Eine Zukunft für Vietnams Wildtiere

Mehr als 15 Mil­lio­nen inter­na­tio­na­le Tou­ris­ten, dar­un­ter über 200.000 aus Deutsch­land, haben Viet­nam im ver­gan­ge­nen Jahr besucht. Ein Anreiz, das süd­ost­asia­ti­sche Land zu berei­sen, ist für vie­le die atem­be­rau­ben­de Natur Viet­nams und sei­ne fas­zi­nie­ren­den Tier­ar­ten. Wäh­rend es an Foto-Moti­ven vor Natur­ku­lis­se nicht man­gelt – die Halong Bucht, die Ber­ge von Sa Pa oder das Mekong­del­ta sind drei Bei­spie­le –, wird die Beob­ach­tung von Wild­tie­ren zuneh­mend zu einer Her­aus­for­de­rung, obwohl Viet­nam eigent­lich ein Hot­spot der Arten­viel­falt ist. Doch die ille­ga­le Beja­gung hat die Bestän­de der hei­mi­schen Wild­tie­re der­art dezi­miert, dass die New York Times den Zustand kürz­lich mit der Über­schrift „Vietnam’s Emp­ty Forests“ tref­fend zusam­men­fass­te. Trotz die­ser bedrü­cken­den Situa­ti­on ist eine Rei­se in den Cuc Phuong Natio­nal­park, 1962 von Ho Chi Minh ein­ge­weiht und der ältes­te des Lan­des, jedem tier­af­fi­nen Viet­nam-Rei­sen­den zu emp­feh­len. Denn hier las­sen sich die Bemü­hun­gen, den Wild­tie­ren des Lan­des eine Zukunft zu ermög­li­chen, an gleich meh­re­ren Orten beob­ach­ten.

Mehrere Schutzzentren im Nationalpark

Die tur­bu­len­te Haupt­stadt Hanoi ist der Aus­gangs­punkt für die meis­ten Rei­sen­den, die den Cuc Phuong Natio­nal­park besu­chen. Nach etwa drei­stün­di­ger Fahrt in Rich­tung Süden – mit dem Auto etwas weni­ger, per Mini­bus etwas mehr – erreicht man die Tore des Natio­nal­parks, der mit einer Flä­che von 22.000 Hekt­ar in etwa so groß ist wie die deut­schen Natio­nal­parks im Harz oder Baye­ri­schen Wald. Der Cuc Phuong Natio­nal­park beher­bergt ins­ge­samt drei Schutz­zen­tren für Wild­tie­re: eines für Schild­krö­ten, ein wei­te­res für bedroh­te Pri­ma­ten und nicht zuletzt das Schutz­zen­trum der 2014 gegrün­de­ten Orga­ni­sa­ti­on Save Vietnam’s Wild­life, die seit­dem von der Welt­tier­schutz­ge­sell­schaft in Ber­lin geför­dert wird.

Der Ein­gang des Schutz­zen­trums von Save Vietnam’s Wild­life © Save Vietnam’s Wild­life

Save Vietnam’s Wild­life hat sich dem Schutz von Schup­pen­tie­ren und klei­nen Kar­ni­vo­ren – das sind Fleisch­fres­ser, haupt­säch­lich aus der Fami­lie der Schleich­kat­zen – ver­schrie­ben. Auf dem andert­halb Hekt­ar gro­ßen Gelän­de, das für Besu­cher täg­lich zwi­schen 9 und 11 Uhr sowie zwi­schen 14 und 20 Uhr geöff­net hat, las­sen sich die­se Anstren­gun­gen auf zwei­er­lei Wei­se beob­ach­ten. Zum einen kön­nen geret­te­te Wild­tie­re in natur­na­hen Gehe­gen betrach­tet wer­den, zum ande­ren bie­tet eine Aus­stel­lung in dem für Viet­nam ein­ma­li­gen Infor­ma­ti­ons­zen­trum die Mög­lich­keit, mehr über die Bedürf­nis­se der hei­mi­schen Wild­tie­re zu erfah­ren.

Das Schutz­zen­trum in einer Luft­auf­nah­me (Screen­shot aus dem Film „Viet­nam – Die letz­ten Pan­go­li­ne“)

Eine der Haupt­auf­ga­ben von Save Vietnam’s Wild­life ist es, Wild­tie­re aus schlech­ten Hal­tungs­be­din­gun­gen, z.B. dem ille­ga­len Wild­tier-han­del, zu ret­ten und im Schutz­zen­trum wie­der­auf­zu­päp­peln. Doch nicht alle Tie­re kön­nen trotz inten­si­ver Betreu­ung durch das tier­me­di­zi­ni­sche Team wie­der in die Natur ent­las­sen wer­den. Aktu­ell befin­den sich im Schutz­zen­trum daher ins­ge­samt 34 Wild­tie­re (Auf­lis­tung s.u.) in dau­er­haf­ten Gehe­gen, die sich mit ein wenig Glück auch den Besu­chern zei­gen.

Die dau­er­haf­ten Bewoh­ner des Schutz­zen­trums:

  • 6 Schup­pen­tie­re (Pol­ly, ein Malai­isches Schup­pen­tier, das in einer Schling­fal­le sei­nen Unter­schen­kel ver­lo­ren hat, sowie 5 Chi­ne­si­sche Schup­pen­tie­re)
  • 12 Zwerg­ot­ter
  • 7 Fle­cken­rol­ler
  • 4 Leo­pard­kat­zen
  • 3 Bin­tur­ongs
  • 2 Lar­ven­rol­ler
Eine von vier Leo­pard­kat­zen im Schutz­zen­trum © Save Vietnam’s Wild­life

Beliebte Binturongs

Die Lieb­lin­ge vie­ler Besu­cher sind „Mr. B“, „Mrs. B“ und „Hoi An“, die Bin­tur­ongs im Zen­trum. Die Art ist auch unter dem Namen Mar­der­bär bekannt, zählt aber eigent­lich zu den Schleich­kat­zen. In der Wild­nis ver­brin­gen sie die meis­te Zeit in den Bäu­men der tro­pi­schen Regen­wäl­der Süd- und Süd­ost­asi­ens. Lei­der wer­den Bin­tur­ongs aber noch häu­fig ein­ge­fan­gen, da sie sich leicht zäh­men las­sen und somit auch für den ille­ga­len Heim­tier­han­del attrak­tiv sind. „Mr. B“ erleb­te ein sol­ches Schick­sal und wur­de als Attrak­ti­on in einem Hotel gehal­ten, Hoi An leb­te in einem Pri­vat­zoo unter schlech­ten Bedin­gun­gen. Im Schutz­zen­trum im Cuc Phuong Natio­nal­park haben sie als Bot­schaf­ter ihrer Art eine zwei­te Chan­ce in einem natur­na­hen Gehe­ge erhal­ten.

Bin­tur­ong „Mrs. B“ in ihrem natur­na­hen Gehe­ge © Save Vietnam’s Wild­life

Hal­ten sich Besu­cher in der Nähe auf, kommt beson­ders Hoi An ger­ne an den Rand ihres Gehe­ges. Schwebt dort Pop­corn-Geruch in der Luft, so ist das nicht ver­wun­der­lich. Denn genau so riecht der Urin der Bin­tur­ongs, mit dem sie ihr Revier mar­kie­ren. Wer Mr. B beim Klet­tern beob­ach­tet, kommt vor dem Hin­ter­grund sei­ner Vor­ge­schich­te ins Stau­nen. In dem besag­ten Hotel leb­te er auf bloß einem Qua­drat­me­ter und ver­lor daher sei­ne natür­li­che Fähig­keit zu klet­tern. Erst müh­sam hat er die­se Fähig­keit in sei­nem neu­en Zuhau­se wie­der erler­nen
müs­sen, indem die Mit­ar­bei­ter Fut­ter immer höher auf die Äste in sei­nem Gehe­ge leg­ten.

Ein Chi­ne­si­sches Schup­pen­tier in einem der dau­er­haf­ten Gehe­ge. © Save Vietnam’s Wild­life

Wäh­rend sich die Bin­tur­ongs also ger­ne zei­gen, ist es deut­lich schwie­ri­ger, im Schutz­zen­trum ein Schup­pen­tier vor Augen zu bekom­men. Als nacht­ak­ti­ve Art ver­ste­cken sich die „Tan­nen­zap­fen auf vier Bei­nen“, die im Fokus der Schutz­maß­nah­men von Save Vietnam’s Wild­life ste­hen, tags­über in eigens dafür ange­leg­ten Höh­len unter ihrem Gehe­ge und wer­den erst nach Ein­bruch der Dun­kel­heit mun­ter. Daher gibt es spe­zi­el­le Füh­run­gen in den Abend­stun­den, damit Besu­cher auch die Chan­ce haben, die welt­weit ein­zi­gen Säu­ge­tie­re mit einem Horn­pan­zer zu Gesicht zu bekom­men.

Bei Abend­füh­run­gen las­sen sich auch Schup­pen­tie­re erspä­hen. © Save Vietnam’s Wild­life

Der ille­ga­le Wild­tier­han­del – Schup­pen­tie­re gel­ten als die am häu­figs­ten gewil­der­ten Säu­ge­tie­re welt­weit und wer­den vor allem wegen ihrer Schup­pen für die Tra­di­tio­nel­le Chi­ne­si­sche Medi­zin gejagt – macht umfang­rei­che Schutz­maß­nah­men für die Tie­re erfor­der­lich. Jedes Jahr nimmt das Schutz­zen­trum als eine von nur weni­gen qua­li­fi­zier­ten Ein­rich­tun­gen in ganz Asi­en hun­der­te von Schup­pen­tie­ren auf, die aus den Fän­gen von Schmugg­lern befreit wur­den. Vie­le von ihnen müs­sen Mona­te in einem der fast 70 Qua­ran­tä­ne­ge­he­ge ver­brin­gen, ehe sie sich erholt haben und in siche­ren Gebie­ten wie­der­aus­ge­wil­dert wer­den kön­nen. Der Teil des Schutz­zen­trums, in dem kürz­lich geret­te­te Schup­pen­tie­re unter­ge­bracht sind, ist für Besu­cher unzu­gäng­lich, um den Gene­sungs­pro­zess die­ser emp­find­li­chen Tie­re nicht zu stö­ren.

Schutz für die Tiere – Bildung für die Menschen

Der Ein­gang des Infor­ma­ti­ons­zen­trums © Save Vietnam’s Wild­life

Ohne den Anblick eines Schup­pen­tiers wird den­noch nie­mand das Schutz­zen­trum ver­las­sen. Denn ein über­le­bens­gro­ßes Indi­vi­du­um mit Jung­tier auf dem Rücken – aller­dings in Form einer Sta­tue – begrüßt die Gäs­te am Ein­gang des Infor­ma­ti­ons­zen­trums, das bei sei­ner Eröff­nung im Jahr 2016 ein Novum in Viet­nam dar­stell­te und noch immer sei­nes Glei­chen sucht. Ein Wild­tier­zen­trum, das Wis­sen über die hei­mi­schen Tier­ar­ten mit­tels inter­ak­ti­ver Modu­le, Spie­le und Nach­bil­dun­gen ver­mit­telt, hat­te es im Land bis dato noch nicht gege­ben. Natür­lich wer­den auch die Gefah­ren für Viet­nams Wild­tie­re nicht aus­ge­spart, damit der Besuch zum Nach­den­ken – mög­li­cher­wei­se sogar über das eige­ne Kon­sum­ver­hal­ten – anregt. Die Aus­stel­lung ver­mit­telt auf Viet­na­me­sisch und Eng­lisch, wel­che Qua­len gewil­der­te Tie­re erlei­den müs­sen und dass die bedroh­ten Tie­re natür­lich schüt­zens­wert sind – und nicht für tra­di­tio­nel­le Medi­zin oder als ver­meint­li­che Deli­ka­tes­se gejagt wer­den dür­fen.

Die inter­ak­ti­ve Aus­stel­lung im Infor­ma­ti­ons­zen­trum © Save Vietnam’s Wild­life

Im Schutz­zen­trum konn­te Save Vietnam’s Wild­life durch die Unter­stüt­zung der Welt­tier­schutz­ge­sell­schaft drei Mit­ar­bei­ter anstel­len, die aus­schließ­lich für die Bil­dungs­ar­beit zustän­dig sind. Sie füh­ren Besu­cher durch das Infor­ma­ti­ons­zen­trum und über die Anla­ge mit den ver­schie­de­nen Gehe­gen. Eine vor­he­ri­ge Anmel­dung ist nicht erfor­der­lich. Eine gute Zeit, den Cuc Phuong Natio­nal­park zu besu­chen, ist zwi­schen März und Anfang Mai. Denn dann lässt sich neben Bin­tur­ongs und Schup­pen­tie­ren auch ein klei­nes Natur­wun­der beob­ach­ten. Tau­sen­de Schmet­ter­lin­ge flat­tern zu die­ser Jah­res­zeit durch den Park und geben dem Besu­cher doch noch das Gefühl, dass Viet­nam im Grun­de ein ganz beson­ders Natur­ziel ist. Wer Hit­ze und viel Regen ver­mei­den möch­te, bereist die Regi­on am bes­ten zwi­schen Sep­tem­ber und Novem­ber.

Kin­der erfreu­en sich bei ihrem Natio­nal­park-Besuch beson­ders an der Schmet­ter­lings­pracht. © Save Vietnam’s Wild­life

Der Ein­tritt in den Natio­nal­park ist mit 60.000 Viet­na­me­si­scher Dong (2,30 €) sehr gering. Wer die drei Schutz­zen­tren besu­chen möch­te, zahlt zusätz­lich 200.000 VND (7,65 €) für einen Tour-Gui­de. Hin­wei­se zu Über­nach­tungs­mög­lich­kei­ten und wei­te­ren Akti­vi­tä­ten im Natio­nal­park bie­tet des­sen Web­site: www.cucphuongnationalpark.com

Die Welt­tier­schutz­ge­sell­schaft in Ber­lin zählt von Beginn an zu den wich­tigs­ten Unter­stüt­zern der Arbeit von Save Vietnam’s Wild­life. Im Cuc Phuong Natio­nal­park beinhal­tet dies aktu­ell u.a. die Ret­tung und tier­me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung von Wild­tie­ren, die Bereit­stel­lung von Fut­ter für die Tie­re im Schutz­zen­trum, den Bau einer tier­me­di­zi­ni­schen Kli­nik auf dem Gelän­de sowie eine umfas­sen­de Unter­stüt­zung von Kin­der- und Jugend­bil­dungs­pro­gram­men vor Ort.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter: welttierschutz.org/projekte/wildtiere/wildtiere-in-vietnam/

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