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Tahari rammt die Eisenstange in den Boden. Es fliegen gelbe Splitter durch die Luft. Wieder und immer wieder jagt er sie gezielt in den festen Schwefel, bis sich ein Stück, so groß wie ein Grabstein, ablöst. Als er den abgelösten Brocken zu Seite schiebt, löst sich unerwartet eine giftige Gaswolke und umhüllt uns im nächsten Moment mit einem dichten Nebel.
Tahari läuft aus der Gaswolke heraus. Das Atmen fällt schwer, es ätzt die Atemwege, gefolgt von einem Hustenreiz, die Augen brennen und tränen. Raus! Bloß raus aus der gelben Wolke! Doch wo hin? Artis verliert im Nebel für kurze Zeit die Orientierung, bis er Stimmen hört, an denen er sich orientiert. Ein falscher Schritt und er landet im giftigsten See der Welt.
Willkommen im Höllenschlund!
Im kleinen Ort Sempol klingelt um 3 Uhr nachts der Wecker. Für unseren nächsten Ausflug heißt es wieder früh aufstehen. Doch dieses Mal fällt das Aufstehen nicht so schwer, denn gestern sind wir früh ins Bett gegangen. Besonders viel los ist hier nicht. Wir befinden uns in einem kleinen Dorf, das vom Kaffee-An- und Abbau im Ijen Hochland lebt. Der Boden ist aufgrund der zahlreichen Vulkane, welche in Vergangenheit ihre Asche über das Land verteilt haben, sehr fruchtbar.
Doch trotz der vielen Kaffeeplantagen, gibt es mehr Arbeiter, als Arbeit da ist. Also erklären sich Männer bereit, in einem der gefährlichsten Jobs der Welt zu arbeiten: die Minenarbeiter vom Ijen.
Und genau diese Männer wollen wir kennen lernen, diesen hellblauen See wollen wir sehen und den Schwefel, der aus dem Krater empor steigt, wollen wir riechen.
Wir steigen in absoluter Dunkelheit in den Minivan und fahren tiefer in die Sperrzone hinein. Wir werden registriert. „Nur für den Notfall.“, so sagt man uns. Aber an den Notfall wollen wir jetzt nicht denken. Der Aufstieg Richtung Krater ist mühselig. Es geht steil bergauf und nur im Schneckentempo voran.
Auf halber Höhe stoßen wir auf eine alte Holzhütte und die ersten Arbeiter, die eine Raucherpause einlegen. Stolz zeigen sie uns die 50–90 kg schweren Holzkörbe, gefüllt mit gelben Brocken, die für die Pause auf zwei Stämmen abgestellt wurden, bis sie weiter in Richtung Tal transportiert werden. Wir versuchen, die Körbe zu heben, da packen sie mit an und lachen nur.
Uns zieht es weiter bergauf. Ein Hinweisschild deutet auf die Gefahr hin. Ein wenig unsicher sind wir schon, doch die Neugierde treibt uns. Je höher wir kommen, desto stärker lässt die Vegetation nach. Seit dem Ausbruch 1936 wächst hier kein Baum mehr, nur noch widerspenstiges, graues Gestrüpp und Farn. Und langsam kann man den tödlichen Schwefel auch riechen – der Krater kann nicht mehr weit sein, man kann ihn förmlich schmecken.
Wir haben viel gelesen und Bilder gesehen, doch jetzt, wo wir am Kraterrand stehen, verschlägt es uns wortwörtlich den Atem. Vor uns erstreckt sich ein gewaltiges Loch, aus dem dichter, gelber, stinkender Rauch steigt und mittendrin das größte Säurefass der Erde!
Und mit dem Rauch kommt uns auch einer der starken Männer entgegen. Auf den Schultern ein Joch mit zwei Körben, gefüllt mit Schwefel. Wir staunen, sind überwältigt, geschockt und fassungslos. Die arbeiten hier tatsächlich!
Und während wir schweigend da stehen, dreht der Wind und offenbart uns einen klaren Blick, bis an die Gasquelle. Diese Chance nutzen wir und steigen denselben Weg hinab, den die Arbeiter sich stundenlang, schwer beladen hinauf quälen. Einige von ihnen finden hierbei den Tod, denn ein falscher Schritt auf dem unbefestigten Pfad, lässt dich in die Tiefe stürzen.
Wir haben Glück und der Wind hält konstant seine Richtung. Innerhalb von 20 Minuten erreichen wir den Grund des Kraters. Unter uns knirscht der gelbe Boden. Schwefelgas schießt gewaltige Wolken in die Luft und der hellblaue Giftsee blubbert friedlich vor sich hin. Ein Naturspektakel keines Gleichen!
Die Schwefelgase werden durch ein ausgeklügeltes Rohrsystem an die Entnahmestelle geleitet. Hier tritt die orange- bis rotfarbige Brühe aus, erstarrt und verwandelt sich in das goldgelbe Schwefel. Begleitet wird dieser Vorgang von einer Masse giftiger Schwefeldämpfe, die mit der Zeit Geschmacks- und Geruchssinne zerstören. Und mittendrin die Minenarbeiter! Mit ihren einfachen Gasmasken, in Gummistiefeln und den Kopf bedeckt mit den Kopftüchern ihrer Frauen!
Ihr größter Arbeitgeber ist die Zuckerfabrik in der nächsten Stadt, die den Schwefel zum Bleichen des Zuckers verwendet. Ihr Arbeitsplatz – eine tickende Zeitbombe. 1962 starben bei einem Gasausbruch 49 von 50 Schwefelarbeitern. 1989 weitere 25. Regelmäßig stürzen Arbeiter ab, brechen sich Knochen, oder sterben an den Folgen der harten Arbeit – Versicherung gibt es keine.
Jetzt stellt man sich die Frage, warum Männer hier noch arbeiten. Unsere Recherchen ergaben, dass Schwefel mittlerweile als überschüssiger Produktionsabfall der Erdgas- und Erdölindustrie sehr günstig am Weltmarkt gehandelt wird. Und doch ist es immer noch günstiger, diese Männer hier zu beschäftigen! Schockierend trauriger Alltag! Über den Verdienst trauen wir uns gar nicht zu schreiben, zu beschämend!
Und Tahari ist einer von ihnen. Er ist 45 Jahre alt und arbeitet bereits seit 15 Jahren in der Mine. Im Wechsel 15 Tage malochen, 15 Tage zu Hause bei seiner Frau und den 2 Kindern. In seinem Dorf werden er und die anderen Minenarbeiter „starke Männer“ genannt. Sie werden hoch angesehen. Zum einen wegen der Schwerstarbeit, die sie leisten und zum anderen wegen der Häuschen, die sie sich von dem verdienten Geld bauen können. Vielleicht wenigstens etwas, das sie entschädigt. Denn die Lebenserwartung dieser Männer liegt bei nur 50 Jahren.
Informationsquellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ijen
http://www.zeit.de/2010/19/Indonesien-Schwefelstecher/seite‑1
Antworten
Spannender Bericht und beeindruckende Bilder. Schönheit und Elend liegen hier nicht nur nah beieinander, sondern sind verschmolzen.
Das ist wohl Wahr!
Vielen Dank!
Irre und irre guter Bericht…
War auch ein irre Erlebnis!
Vielen Dank!
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