ein Traum aus Granit. Mit seiner Nachbarstadt Vila Nova de Gaia ist Porto mit insgesamt sechs Brücken verbunden, die den Fluss Douro überspannen, der hier in den Atlantik mündet. Vor allem die Ponte de Dom Luís I, eine Eisenkonstruktion aus dem Jahre 1886, ist ein beliebtes charakteristisches Fotomotiv. Gut zu sehen ist sie vom Ausgehviertel Cais da Ribeira aus, wo sich Touristen und Einheimische zum Sundownder mit Brückenblick treffen. Das beste Foto von Porto lässt sich jedoch auf der anderen Seite von den Hügeln von Gaia aus schießen, wo die legendären Portweinkeller liegen, deren leuchtende Beschriftung nach einer Verkostung den Weg nach Hause weisen.
Porto ist eine Fußgänger-Stadt, und gut zu Fuß sollte man sein, denn es geht die Hänge auf und ab, durch verwinkelte Gassen, vorbei an barocken Prachtbauten, Kirchen und bunten Häusern, samt pittoresker Wäscheleine auf dem schmalen Balkon. Überall in der Stadt lassen sich tolle Azulejos entdecken, die wahrscheinlich schönsten an der Igreja de Santo António dos Congregados und im Bahnhof São Bento.
Es ist kurz nach Semesterbeginn und in der Stadt wuselt es vor junger Menschen in schwarzen Umhängen. Porto ist eine der ältesten Studentenstädte, und hier werden die Traditionen noch voll gelebt. Auch die der Praxe, die auf das 17. Jahrhundert zurückgeht: Hierbei werden die Erstsemester, die Frischlinge, von den Studenten im Dritten Jahr, den schwarz Ummantelten, mit den aberwitzigsten Prüfungen drangsaliert. J.K. Rowling, die lange Zeit in Porto lebte, zog hier einige Inspiration für ihre Harry Potter-Bücher. Apropos J.K. Rowling. Viele Orte der Stadt sind Touristenmagneten, da die Autorin hier Bücher gekauft oder an ihrem Werk gearbeitet haben soll, wie die älteste und schönste Buchhandlung der Stadt, die „Livraria Lello e Irmão“ und das „Café Majestic“. Vor der Buchhandlung steht eine meterlange Schlange an, mittlerweile kostet der Eintritt 5 Euro, was jedoch bei einem Kauf verrechnet wird. Den meisten Besuchern, die hier stundenlang auf den Eintritt warten, wird es vor allem um das gelungene Insta-Pic gehen.
Beim Streifzug durch die Gassen kommt die Kulinarik keinesfalls zu kurz. An Straßenständen locken dampfende Maronen mit einer hauchdünnen Salzschicht, und die Auslagen der Cafés bersten schier unter der Menge leckerster Süßwaren. In der „Confeitaria do Bolhão“ mache ich eine ausgedehnte Pause bei Kirschlikör und lasse mir die wunderbaren Puddingtörtchen Pastéis de Nata schmecken.
Wem das viele Gehen doch zu viel wird, der schnappt sich eine Eléctrico, eine der reizenden Trams, die aus längst vergangenen Tagen stammen und eigentlich Museumsbahnen sind. Drei Linien sind noch übrig. Die schönste, die Linea 1, fährt direkt am Ufer des Douro entlang bis zur Mündung. Der Atlantik ist hier wild, und so tummeln sich im Wasser Surfer allen Alters. Aus den Strandbars erklingt House-Musik. Die Fisch-Restaurants sind voll, und alte Männer zocken Karten und trinken Bier, während die Angler am Kai ihr Glück versuchen.
Für den Abend steht ein besonderer Augen- und Ohrenschmaus auf dem Programm, ein Fado-Dinner. Meine anfängliche Angst vor einer kitschigen Touristenfalle erweist sich als völlig unbegründet. In einem urigen Keller wird nach einem fantastischen Essen die berühmte portugiesische Schwermut, die Saudade, von einer Sängerin und einem Sänger besungen. Das Publikum lauscht schweigend und ergriffen, um zum Ende des Stückes in rauschenden Applaus und Bravo-Rufe auszubrechen. Ich muss mehr als nur eine Träne von meiner Wange wischen.
Das Schönste kommt zum Schluss. Einen Tag vor meinem Rückflug geht es auf einen Ausflug ins Douro-Tal, mit dem Auto in etwa eineinhalb Stunden, dem Zug in zweieinhalb Stunden oder auch mit dem Ausflugsboot zu erreichen. Das Douro-Tal zählt zu den schönsten Landschaften Portugals und seit dem Jahr 2001 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Steile Weinterrassen klettern zu beiden Seiten des Flusses die Hänge hinauf. Der Ausblick ist atemberaubend. Eine tolle Art die Gegend zu erkunden ist per Fahrrad. Mit dem Leihrad cruise ich in Serpentinen immer dem Douro entlang durch das herbstlich-bunte Wunderland. Das Douro-Tal ist nicht nur die bedeutendste Weinregion Portugals, sondern auch das älteste Weinbaugebiet der Welt und vielleicht auch das aller-schönste. Portwein darf nur in diesem exklusiven Herkunftsgebiet „Alto Douro“ gekeltert werden. Auf dem Weg durchs Tal unbedingt einen Stopp auf einem der weiß getünchten Weingüter einlegen oder eine Fahrt in einem traditionellen Rabelo-Boot wagen. Mit diesen Booten wurden ursprünglich die schweren Portwein-Fässer zur Lagerung nach Porto befördert. Auch die kleinen Dörfer lohnen einen Abstecher, wie zum Beispiel nach Pinhão, mit seinem mit zahlreichen Azulejos-Bildern bestückten Bahnhof der Linha do Douro-Eisenbahnstrecke.
Der Weintourismus im Douro-Tal wird immer professioneller. Viele Weingüter bieten Erlebnisgastronomie, Hotelzimmer und Spa-Anwendungen an. Für Weinfreunde und alle die es werden wollen eine ideale Destination. Der letzte Abend meiner Galicien-Portugal-Reise klingt auf dem Weingut „Quinta da Pacheca“ aus. Der Chefkoch kredenzt portugiesische Klassiker, wie „Polvo à Lagareiro“, Tintenfisch mit Kartoffeln, Grelos und ganz viel Olivenöl. Aus der benachbarten Halle ertönt Musik. Der neugierige Blick erspäht ein sagenhaftes Bild – eine Reihe untergehakter Männer stampft in kurzen Hosen und mit nackten Füßen im großen, steinernen Bottich die frisch gelesenen Trauben. Alle Rotweine werden auf dem Weingut noch auf die aufwendige, traditionelle Art gepresst. Was für ein Anblick.
Bei einem Glas rubinroten Portwein neigt sich der Abend dem Ende. Leise und ein bisschen melancholisch sage ich zum letzten Mal „Saúde! “ – auf diese verzaubernde Region, so voller Genuss, Mystik und Schönheit.
Die Recherche wurde unterstützt von Gebeco, Lufthansa und dem Tourismusministerium Galiciens. Vielen Dank für die Einladung.
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