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Irgendwo in der Sahara
Ich habe irgendwann aufgehört auf meine Uhr zu gucken.
Seit Stunden reiten Hamid und ich nun schon über flimmernden Wüstensand in Richtung des Berberlagers, in dem Hamid wohnt und in dem wir die erste Nacht in der Sahara schlafen.
Mein Arsch hat noch nie so weh getan.
Scheiß Kamel.
Im gleichen Moment tut mir der Gedanke schon wieder leid und ich beuge mich auf dem schwankenden Ungetüm, das mich treu in Richtung des Lagers trägt, nach vorne und tätschle dessen Hals.
»War nicht böse gemeint, Zada. Gutes Kamel«, sage ich, während Zada in einer Art zustimmender Geste lautstark rülpst.
Zwar können wir die Jurten des Lagers schon seit einiger Zeit sehen, wirklich näher zu kommen scheinen sie allerdings nicht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit im Sattel, der sich eher so anfühlt wie eine Eisenstange, über die jemand lieblos eine Wolldecke geworfen hat, beschließe ich abzusteigen und das letzte Stück bis zum Berberlager zu laufen.
Ich werde herzlich von den acht oder neun Berbern empfangen, die im Lager leben. Allesamt Männer zwischen 15 und 50 Jahren. Das Lager selbst besteht aus fünf geräumigen Zelten und einem Gemeinschaftszelt, in das wir direkt nach der Begrüßung gehen, um zu essen. Es gibt Fisch mit Gemüse, der in einer großen Tajine auf dem Tisch steht und in die jeder einfach reingreift und sich bedient. Ich frage lieber nicht, wo sie den Fisch herhaben.
Als Dankeschön für das leckere Essen mache ich ihnen Ostfriesentee, den ich von zuhause mitgebracht habe. Mit Kamelmilch als Sahne-Ersatz. „Mucho good!“, sagt Hamid und die anderen stimmen anerkennend nickend zu. Anschließend holen sie Trommeln und Rasseln hervor, setzen sich ums Feuer und starten eine Jam-Session, die bis spät in die Nach andauert.
Bevor ich ins Bett gehe, sagt Hamid mir noch, dass ich ein wenig auf Skorpione aufpassen soll, die gerne mal unter die Decke krabbeln würden. „Die mögen es warm“, erzählt er.
Warum auch nicht, ich ja auch.
Misstrauisch halte ich noch einmal Ausschau nach irgendwelchen verdächtigen Bewegungen im Zelt, bevor ich einschlafe.
Später
Mitten in der Nacht schrecke ich plötzlich hoch. Irgendetwas hat meinen linken Fuß berührt! Ich bleibe zunächst stocksteif liegen, kann mich aber schnell wieder entspannen. War nur mein rechter.
Am nächsten Morgen werde ich von den Rülps- und Furzgeräuschen der Kamele geweckt. Ich recke und strecke mich, schüttle den Sand aus meinen Ohren und gehe zum großen Gemeinschaftszelt, wo die anderen bereits am essen sind. Es gibt frisches, auf getrockneter Kamelkacke gebackenes Fladenbrot und dazu Pfefferminztee – das Frühstück der Champions!
Ich habe mich mittlerweile an Hamids merkwürdige Ausdrucksweise gewöhnt und verstehe ihn immer mehr. Wir reden meist mit Händen und Füßen, aber haben viel zu lachen.
Er ist gerade dabei die Kamele zu satteln. Mit einem der Brunnen in der Nähe sei etwas nicht in Ordnung, den will Hamid sich angucken und hat mich gefragt, ob ich mit möchte. Einige Minuten später sitze ich also schon wieder auf dem wohl unbequemsten Fortbewegungsmittel der Welt und schaukle durch die Wüste.
Nach einiger Zeit frage ich Hamid, ob wir schon in Algerien sind. Weiß er nicht genau. Ich runzle die Stirn und frage ihn, ob wir uns verlaufen hätten, aber er beruhigt mich. Er wisse ganz genau, wo wir uns befinden, nur eben nicht in welchem Land. Grenzen spielen für ihn keine Rolle. Nicht in der Sahara. Hamid wird mir gerade noch sympathischer.
Nichtsdestotrotz gebe es auch hier Territorien, erzählt er, und seit einigen Jahren auch einige blutige Auseinandersetzungen um die territoriale Hoheit in der Wüste. Erst letzten Monat hätte eine Gruppe Tuareg aus Algerien, die wohl zu Al-Qaida gehörten, eine Touristen-Karawane ganz in der Nähe überfallen. Er fährt sich mit dem Finger über den Hals. „Köpfe abgeschnitten“, sagt er, während ich kurz auf dem Rücken meines Kamels erstarre und zu einer schaukelnden Litfaßsäule werde. Den Berbern hätten sie zum Glück nichts getan, nur den Touristen. „Zum Glück“, sage ich.
Gegen Mittag weist Hamid mich darauf hin, dass ich gar nicht richtig im Sattel sitze, sondern auf dem Eisengestell, dass den Sattel hält…
Als wir beim Brunnen ankommen, sehen wir schnell, wo das Problem liegt. Der Flaschenzug war durchgerostet. Hamid hat etwas Werkzeug und einen neuen Zug dabei, sodass wir den Brunnen relativ schnell repariert haben.
Wir übernachten in einem kleinen Außenposten des Berberlagers in der Nähe des Brunnens. Beim Absatteln der Kamele kommt plötzlich ein Mann auf mich zu, der mich mit ziemlich wirrem Gesichtsausdruck auf Arabisch volllabert. Ich bekomme einen kleinen Schreck, aber Hamid ist bereits aufgesprungen, um ihn, ebenfalls auf Arabisch, wegzuscheuchen. Der Mann rennt ein Stück in die Wüste, bleibt dann aber etwa 100 Meter weiter stehen und beginnt, um unser Lager zu laufen. „Versuch den zu ignorieren, der ist verrückt“, sagt Hamid und lässt seinen Zeigefinger neben seinem Kopf kreisen.
Schön… ein Verrückter, der nachts um mein Zelt läuft. In der gottverdammten Wüste. Als hätten die Skorpione und die algerischen Kopfabschneider nicht schon gereicht.
Ab und zu wache ich auf und habe das Gefühl, dass der Verrückte mich durch den Schlitz im Zelteingang beobachtet. Kann aber auch nur Einbildung sein.
Ich überlebe auch diese Nacht und reite am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang zurück zu den anderen. Ich bleibe noch ein paar Nächte bei ihnen, jamme abends mit ihnen im Zelt, lasse mir etwas Arabisch und Berber von ihnen beibringen und helfe ihnen tagsüber bei ihrer Arbeit. Zelte reparieren, Kamele füttern etc. Dann geht es wieder zurück nach Zagora. Ich schenke Hamid meine kleine Teedose mit dem Rest Ostfriesentee, worüber er sich sehr freut.
Dregeba, einer der Berber, begleitet mich und zeigt mir, bevor er wieder zurück in die Sahara fährt, noch eine Oase im Draa- Tal. Demonstrativ stellt er sich in immer gleicher Pose in jedes Bild, dass ich von der Landschaft schieße. Er scheint sehr gerne fotografiert zu werden.
Anschließend fragt er mich, ob ich ihm die Bilder schicken könne. Ich bejahe natürlich gerne und frage ihn wohin.
„Dregeba, Sahara“, sagt er.
„Und wie weiter?“
„Dregeba, Sahara“
„Aber die kommen doch niemals an?!“, sage ich ihm und schüttle mit dem Kopf.
„Doch, doch. Dregeba, Sahara“, sagt er abermals.
„Ohne scheiß, wenn der Postbote das sieht, schmeißt er den Brief sofort weg“, versuche ich ihm zu erklären.
„Drebega! Sahara!“, sagt er noch einmal bestimmt und gestikuliert mit der Hand einen Schlussstrich. Für ihn ist die Diskussion beendet.
„Alles klar, kann aber etwas dauern…“, sage ich ihm und er nickt lächelnd.
„Ich habe Zeit“.
Antworten
ganz herzlichen danke für den bericht, ich habe die reise förmlich miterlebt…
für weitere reisen wünsche ich dir alles gute
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