Die heilige Stadt Machu Picchu

Nach vier anstren­gen­den Tagen des Sal­kan­tay Treks, der uns bis an den Fuß der Inka­rui­ne Machu Pic­chu führ­te, heißt es nun end­lich am 5. Tag: Gip­fel­sturm auf Machu Pic­chu.

 

  Tag 5: Agu­as Cali­en­tes (2090 m) – Machu Pic­chu (2400 m) – Machu Pic­chu Moun­tain (3051 m)

 

Die­ser völ­lig ver­dreh­te Tag star­tet um 4 Uhr mor­gens. Um 6 Uhr mor­gens öff­net Machu Pic­chu sei­ne Tore, bereits um 5 Uhr mor­gens öff­nen die Tore am Fuße des Ber­ges, auf dem Machu Pic­chu thront, ein wenig außer­halb von Agu­as Cali­en­tes gele­gen.

Um 4.40 Uhr mor­gens ste­hen wir vor einem rie­si­gen Metall­schild, das uns herz­lich Will­kom­men heißt und beglück­wünscht, uns am Fuße von Machu Pic­chu zu befin­den. Drei Kek­se und ein Apfel in unse­rer Tasche die­nen uns als ver­früh­tes Früh­stück. Das Ver­rück­te: Wir sind nicht allei­ne. Schon jetzt ste­hen um die 50 Per­so­nen in klei­nen Grup­pen ver­streut vor dem Häus­chen, in dem sich der wich­tigs­te Mann des Tages dar­auf vor­be­rei­tet, die Tore zu öff­nen – das Wett­ren­nen zu eröff­nen.

Immer mehr Men­schen strö­men aus dem Stock­dun­keln in das Licht, wel­ches das Will­kom­mens­schild beleuch­tet. Über uns hört man den Zug quiet­schend die ers­te Fahrt des Tages ein­läu­ten. Irgend­wo war­ten Men­schen unge­dul­dig dar­auf abge­holt zu wer­den. Um 4.50 beschlie­ßen eini­ge anschei­nend völ­lig Über­dreh­te sich schon mal weni­ge Zen­ti­me­ter vor dem noch ver­schlos­se­nen Tor auf­zu­stel­len. Eine Schlan­ge bil­det sich, natür­lich rei­hen sich alle ein. Ich füh­le mich wie vor einem Pop­kon­zert. Stän­dig gucken die Men­schen unge­dul­dig auf ihre Arm­band­uh­ren. Was wird pas­sie­ren, wenn sich die Tore öff­nen? Wer­den wir über­rannt?

P11104371750_1500x1125

Doch: Ganz gesit­tet wird die Rei­hen­fol­ge der Schlan­ge ein­ge­hal­ten. Es gibt kei­nen Grund zur Panik. Der Stär­ke­re wird gewin­nen und es wird Ver­lie­rer geben.

Lang­sam schrei­ten wir im Enten­marsch vor­an. Stu­fe um Stu­fe geht es berg­auf. Kon­ti­nu­ier­lich, Schritt für Schritt. Die engen Rei­hen lich­ten sich, die ers­ten geben auf, tre­ten zur Sei­te, müs­sen durch­at­men. Allen rinnt der Schweiß von der Stirn. Fast eine Stun­de lang stei­gen wir Stu­fen hoch, geben nicht auf, auch wenn wir wol­len. Eini­ge ver­su­chen zu trick­sen, machen nach jedem Schritt eine klit­ze­klei­ne Pau­se, atmen durch und gehen wei­ter. Sie wol­len ihren Platz in der Rei­he nicht opfern, haben aber auch kei­ne Kraft mehr wei­ter­zu­ma­chen. Sie quä­len sich und Machu Pic­chu treibt sie ver­rück­ter Wei­se an. Aber auch sie wer­den bald aus der Rei­he her­aus an die Sei­te gehen. Nie­mand will auf­ge­ben. Jeder, der ste­hen bleibt, ist bis zum Äußers­ten gegan­gen.

Nach 45 Minu­ten kom­men wir, in Schweiß getränkt, bereits am Ende unse­rer Kräf­te, oben an. Wir sind über 300 Höhen­me­ter auf der stei­ner­nen, stei­len und unebe­nen Trep­pe gestie­gen und ste­hen nun in der Schlan­ge vor den Toren Machu Pic­chus – 20 Men­schen vor uns. Was hier pas­siert ist unglaub­lich. Der über­mä­ßi­ge Ehr­geiz ein­zel­ner steckt alle ande­ren an.

Es ist kurz vor 6 Uhr, die Schlan­ge hin­ter uns ist bis ins Uner­mess­li­che gewach­sen. Die ers­ten Bus­se aus Agu­as Cali­en­tes sind nun ange­kom­men. Men­schen, die sich den anstren­gen­den Auf­stieg erspa­ren woll­ten, bereits um 3 Uhr mor­gens in der Schlan­ge für den Bus anstan­den und 10 US-Dol­lar für die nur weni­ge Minu­ten andau­ern­de Fahrt bezah­len.

P11104451751_1500x1125 P11104541752_1500x1125

Die Tore öff­nen sich. Bedäch­tig schrei­ten wir hin­ein. Es ist noch nichts zu erken­nen. Wir gehen um die ers­te, um die zwei­te Ecke. Dann eröff­net sie sich vor unse­ren Augen, noch im Halb­dun­kel lie­gend und men­schen­leer: die sagen­um­wo­be­ne Stadt der Inkas. Unse­re ers­ten Schrit­te sind zöger­lich. Völ­lig über­wäl­tigt schau­en wir der Son­ne zu, wie sie all­mäh­lich die Rui­nen in wei­ches Licht taucht, der Nebel­schlei­er ver­zieht sich lang­sam. Das ist beein­dru­cken­der als jedes Foto uns hat träu­men las­sen. Ich muss grin­sen bei dem Gedan­ken, dass ich kurz davor war, auf die­ses Spek­ta­kel zu ver­zich­ten; aus Angst vor rie­si­gen Tou­ris­ten­strö­men, die jedes Erleb­nis zu Nich­te machen. Aber das hier ist unbe­schreib­lich.

P11104691755_1500x1125 P11104951782_1125x1500 P11105081759_1500x844 P11105111760_1500x1125 P11105191761_1500x1125 P11105371784_1500x1125 P11105851764_1500x1125

Nach einem 2‑stündigen Rund­gang durch die Rui­nen, in der sich die noch klei­ne Men­ge von Tou­ris­ten fast ver­läuft, steht uns ein wei­te­rer schwe­rer Gang bevor. Wir wol­len den Machu Pic­chu Moun­tain bestei­gen, den Berg, auf dem Machu Pic­chu liegt. Im Gegen­satz zum klei­nen Berg Huay­na Pic­chu (2700 m), der täg­lich von 400 Men­schen bestie­gen wird (Tickets sind vor­ab zu buchen, da die Per­so­nen­zahl auf 400 beschränkt ist), will anschei­nend kaum jemand auf den Machu Pic­chu Moun­tain hin­auf, der sich majes­tä­tisch hoch über den Rui­nen erhebt. Wir wer­den bald her­aus­fin­den, war­um.

Wir lau­fen los. Noch nicht am Kon­troll­häus­chen ange­kom­men, sind wir uns nicht mehr sicher, ob wir den 650 Meter hohen Auf­stieg schaf­fen wer­den. Wir sind außer Atem, die Kräf­te las­sen nach. Die letz­ten 4 Tage und der bereits hin­ter uns lie­gen­de 300 Meter hohe Auf­stieg bis hier hin haben geschlaucht. Und nun wol­len wir noch mal das Dop­pel­te an Höhen­me­ter auf­stei­gen. Bereits nach den ers­ten stei­len Stu­fen set­zen wir uns völ­lig ent­kräf­tet. Wir müs­sen erst­mal ver­bo­te­ner Wei­se früh­stü­cken (Essen ist in der gesam­ten Rui­nen-Anla­ge unter­sagt). Aber auch die Nah­rungs­auf­nah­me macht die Sache nicht leich­ter.

Immer wie­der, nach nur weni­gen Stu­fen, weni­gen Metern, bleibt einer von uns bei­den ste­hen. Wir kön­nen nicht mehr, kom­men so aber auch nicht vor­an. Wir set­zen uns klei­ne Zie­le. Die nächs­te Pau­se machen wir erst bei dem Baum, nach der Kur­ve… Die Stu­fen wer­den immer stei­ler. Wir begeg­nen eini­gen von den 20 Men­schen, die heu­te den Auf­stieg gewagt haben auf ihrem Rück­weg. „Ich war selbst am Ende. Aber gebt nicht auf. Es lohnt sich“ oder „Es wird immer stei­ler und stei­ler. Am Ende macht ihr nach jeder drit­ten Stu­fe eine Pau­se“ wer­den wir begrüßt, ermu­tigt oder ver­ängs­tigt. Das Schlimms­te liegt noch vor uns. Das wis­sen wir jetzt.

Nach einer Stun­de Quä­le­rei ist aber noch lan­ge kein Ende in Sicht. Immer wie­der bli­cken wir auf eine neue Kur­ve, die uns von der Spit­ze trennt. Unzäh­li­ge Male. Die zer­brö­ckel­ten, immer schma­ler wer­den­den Stu­fen gehen unbe­schreib­lich steil hin­auf, rechts geht es unge­schützt 600 Meter berg­ab, direkt auf Machu Pic­chu zu. Die letz­ten Trep­pen neh­men wir am äußers­ten lin­ken Rand. Mit der rech­ten Hand die Augen ver­de­ckend, krie­chen wir nun bei­na­he die Trep­pen hin­auf. Das ist nichts für schwa­che Ner­ven. Jetzt bloß nicht nach unten gucken. End­lich oben ange­kom­men haben wir einen Über­blick über die gesam­te ver­ne­bel­te Berg­welt, in der die Rui­nen fast unschein­bar wir­ken. Ein nähe­rer Blick zau­bert uns ein Lächeln ins Gesicht. Wir schei­nen zur rich­ti­gen Zeit oben ange­kom­men zu sein.

Täg­lich besu­chen 2000 Men­schen die Rui­nen von Machu Pic­chu. Nun schei­nen sie alle ange­kom­men zu sein. Wie klei­ne Amei­sen ren­nen sie die Rui­nen hin­auf und hin­ab. Wir hin­ge­gen genie­ßen die Ruhe weit über dem Getüm­mel Machu Pic­chus, lächeln über jeden adre­na­lin­ge­schwän­ger­ten Bezwin­ger des Ber­ges, der uns erst­mal eupho­risch berich­tet, wie hart der Auf­stieg für ihn war. Beim eben­so schwie­ri­gen Abstieg ver­su­che ich die uns ent­ge­gen­kom­men­den keu­chen­den und schwit­zen­den Men­schen nicht mer­ken zu las­sen, dass noch unbe­schreib­li­che Qua­len auf sie zukom­men wer­den.

P11106581766_1944x2592_1125x1500 P11106741769_2592x1944_1500x1125 P11106781770_1944x2592_1125x1500 P11106911771_2592x1944_1500x1125 P11107131783_2592x1944_1500x1125 P11107211772_2592x1459_1500x844 P11107231773_2592x1944_1500x1125

Die rest­li­chen Stun­den beob­ach­ten wir von einem ruhi­gen Plätz­chen aus das bun­te Trei­ben in den Rui­nen. Die Men­schen­mas­sen ver­schwin­den wie­der. Ein­hei­mi­sche Tou­ris­ten kom­men nun in den spä­ten Nach­mit­tags­stun­den. Lamas fres­sen in aller See­len­ru­he das Gras zwi­schen den ver­fal­le­nen Häu­sern Machu Pic­chus. Am Ende die­ses Tages wer­den wir 1000 Höhen­me­tern trepp­auf und 1000 Höhen­me­ter trepp­ab gelau­fen sein. Noch lie­gen 300 Meter berg­ab vor uns, bevor wir am Ende unse­rer Kräf­te auf der Rück­fahrt nach Cus­co wie alle ande­ren auch, erschöpft in unse­re Sit­ze fal­len.

P11107801777_2592x1944_1500x1125 P11107951778_2592x1944_1500x1125 P11108351785_2592x1944_1500x1125 P11108431780_2592x1944_1500x1125 P11108561781_2592x1944_1500x1125

Wir ent­schul­di­gen uns für die schlech­te Bild­qua­li­tät. Unser Rech­ner hat wäh­rend der Rei­se einen Sturz erlit­ten. Eine exter­ne Fest­plat­te bringt natür­lich nichts, wenn man nicht regel­mä­ßig absi­chert. Lei­der haben wir so unse­re Ori­gi­na­le von Machu Pic­chu ver­lo­ren. 
 

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Uwe Brede
    Uwe Brede

    Vor 10 Jah­ren habe ich (heu­te 48,übergewichtig, star­ker Rau­cher) mit mei­nen Freun­den in Thai­land 780 Höhen­me­ter über­wun­den, und dach­te ich müss­te von der Welt. Ich glau­be ich nehm den Bus, und die Bil­der vom M.P Mou­tain zieh ich aus dem Netz.
    Mei­ne Hoch­ach­tung

    1. Avatar von Morten & Rochssare
      Morten & Rochssare

      Lie­ber Uwe,

      es gilt ja immer: Jeder wie er mag! 😉
      Auch wir wür­den wohl kein zwei­tes Mal auf den Machu Pic­chu Moun­tain stei­gen, obwohl der Auf­stieg und vor allem die Aus­sicht gigan­tisch waren. Nichts­des­to­trotz war es ver­dammt anstren­gend.

  2. Avatar von Ute

    Das hört sich schon beim lesen mehr als anstren­gend an. Herz­li­chen Dank fürs mit­neh­men und die magi­schen Fotos. 🙂
    Zwei (anstren­gen­de) Tages­wan­de­run­gen davon, gibt es noch eine Tem­pel­stadt. Dort ist es auch magisch. Und es ist fast nie­mand da. Ich habe mal eine Repor­ta­ge davon gese­hen.
    LG
    Ute

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Das müs­sen die Rui­nen von Vil­ca­bam­ba sein. Dort sol­len sich etwa 100 Gebäu­de befin­den. Ein schö­ner Grund, noch­mal nach Peru zu rei­sen :-).

  3. Avatar von Stefanie Schwarz

    Nach dem Bericht hier bin ich froh, nicht auf den Huay­na Pic­chu gestie­gen zu sein, das klingt ja furcht­bar anstren­gend! Aber was ich defi­ni­tiv nicht mehr machen wür­de, ist mit Zug+Bus zu Machu Pic­chu zu fah­ren, da kommt man sich vor wie in der Mas­sen­ab­fer­ti­gung. Ihr habt es rich­tig gemacht 😉
    VG Stef­fi

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Der Huay­na Pic­chu ist ja nicht ganz so hoch wie der Machu Pic­chu Moun­tain. Da ist der Auf­stieg viel­leicht auch nicht so anstren­gend. Viel­leicht waren wir aber auch von den vor­he­ri­gen vier Tagen auf dem Sal­kan­tay-Trek schon so aus­ge­laugt, und bei­de Auf­stie­ge sind eigent­lich ein Klacks 🙂
      Mit dem Zug und Bus anzu­rei­sen ist sicher­lich kei­ne schlech­te Mög­lich­keit, aber man ver­passt den magi­schen Moment, die Rui­nen ohne gro­ße Tou­ris­ten­grup­pen zu bestau­nen.

  4. Avatar von Angelika Schwaff via Facebook

    Pho­to­bom­bing Lama! Groß­ar­tig!!! (Und jetzt weiß ich auch, dass ich so einen Auf­stieg nie­mals schaf­fen wer­de… wie­der was gelernt) 😉

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Ja, die Machu Pic­chu-Lamas wer­fen sich immer ordent­lich für die Besu­cher in Pose. Wenn man mit dem Bus hoch möch­te, muss man sogar noch frü­her auf­ste­hen. Das spricht für die Trep­pen 🙂

  5. Avatar von World Whisperer

    Auch noch ein abso­lu­tes Traum­ziel! Die Land­schaft ist ein­fach atem­be­rau­bend!

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Vor allem die umge­ben­de Land­schaft macht Machu Pic­chu erst so magisch. Nicht zu Unrecht zieht es tau­sen­de Tou­ris­ten täg­lich zu den Rui­nen.

  6. Avatar von Monika

    Die Bil­der sind trotz­dem sehr beein­dru­ckend! Dort möch­te ich auch noch unbe­dingt hin … der Arti­kel macht auf jeden Fall schon ein­mal Lust auf mehr! LG Moni­ka

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Dan­ke, lie­be Moni­ka. Auch wir ver­su­chen, nach dem Schmerz des Ver­lus­tes, das Posi­ti­ves an den ver­schwom­me­nen Fotos zu sehen 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert